VwGH vom 20.06.1995, 92/13/0268
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3 - 3426/91-01, betreffend Einkommensteuer 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ermittelte den Gewinn für seinen seit 1985 bestehenden Betrieb (EDV-Beratung) zunächst gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972. Am ging der Beschwerdeführer zur Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 bzw. 1988 über. Per gab er seinen Betrieb auf, womit zwingend wieder ein Wechsel zur Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 verbunden war. Strittig ist, ob der dabei entstandene Übergangsgewinn dem begünstigten Steuersatz im Sinn des § 37 Abs. 1 EStG 1988 unterliegt.
Die belangte Behörde verneinte dies mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid mit folgender Begründung:
"Im vorliegenden Fall hat der BW bereits bis 1987 den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Offensichtlich, um Steuern zu sparen, ging der BW per zur Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 über. Bei Abgabe der Steuererklärungen wußte der BW bereits, daß er den Betrieb aufgeben wird. Der BW hat weder für den Übergang der Gewinnermittlungsart zum noch bezüglich der Betriebsaufgabe vorgebracht, daß dies aus wirtschaftlichen Gründen geschah. Diese Vorgangsweise stellt einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar (§ 22 BAO). Der Übergangsgewinn ist schon deshalb nicht mit dem halben Steuersatz zu besteuern."
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Inhalt der Beschwerde in seinem Recht verletzt, hinsichtlich des Übergangsgewinnes nur mit dem halben Steuersatz besteuert zu werden und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht, der Wechsel der Gewinnermittlungsart am durch den Beschwerdeführer stelle einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar, allein darauf, daß der Beschwerdeführer "bei Abgabe der Steuererklärungen" (gemeint wohl: für das Jahr 1988) bereits gewußt habe, daß er den Betrieb kurz danach aufgeben werde. Damit kann aber ein Mißbrauch im Sinn des § 22 BAO nicht begründet werden: Es mag zutreffen, daß der Beschwerdeführer am (Tag der Abgabe der Steuererklärungen für 1988) gewußt hat, daß er den Betrieb am einstellen wird. Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Beschwerdeführer mit Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1988 der Abgabenbehörde nur mitgeteilt hat, daß er AM (somit nahezu zwei Jahre vor Einreichung der Abgabenerklärungen) die Gewinnermittlungsart geändert hat. Die Entscheidung, in welcher Art er den Gewinn für 1988 ermitteln will, mußte der Beschwerdeführer tatsächlich am (oder davor) getroffen haben, schon um die der Gewinnermittlungsart entsprechenden Aufzeichnungen oder Bücher führen zu können. Die Wahl der Gewinnermittlungsart trifft der Steuerpflichtige mit der Einrichtung oder Nichteinrichtung einer entsprechenden Buchführung (vgl. das hg Erkenntis vom , Zl. 90/14/0171). Geht man - wie die belangte Behörde offenbar unterstellt - davon aus, daß der Beschwerdeführer die Entscheidung über den Wechsel der Gewinnermittlungsart erst anläßlich der Erstellung und Abgabe der Steuererklärungen getroffen hat und dementsprechend nur zur Lukrierung eines Steuervorteiles behauptet hat, am auf die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 übergegangen zu sein, in Wahrheit aber wie bis zum auch weiter Bücher geführt hat, so könnte von einem Wechsel der Gewinnermittlungsart nicht gesprochen werden. Demzufolge läge auch anläßlich der Betriebsaufgabe kein abermaliger Wechsel der Gewinnermittlungsart vor. Eines Rückgriffes auf die Mißbrauchsvorschrift des § 22 BAO bedürfte es in diesem Fall daher nicht. Auf entsprechende Ermittlungen, daß der Beschwerdeführer Bücher geführt hat, hat sich die belangte Behörde aber nicht gestützt. Geht man dementsprechend aber davon aus, daß der Beschwerdeführer ab tatsächlich keine Bücher geführt hat, so können auch aus dem Zeitpunkt, wann der Beschwerdeführer der Abgabenbehörde diesen Umstand mitteilte, keine Schlußfolgerungen dahingehend gezogen werden, daß der Wechsel der Gewinnermittlungsart mißbräuchlich erfolgt wäre, zumal die grundsätzlich freie Wahl der Gewinnermittlungsart vom Gesetz vorgezeichnet ist. Beschreitet der Steuerpflichtige aber unmittelbar jenen Weg, den das Gesetz selbst vorzeichnet, so kann von einem Mißbrauch nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0128).
Im übrigen ist dem Beschwerdeführer zum Wechsel der Gewinnermittlungsart anläßlich der Betriebsaufgabe im Jahr 1989 zuzustimmen, daß von einem freiwilligen Wechsel der Gewinnermittlungsart im Sinn des § 37 Abs. 2 Z. 3 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, nicht die Rede sein kann, wenn der Wille eines Abgabepflichtigen nicht direkt auf die Änderung der Gewinnermittlungsart gerichtet ist, sondern sich diese als eine zwingende Rechtsfolge einer primär auf ein anderes Ziel gerichteten Maßnahme - die Betriebsaufgabe - darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/15/0188).
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.