VwGH vom 15.12.1995, 95/11/0267

VwGH vom 15.12.1995, 95/11/0267

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/04/01070/94, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: H in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, vom war der Mitbeteiligte schuldig erkannt worden, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß sich in einer in Graz gelegenen Filiale eines Handelsunternehmens (einer Gesellschaft m.b.H.) mit dem Sitz im 23. Wiener Gemeindebezirk im Zeitraum zwischen dem 2. August und dem insgesamt 12 Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes ereignet hätten; die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten war darauf gestützt worden, daß er Bezirksverkaufsleiter und damit zur Vertretung der Gesellschaft m.b.H. nach außen berufenes Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG sei. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis vom "behoben" und das Verwaltungsstrafverfahren in Ansehung der in Rede stehenden Übertretungen gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt. In der Begründung wird ausgeführt, daß der Tatort der Übertretungen die Filiale in Graz sei, sodaß die Erstbehörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides örtlich unzuständig gewesen sei.

In seiner auf § 13 ArbIG 1993 gestützten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der beschwerdeführende Bundesminister Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde hat mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen wird, und für den Fall der Abweisung der Beschwerde einen Zuspruch von Aufwandersatz beantragt. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wurde entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten nicht verspätet eingebracht. Die Beschwerdefrist begann für den beschwerdeführenden Bundesminister gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 (zweiter Fall) VwGG mit dem Zeitpunkt, zu dem er vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt hat und nicht bereits mit der Zustellung dieses Bescheides an das Arbeitsinspektorat, welches Partei im Verwaltungsstrafverfahren war. Der Mitbeteiligte verkennt insbesondere die Rechtsstellung der Arbeitsinspektorate nach dem ArbIG, welche nachgeordnete Dienststellen des beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteten Zentral-Arbeitsinspektorates sind (§ 16 ArbIG).

Der beschwerdeführende Bundesminister ist mit seinem Vorbringen im Recht, die Annahme der Berufungsbehörde, die Behörde erster Instanz sei zur Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig gewesen, rechtfertige wohl die Aufhebung des Straferkenntnisses, nicht aber auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. Die Berufungsbehörde trifft in einem solchen Fall vielmehr die Verpflichtung, die Befassung der ihrer Meinung nach zum Einschreiten in erster Instanz zuständigen Strafbehörde (sofern dies in Ansehung der Verjährungsbestimmungen noch zulässig oder zielführend ist) zu veranlassen. Umstände, die die Verfolgung eines Beschuldigten im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ausschlössen, liegen angesichts der Unzuständigkeit der zunächst tätig gewordenen Strafbehörde erster Instanz nicht vor.

Der angefochtene Bescheid war bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, und zwar nicht nur hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, sondern aus den im folgenden genannten Gründen auch hinsichtlich der Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses:

Der Mitbeteiligte ist nach Meinung der belangten Behörde kein zur Vertretung der in Rede stehenden juristischen Person nach außen berufenes Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG. Darin pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde bei. Der Mitbeteiligte ist Bezirksverkaufsleiter, und nicht Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H (nur ein solcher käme als Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG in Betracht). Seine Verantwortlichkeit könnte sich vielmehr aus einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich ergeben. Solches scheint auf Grund des Verwaltungsstrafaktes auch nahezuliegen. Unter der Voraussetzung, daß es sich dabei um eine rechtswirksame Bestellung handelt, wobei insbesondere § 23 Abs. 2 ArbIG zu beachten wäre (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0470, in welchem insbesondere auf eine entsprechende Anordnungsbefugnis für den übertragenen Verantwortungsbereich hingewiesen wird), wäre einerseits die Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten auf § 9 Abs. 2 VStG zu stützen, andererseits wäre freilich die Zuständigkeit der Erstbehörde gegeben gewesen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/02/0280); sollte hingegen die Bestellung des Mitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in der in Rede stehenden Filiale unwirksam geblieben sein, so wäre die Einstellung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens im Ergebnis zutreffend gewesen.

Zur Behauptung des Mitbeteiligten, der angefochtene Bescheid sei im Ergebnis rechtmäßig und die Beschwerde daher abzuweisen, weil Verfolgungsverjährung eingetreten sei, ist er darauf hinzuweisen, daß nach § 32 Abs. 2 VStG auch eine Verfolgungshandlung einer unzuständigen Behörde den Eintritt der Verfolgungsverjährung verhindert und daß die rechtliche Eigenschaft, in der ein Beschuldigter verfolgt wird, in Ansehung eben dieser Wirkung unerheblich ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12 375/A).

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen werden.