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VwGH vom 11.12.1992, 88/17/0110

VwGH vom 11.12.1992, 88/17/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-L 19/87, betreffend Müllabfuhrabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der als Abgabenbescheid bezeichneten Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer eine jährliche Müllabfuhrabgabe (ab ) von S 299,-- festgesetzt.

Eine Unterschrift des Genehmigenden weist die Urschrift dieser Erledigung nicht auf.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Erledigung Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde "der angefochtene Bescheid" mit der Abänderung bestätigt, daß die Abgabe erst ab vorgeschrieben wird. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

In der vorliegenden Beschwerde wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtfestsetzung einer Müllabfuhrabgabe für die in Frage stehende Liegenschaft verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde "zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:

Vorweg ist auf das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift einzugehen, wonach die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen wäre, weil in der Beschwerde als belangte Behörde die Wiener Landesregierung bezeichnet sei.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG hat die Beschwerde die Bezeichnung der Behörde zu enthalten, die den Bescheid erlassen hat. Dieser Vorschrift kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil damit zwischen dem Beschwerdeführer und der von ihm als Prozeßgegner bezeichneten Behörde - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - ein Prozeßrechtsverhältnis begründet wird. Hat der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG eine Behörde als diejenige angegeben, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, dann ist der Verwaltungsgerichtshof daran gebunden, auch wenn aus dem vorgelegten Bescheid eine andere Behörde als bescheiderlassende Behörde ersichtlich ist. Würde man eine andere Auffassung vertreten, dann würde die Vorlage des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 28 Abs. 5 VwGG genügen und die Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG inhaltslos sein (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom , Zl. 92/08/0045, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt für den Fall einer fehlerhaften Bezeichnung der belangte Behörde durch die beschwerdeführende Partei in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden kann, welche Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, sondern, daß dies auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt, den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschlossen werden kann. Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist jene Behörde, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens, einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen, als belangte Behörde zu erkennen ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/18/0078, nur Rechtssatz in Slg. N.F. Nr. 12088/A).

Die oben dargelegten Grundsätze können jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn auf Grund der Bezeichnung der belangten Behörde durch den Beschwerdeführer Zweifel darüber bestehen, welche Behörde der Beschwerdeführer als belangte Behörde bezeichnen wollte. Hat hingegen der Beschwerdeführer die belangte Behörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ausdrücklich (wenn auch möglicherweise unrichtig) bezeichnet, dann steht es dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu, diesbezüglich von sich aus eine Änderung vorzunehmen und die Partei, mit der sich der Beschwerdeführer in das Verfahren einlassen will, gegen eine andere, von ihm nicht bezeichnete, auszutauschen (vgl. nochmals den hg. Beschluß vom ).

Im Beschwerdefall wird nun zwar ausdrücklich als belangte Behörde die "Landesregierung von Wien" bezeichnet. Als angefochtener Verwaltungsakt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 VwGG wird der "beiliegende Bescheid der Wiener Landesregierung (Abgabenberufungskommission) vom , Zl. MDR-L 19/87 ..." genannt. Auf dem Boden dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die belangte Behörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ausdrücklich bezeichnet hat. Bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens, einschließlich des der Beschwerde angeschlossenen angefochtenen Bescheides, ist vielmehr die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien als belangte Behörde zu erkennen.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

Die Beschwerde ist auch schon aus folgendem Grund berechtigt:

§ 70 WAO in der Fassung vor der Novelle LGBl. für Wien Nr. 21/1988 hatte folgenden Wortlaut:

"§ 70 (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten, sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

(2) Bei im Lochkartenverfahren oder in ähnlichen Verfahren hergestellten Ausfertigungen gilt die aufgedruckte Namensangabe als Unterschrift im Sinne des Abs. 1."

Mit der am im Landesgesetzblatt für Wien ausgegebenen WAO-Novelle LGBl. Nr. 21/1988 erhielt der § 70 Abs. 2 WAO folgende neue Fassung:

"(2) Ausfertigungen, die mittels einer automationsunterstützen Datenverarbeitungsanlage hergestellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter jener Dienststelle der Abgabenbehörde, um deren Erledigung es sich handelt, genehmigt."

Zufolge Art. II der in Rede stehenden WAO-Novelle gilt die Neufassung des § 70 Abs. 2 WAO auch für vor dem Inkrafttreten hergestellte Ausfertigungen. Diese Regelung erfaßt mangels ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung nur jene vor dem Inkrafttreten hergestellten Ausfertigungen, hinsichtlich derer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle noch keine rechtskräftige Berufungsvorentscheidung vorlag. Der der erstinstanzlichen Erledigung anhaftende Mangel, daß sie die Unterschrift des Genehmigenden auf der Urschrift nicht aufweist, wurde auch durch die rückwirkende Änderung der Rechtslage nicht saniert. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0011 (vgl. auch die dort angegebenen Judikatur- und Literaturhinweise), ausgeführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof einen mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Rechtsaktes bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen. Die Berücksichtigung von Sachverhalts- oder Rechtsänderungen, die sich zwischen dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung und dem Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Gerichtshofes ereignen, durch den Verwaltungsgerichtshof ist in den Fällen einer gesetzlichen Rückwirkungsanordnung der hier vorliegenden Art ausgeschlossen. Ist aber nach dem Gesagten die erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretene Änderung der Rechtslage durch die WAO-Novelle LGBl. Nr. 21/1988 unberücksichtigt zu lassen, so ist im Beschwerdefall die Bestimmung des § 70 WAO in der Fassung vor der in Rede stehenden Novelle Prüfungsmaßstab dafür, ob die erstinstanzliche Abgabenfestsetzung Bescheidcharakter aufweist oder nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis weiters ausgeführt hat, stellt sich die Rechtslage in diesem Fall nicht anders dar als im Fall des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 85/17/0075, zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 73 der NÖ-Abgabenordnung 1977.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Berufung des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes hätte zurückgewiesen werden müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.