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VwGH vom 29.04.1992, 88/17/0184

VwGH vom 29.04.1992, 88/17/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Vereines der Heilsarmee in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR - V 12/87, betreffend Ortstaxe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Niederschrift vom über eine vom Magistrat der Stadt Wien, MA 4 - Revisionsstelle, durchgeführte (neuerliche) Revision der Ortstaxe im Frauenwohnheim des beschwerdeführenden Vereins in W, A-Straße, wurde das Revisionsergebnis vom Obmann des Beschwerdeführers nicht anerkannt. Dies mit der Begründung, der statutengemäße Betrieb des genannten Wohnheimes stelle keine Beherbergung im Sinne des Wiener Fremdenverkehrsförderungsgesetzes dar. Denselben Standpunkt vertrat der Beschwerdeführer in einem Schreiben vom an den Magistrat der Stadt Wien betreffend die Beherbergungsentgelte für das (von ihm betriebene) Männerheim in W, B-Straße.

In den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegt weiters ein mit "Im April 1986" datierter Bericht des Männerheimes des beschwerdeführenden Vereins über die Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Einrichtungen der Stadt Wien. Darin heißt es unter anderem, grundsätzlich biete das Männer-Wohnheim der Heilsarmee Unterkunft für vorübergehend obdachlose Männer gleich welcher Nationalität oder Konfession. Schwerste Alkoholiker machten zwischen 5 und 10 % der Hausbesucher aus. Cirka 7 Hausbewohner seien sogenannte Sandler, 2 Hausbewohner psychisch Kranke, 3 von der Bewährungshilfe Zugewiesene, 7 Vorbestrafte, 13 Flüchtlinge bzw. Asylwerber und 18 Pensionisten bzw. Frührentner. Etwa 25 % gingen regelmäßig einer Arbeit nach, zirka 40 % seien arbeitslos und gingen nur sporadisch einer Beschäftigung nach, der Rest sei in Pensionisten, "Sozialbezüger" und schwerst vermittelbare Arbeitslose aufzuteilen.

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 4 - Referat 4, vom wurde "gemäß §§ 149 Abs. 2 und 150 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit den §§ 11, 13 Abs. 1 und 14 des Wiener Fremdenverkehrsförderungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 13/1955, in der jeweils maßgeblichen Fassung" gegen den beschwerdeführenden Verein die Haftung für die Ortstaxe für die in den Heimen dieses Vereines in der Zeit vom April 1983 bis Dezember 1986 vorgenommenen Beherbergungen mit einem Betrag von insgesamt S 167.902,-- geltend gemacht. Weiters wurden für die Kalendermonate April 1983 bis November 1986 und für das Kalenderjahr 1986 (Kalendermonat Dezember 1986) Verspätungszuschläge sowie ein Säumniszuschlag vorgeschrieben. Der Rückstand betrage insgesamt S 188.050,--. In der Begründung dieses Bescheides heißt es - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung - im wesentlichen, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege ein "Beherbergungsbetrieb" dann vor, wenn Wohnraum zum Zwecke des (vorübergehenden) Aufenthaltes, verbunden mit den in einem Betrieb der Fremdenbeherbergung üblichen Dienstleistungen, gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werde. Dabei sei die entgeltliche Vergabe von Bettstellen in einem Massenquartier auch dann als Fremdenbeherbergung anzusehen, wenn in völlig unzureichendem Maße sanitäre Einrichtungen beigestellt würden und an Dienstleistungen dem Kunden gegenüber nur die gelegentliche Beistellung gesäuberter Bettwäsche erbracht werde. Weiters begründete die Abgabenbehörde erster Instanz die Festsetzung des Verspätungs- und des Säumniszuschlages.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß die Vorschreibung der Verspätungszuschläge entfalle. Der zu zahlende Rückstand betrage somit S 171.260,--.

Zur Begründung wird darin im wesentlichen ausgeführt, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes müsse im gegenständlichen Fall das Vorliegen eines Beherbergungsbetriebes zweifelsfrei bejaht werden, da der Beschwerdeführer die Heizung, Beistellung und Reinigung der Bettwäsche sowie die Reinigung der Schlaf- und Aufenthaltsräume erbringe. Zwar habe die von der belangten Behörde zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Arbeiterherbergen betroffen, dies ändere jedoch nichts daran, daß diese Rechtsauffassung keinesfalls auf einen bestimmten Typ eines Beherbergungsbetriebes abgestellt sei. Ein Verschulden an der Nichtwahrung der Einreichungsfrist für die Steuererklärungen erscheine nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, zur Haftung für Ortstaxe nicht herangezogen zu werden, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Trotz der mangelhaften Fassung des Spruches des angefochtenen Bescheides kann kein Zweifel daran bestehen, daß die belangte Behörde mit Ausnahme des Ausspruches über die Verspätungszuschläge der Berufung nicht Folge geben wollte.

Die wesentlichen Bestimmungen des Wiener Fremdenverkehrsförderungsgesetzes, LGBl. Nr. 13/1955 idF. LGBl. Nr. 12/1973, 8/1975 und 44/1986 (WFFG), lauten:

"§ 1.

Fremdenverkehrsförderung.

Die Fremdenverkehrsförderung umfaßt alle Maßnahmen, die geeignet sind, den für die Volkswirtschaft und die Geltung Wiens im In- und Auslande bedeutungsvollen Zustrom von Gästen zu verstärken.

§ 2.

Wiener Landesorganisation für Fremdenverkehr.

(1) In Wien wird als Landesorganisation für Fremdenverkehr der "Fremdenverkehrsverband für Wien" errichtet, in der Folge kurz "Verband" genannt.

...

§ 3.

Aufgaben des Verbandes.

(1) Der Verband hat die Aufgabe, den Fremdenverkehr in Wien zu fördern sowie die Interessen des Landes Wien auf dem Gebiete des Fremdenverkehrs wahrzunehmen. Im Falle der Gegenseitigkeit unterstützt er auch Fremdenverkehrsförderungsmaßnahmen anderer Gebietskörperschaften.

(2) Dem Verband obliegen insbesondere:


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a)
die Fremdenverkehrswerbung;
b)
die Mitwirkung bei allen den Fremdenverkehr erheblich berührenden Maßnahmen des Magistrats;
c) die Mitwirkung bei der Vorsorge für zeitgemäße Fremdenverkehrseinrichtungen;
d) die Förderung und Durchführung einschlägiger gesellschaftlicher Veranstaltungen;
e) die Förderung des Verständnisses der Bevölkerung für den Fremdenverkehr.
...

§ 10.

Bedeckung der Kosten.


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Die Kosten des Verbandes sind durch eigene Einnahmen,
Subventionen oder Spenden und aus dem Erträgnis der Ortstaxe zu
decken.

§ 11.

Gegenstand der Ortstaxe.

(1) Wer im Gebiet der Stadt Wien in einem Beherbergungsbetrieb gegen Entgelt Aufenthalt nimmt, hat die Ortstaxe zu entrichten, sofern er nicht nach § 12 von der Leistung der Ortstaxe befreit ist.

...

§ 13.

Einreichung der Abgabenerklärung

und Entrichtung der Ortstaxe.

(1) Die Inhaber der Beherbergungsbetriebe haben die Ortstaxe von den Beherbergten einzuheben und bis zum 14. des der Beherbergung nächstfolgenden Monates beim Magistrat zu entrichten sowie bis zum 20. Jänner jedes Jahres für die im Vorjahr entstandene Steuerschuld beim Magistrat eine Steuererklärung einzureichen. Die Inhaber der Beherbergungsbetriebe haften für die Begleichung der Ortstaxe durch die Beherbergten ...

...

§ 14.

Steuersatz der Ortstaxe.

Die Ortstaxe beträgt je Person und Beherbergung 2,8 vH. des Beherbergungsentgeltes (§ 11) ..."

In seiner Rechtsrüge bringt der Beschwerdeführer vor, unter "Betrieb" sei eine Einrichtung zu verstehen, mit der eine ständige Einnahmequelle geschaffen werden solle. Im Falle eines "Beherbergungsbetriebes" solle dies durch die Beherbergung von Gästen gegen Entgelt erreicht werden. Eine karitative Einrichtung sei kein Betrieb in diesem Sinne. Das von den beherbergten Personen verlangte Entgelt sei nach Art und Höhe ein reiner Kostenbeitrag, der den Aufwand zumindest teilweise decken solle.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Ein Betrieb ist die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0049). Zutreffend ist weiters die Auffassung der belangten Behörde, daß, käme es auf Gewinnabsicht an, im Gesetz von einem "Gewerbebetrieb" (§ 28 BAO, § 26 WAO) die Rede sein müßte. Am Charakter eines Entgelts würde es schließlich auch nichts ändern, wenn es sich nach Art und Höhe als ein Kostenbeitrag darstellte.

Es trifft weiters zu, daß die vom Beschwerdeführer betriebenen Heime an sich als Beherbergungsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 1 WFFG anzusehen wären. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 255/79 (Rechtssätze in Slg. Nr. 5395/F) dargetan hat, ist der genannten Gesetzesstelle jedenfalls zu entnehmen, daß darunter die entgeltliche Zurverfügungstellung von Wohnraum zum Zwecke des (vorübergehenden) Aufenthaltes, verbunden mit den in einem Betrieb der Fremdenbeherbergung üblichen Dienstleistungen, zu verstehen sei. Daß diese Voraussetzungen hier vorliegen, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten, zumal im Bericht vom April 1986 unter den gebotenen Dienstleistungen unter anderem angeführt wird:


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"-
Bade- und Brausegelegenheit
-
...
-
Bettwäsche wird im Tournus von 3 Wochen gewaschen und selbstverständlich bei jedem Wechsel
-
Sauberhaltung der Schlaf- und Aufenthaltsräume
-
..."
Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er sinngemäß die Auffassung vertritt, eine Obdachlosenherberge falle nicht unter die Bestimmungen des § 11 WFFG.
Wie aus § 10 leg. cit. hervorgeht, dient das Erträgnis der Ortstaxe dazu, die Kosten des nach § 2 leg. cit. eingerichteten "Fremdenverkehrsverbandes für Wien" teilweise zu decken. Nach § 3 Abs. 1 erster Satz leg. cit. hat der genannte Verband die Aufgabe, den Fremdenverkehr in Wien zu fördern sowie die Interessen des Landes Wien auf dem Gebiete des Fremdenverkehrs wahrzunehmen. Nach § 1 leg. cit. umfaßt die Fremdenverkehrsförderung alle Maßnahmen, die geeignet sind, den für die Volkswirtschaft und die Geltung Wiens im In- und Auslande bedeutungsvollen Zustrom von Gästen zu verstärken.
Zutreffend (wenngleich ein wenig pointiert) verweist der Beschwerdeführer sinngemäß darauf, daß ein Zustrom von Obdachlosen nicht als für die Volkswirtschaft und die Geltung Wiens im In- und Auslande bedeutungsvoll angesehen werden könnte. Auch die in § 3 Abs. 2 beispielsweise aufgezählten Obliegenheiten des Verbandes haben mit der Beherbergung von Obdachlosen nichts zu tun. Obdachlose sind daher nicht den im § 1 leg. cit. genannten "Gästen" gleichzusetzen.
Daraus ergibt sich, daß im vorliegenden Fall eine teleologische Reduktion (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts8, I, Seite 28) stattzufinden hat. Vom Wortlaut des vorliegenden Gesetzes (Abgabentatbestand) werden Fälle erfaßt, die dem Sinn nach nicht erfaßt sein sollen. Die im Gesetz enthaltene, aber zu weit gefaßte Regel ist auf den ihr nach dem - gleichfalls aus dem Gesetz hervorgehenden - Zweck und Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen. Ein Obdachlosenheim ist daher nicht als Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 1 leg. cit. anzusehen.
Dieser Auffassung steht zufolge Verschiedenheit des Sachverhaltes auch nicht das bereits erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 255/79, entgegen.
Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens unter Außerachtlassung ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts keine Feststellungen darüber getroffen, ob es sich bei den vom Beschwerdeführer geführten Heimen um solche Obdachlosenheime handelt, obwohl zumindest der im Akt erliegende "Bericht" vom April 1986 genügend Hinweise in dieser Richtung - und zwar wegen der offenkundigen Gleichartigkeit der vom Beschwerdeführer übernommenen Aufgaben auch hinsichtlich des vom Beschwerdeführer betriebenen Frauenwohnheims in W, A-Straße - bot. Die belangte Behörde hat sohin ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.