VwGH vom 27.07.2001, 2001/08/0061
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-T 3/2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: R in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verpflichtete den Mitbeteiligten mit Bescheid vom gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, die auf dem Konto dieser Gesellschaft als Beitragsschuldnerin aushaftenden, uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 131.138,37 zuzüglich Verzugszinsen seit in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, berechnet von S 119.011,20 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Dem vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wurde zunächst mit Bescheid der belangten Behörde vom teilweise stattgegeben; die belangte Behörde stellte fest, dass der Mitbeteiligte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto der beitragsschuldnerischen Gesellschaft mbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge von S 28.911,30 zuzüglich Verzugszinsen seit in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe an die Beschwerdeführerin zu bezahlen. Dieser Bescheid wurde im Gefolge des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom , 98/08/0191, 0192, mit Erkenntnis vom , 99/08/0049, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit dem nunmehrigen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten statt und stellte fest, dass der Mitbeteiligte nicht verpflichtet sei, als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die auf dem Beitragskonto dieser Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrage von S 131.138,37 zuzüglich Verzugszinsen seit in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 119.011,20 an die Beschwerdeführerin zu bezahlen.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, nach der neueren Judikatur (Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 98/08/0191, 0192) könne eine zur Vertretung juristischer Personen berufene Person nur bei Verstoß gegen die §§ 111 und 114 Abs. 2 ASVG zur Haftung herangezogen werden. Im gegenständlichen Falle habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sämtliche Dienstnehmeranteile durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bezahlt worden seien. Da somit keine Dienstnehmeranteile unberichtigt aushaften, sei dem Einspruch stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe zu Recht festgestellt, dass die Dienstnehmerbeitragsanteile durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds am bezahlt worden seien. Die belangte Behörde habe jedoch übersehen, dass der zur Haftung Berufene nicht nur für die Dienstnehmerbeitragsanteile hafte, sondern gemäß § 83 ASVG auch für Verzugszinsen und Verwaltungskosten, welche hinsichtlich der Dienstnehmerbeitragsanteile auflaufen. Weiters macht die Beschwerdeführerin geltend, der zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Berufene könne nicht durch Zahlungen des Fonds von seiner Haftung befreit werden.
Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 98/08/0191, 0192, ausgesprochene Rechtsansicht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Auffassung der Beschwerdeführerin, die Zahlungen des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds seien nicht schuldbefreiend erfolgt, weil sie erst nach Geltendmachung der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eingelangt seien, ist entgegenzuhalten, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, die für gesicherte Ansprüche fällig werden, und Dienstnehmerbeitragsanteile, soweit diese bis längstens zwei Jahre vor der Konkurseröffnung bzw. vor jenen Zeitpunkten, welche dieser gemäß § 1 Abs. 1 gleichgestellt sind, rückständig sind, dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger, hier also der Beschwerdeführerin, schuldet (§ 13a Abs. 2 IESG). Die Zahlungen des Fonds befreien sohin den Beitragsschuldner, hier die in Konkurs geratene Gesellschaft mbH gegenüber der Beschwerdeführerin. Unstrittig ist, dass die Dienstnehmerbeitragsanteile zur Gänze bezahlt wurden. Da diese Beiträge nicht unberichtigt aushaften, besteht überhaupt kein Raum für eine in Anspruchnahme des gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nur für den Ausfall haftenden Mitbeteiligten. Der Mitbeteiligte ist gemäß § 114 Abs. 2 ASVG nur zur Abfuhr der einbehaltenen Dienstnehmeranteile verpflichtet. Die Haftung für die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Zinsen und den Verwaltungskosten i.S. des § 83 ASVG trifft ihn nur im Rahmen des § 67 Abs. 10 ASVG. Für die Entrichtung dieser Nebengebühren fehlt es aber an einer spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom , 98/08/0191, 0192.
Mit ihren Ausführungen gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 98/08/0191, 0192, übersieht die Beschwerdeführerin die Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG. Eine nach § 63 Abs. 1 VwGG eingetretene Bindung eines aufhebenden Erkenntnisses besteht nicht nur für die belangte Behörde, sondern auch für den Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des Ersatzbescheides.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am