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VwGH vom 22.12.1993, 92/13/0185

VwGH vom 22.12.1993, 92/13/0185

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat I, vom , GZ 6/1-1113/89-08, soweit darin über Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für 1984 abgesprochen worden ist, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat - jedenfalls bis zum Jahre 1981 - einen Möbelhandel betrieben. In den dem Verwaltungsgerichtshof nur unvollständig vorgelegten Verwaltungsakten sind Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen des Beschwerdeführers für die Jahre 1983 bis 1985 enthalten. Weiters befinden sich in den Akten Bilanzen zu den Stichtagen , 1984 und 1985 sowie Verlust- und Gewinn-Rechnungen für die Jahre 1983, 1984 und 1985. In den Bilanzen sind verschiedene Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Gebäude, Fuhrpark, Werkzeuge, Mietrechte) sowie des Umlaufvermögens (Kundenforderungen, Forderungen gegenüber Banken, sonstige Forderungen sowie in der Bilanz zum auch Warenvorräte) ausgewiesen. In den "Erfolgsrechnungen" für 1983 sind neben sonstigen Erträgen insbesondere auch Handelswarenerlöse einerseits und ein Handelswareneinsatz andererseits ausgewiesen. Hingegen sind in der Erfolgsrechnung für 1985 neben sonstigen Erlösen nur Berichtigungen von Handelswarenerlösen enthalten. Der Gewinn für 1984

(S 15.968,01) wurde in einer Beilage zur Einkommensteuererklärung 1984 unter den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgewiesen. Die Gewerbesteuererklärung 1984 enthielt den Vermerk "keine gewerbliche Tätigkeit".

Im Jahre 1987 wurde beim Beschwerdeführer eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich der Zeiträume 1983 bis 1985 vorgenommen. Im Prüfungsbericht wurde unter anderem ausgeführt, nach einer schriftlichen Mitteilung des Beschwerdeführers habe er sein bisheriges Einzelunternehmen mit Wirkung vom an die F. GmbH verpachtet. Tatsächlich habe der Betrieb jedoch bis Ende 1984 weiter bestanden; es seien noch Warenvorräte vorhanden gewesen, die bis Oktober 1984 "laufend" an die F. GmbH verkauft worden seien. Die verbliebenen betrieblichen Wirtschaftsgüter seien zum infolge der damit erfolgten Betriebsaufgabe ins Privatvermögen zu übernehmen. Nach dem Prüfungsbericht ergebe sich die Bewertung der Kundenforderungen zum Aufgabestichtag "aus der Gesamtsumme der bis 1986 eingegangenen Zahlungen für Kundenforderungen".

Bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes für 1984 setzte der Prüfer den gemeinen Wert des betrieblich genutzten Gebäudeteils mit dem fünffachen anteiligen Einheitswert - unter Ausscheidung eines Anteiles von Grund und Boden in Höhe von 25 % - an. Die Kundenforderungen setzte der Prüfer "laut Bilanz " mit S 482.449,94, abzüglich uneinbringlicher Forderungen von S 227.636,30, zuzüglich einer Position "Zinsenforderungen" von S 220.000,--, somit mit einem "Entnahmewert" von S 474.813,64 fest. Der gemeine Wert des "sonstigen Anlagevermögens" wurde mit S 100.000,-- angesetzt. Der Prüfer ermittelte auf diese Weise für das Jahr 1984 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von S 2,543.492,67. Bei der Ermittlung der Umsätze für 1984 setzte der Prüfer eine Position "Betriebsaufgabe" (S 266.666,67) an.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - entsprechende Abgabenbescheide.

In der Berufung gegen diese Bescheide wurden - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - Einwendungen gegen die Feststellung erhoben, der Gewerbebetrieb habe noch bis Ende 1984 bestanden. Es sei keine werbende Tätigkeit mehr ausgeübt worden; die Warenvorräte seien der F. GmbH "in Kommission" gegeben worden und jeweils zum Jahresende abgerechnet worden.

Nach einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung wurde vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers in einer ergänzenden Eingabe vom ausgeführt, das gesamte Warenlager sei der F. GmbH am "in Kommission" übertragen worden. Aus dem Umstand, daß die F. GmbH jährliche Abrechnungen über die verkaufte Kommissionsware vorgenommen habe, könne nicht geschlossen werden, daß die Liquidation länger angedauert habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat führte der Beschwerdeführer aus, die nicht ins Eigentum der GmbH übertragenen Möbel seien beschädigt und veraltet gewesen. Sie bestanden aus polyesterbeschichteten Formaldehydplatten, die damals als unverkäuflich galten. Die Waren seien zum körperlich übergeben worden. Es sei kein Kaufpreis vereinbart worden, weil nicht abzusehen war, ob sie überhaupt verkäuflich sein werden. Die Waren seien quasi in Kommission übergeben worden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde über die Berufung entschieden. Soweit sie den vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Punkt einer Betriebsaufgabe betraf, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, eine über längere Zeit andauernde Liquidation eines Betriebes stelle keine Betriebsaufgabe dar. Der Beschwerdeführer habe seine Gewerbeberechtigung mit Wirksamkeit vom zurückgelegt und die Geschäftsräume samt Einrichtung an die F. GmbH "vermietet". Das noch vorhandene Warenlager sei der F. GmbH in Verkaufskommission gegeben worden. Aus dieser kommissionsweisen Überlassung der Warenbestände ergebe sich, daß der Beschwerdeführer bis zum Oktober 1984 die noch vorhandenen Handelswaren als Kommittent und damit als Unternehmer abverkauft hat. Es handle sich dabei um Gewinne aus Geschäftsfällen, die zur normalen Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen zählen. Es liege somit eine ertragsteuerlich begünstigte Betriebsaufgabe im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972 nicht vor. Die belangte Behörde folgte bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1984 zwar dem Berufungsbegehren hinsichtlich der Höhe des mit einem Sachverständigengutachten belegten gemeinen Wertes der betrieblich genutzten Gebäudeteile, versagte aber die Anwendung des Freibetrages nach § 24 Abs. 4 EStG 1972 sowie des begünstigten Steuersatzes im Sinne des § 37 Abs. 1 EStG 1972. Außerdem unterzog sie den Gewinn aus Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, daß als Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nicht der , sondern der zugrunde gelegt worden ist. Es werden Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als eine - steuerlich begünstigte - Veräußerung des (ganzen) Betriebes gilt gemäß § 24 Abs. 3 EStG 1972 auch dessen Aufgabe. Eine Betriebsaufgabe liegt nur dann vor, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebes in einem einheitlichen Vorgang entweder an Dritte veräußert oder ins Privatvermögen des bisherigen Betriebsinhabers überführt werden, nicht aber bei einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Liquidation (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 87/13/0147, mit weiteren Hinweisen). Zu den wesentlichen Grundlagen eines Einzelhandelsbetriebes zählt aber jedenfalls die Handelsware. Solange noch (von einzelnen nicht oder nur schwer verkäuflichen Restposten, "Ladenhütern", abgesehen) Handelsware vorhanden ist und sogar laufend veräußert wird, kann nicht davon gesprochen werden, daß dem Betrieb bereits die wesentlichen Grundlagen entzogen sind und der Betrieb (endgültig und abschließend) aufgegeben ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0193, mit weiteren Hinweisen).

Nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, die sich auf Darstellungen des Beschwerdeführers selbst bzw. seines steuerlichen Vertreters stützen, hat der Beschwerdeführer zwar die Geschäftsräumlichkeiten, in denen er bis zum Jahre 1981 seinen Möbelhandel betrieben hatte, mit an die F. GmbH vermietet. Die Handelsware hat danach die F. GmbH als Kommissionär zur Veräußerung für Rechnung des Beschwerdeführers übernommen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein Kommissionsgeschäft im Sinne des § 383 HGB abgeschlossen worden ist - wie die belangte Behörde auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und seines steuerlichen Vertreters angenommen hat. Die belangte Behörde konnte jedenfalls auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere auch jenen in der mündlichen Verhandlung, davon ausgehen, daß im Jahre 1981 - jener Zeit, in der der Beschwerdeführer die Verfügung über die Betriebsräumlichkeiten aufgegeben hatte - es nicht zu einer Veräußerung des Warenlagers gekommen ist. Vielmehr gehörte zum Betriebsvermögen des Beschwerdeführers, der selbst bis zum noch eine Gewinnermittlung für den Gewerbebetrieb des Möbelhandels durch Bestandsvergleich durchgeführt hat, zu den Bilanzstichtagen , und noch ein nicht unbeträchtliches Warenlager, wobei auf Grund des Umfanges dieses Warenlagers keineswegs von bloßen Restposten gesprochen werden kann. Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, daß im Beschwerdefall ein einheitlicher Vorgang, in dessen Zuge die Grundlagen des Betriebes veräußert bzw. ins Privatvermögen übernommen worden sind, nicht bestanden hat. Soweit die Beschwerde somit von einer Betriebsaufgabe bereits im Jahre 1981 ausgeht, ist sie also unbegründet.

Erfolgte aber die Beendigung des in Rede stehenden Betriebes nicht durch einen einheitlichen Aufgabevorgang, sondern durch eine allmähliche Abwicklung, so war auch die Vorgangsweise der belangten Behörde unrichtig, im Jahre 1984


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in welchem Jahr den Bilanzen zufolge die Vorräte an Handelsware zur Gänze verkauft waren - eine Finalbesteuerung vorzunehmen. Diese Vorgangsweise widerspricht der
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zutreffenden - Annahme, daß eine Liquidation des Unternehmens durchgeführt wurde. Damit hat die belangte Behörde aber den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, sodaß der angefochtene Bescheid nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Zur Klarstellung ist dabei für das fortzusetzende Verfahren insbesondere festzustellen, daß im Streitjahr 1984 - soweit aus den nur unvollständig vorgelegten Verwaltungsakten der Sachverhalt erkennbar ist - kein Anlaß für eine Besteuerung der stillen Reserven der betrieblich genutzten Gebäudeteile bestand. Vielmehr wurden die betrieblich genutzten Gebäudeteile bereits mit der 1981 erfolgten Vermietung an die F. GmbH aus dem Betriebsvermögen - ungeachtet ihrer Behandlung in den vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgelegten Bilanzen - entnommen.