VwGH vom 31.07.1996, 92/13/0163
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. 6/1-1055/91-04, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken für 1981 bis 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb das Cafe A. in B. Im Zuge einer Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG betreffend den Zeitraum 1981 bis 1988 traf der Prüfer die Feststellung, Ermittlungen bei den Lieferanten des Beschwerdeführers hätten ergeben, daß er während des gesamten Prüfungszeitraumes erhebliche Teile des Wareneinsatzes in der Buchhaltung nicht erfaßt habe. Die Kassarollen der im Betrieb verwendeten Registrierkassen sowie die Küchenbons seien nicht aufbewahrt worden. Der Buchhalter des Beschwerdeführers habe angegeben, er sei vom Beschwerdeführer angewiesen worden, zur Vermeidung von Kassafehlbeträgen im Bedarfsfall Privateinlagen zu verbuchen und darüber selbst Handbelege anzufertigen. Derartige Eintragungen von fingierten Einlagen seien vor allem in den Prüfungsjahren 1981, 1985 und 1986 erfolgt. In den Jahre 1982, 1983 und 1984 sei es zur Einbuchung von "Darlehen" gekommen, die nach Ansicht des Prüfers fingiert worden seien. In der Buchhaltung fänden sich nicht die Namen der Darlehensgeber. Nach mehrmaliger Aufforderung habe der Beschwerdeführer schließlich angegeben, die Darlehen von seiner Mutter erhalten zu haben. Trotz Aufforderung habe der Beschwerdeführer die Aufzeichnungen über die Warenbestandsaufnahme nicht vorgelegt. Die vorgelegte Belegsammlung enthalte keine Bankauszüge der betrieblichen Bankkredite, für die auf den Sachkonten aufscheinenden Buchungen seien keine Belege vorgelegt worden. Die Buchhaltung sei sohin nicht ordnungsgemäß geführt worden, sodaß Schätzungsbefugnis nach § 184 Abs. 3 BAO gegeben sei. Es habe eine Teilschätzung auf der Grundlage der bei den einzelnen Warengruppen festgestellten Einsatzverkürzungen zu erfolgen. Der aufgezeichnete Wareneinsatz werde im Schätzungswege erhöht. Auf den derart ermittelten Wareneinsatz werde der sich aus den erklärten Betriebsergebnissen errechnete Gruppen-Rohaufschlag zur Anwendung gebracht und damit der erzielte Erlös errechnet. Von den erklärten Rohaufschlägen werde nur dann abgewichen, wenn sie im inneren Betriebsvergleich unglaubwürdig erschienen. Der Prüfer führte sodann eine Kalkulation für die Warengruppe Wein, Bier, Spirituosen, alkoholfreie Getränke, Kaffee und Tee, Küche und Speiseeis durch. Dabei wurde jeweils der Betrag an Wareneinsatz, den der Beschwerdeführer nicht erfaßt hatte, um bis zu 100 % erhöht. Die Kalkulation betraf den Zeitraum 1981 bis 1987, zumal das Cafe A. am an eine GmbH verkauft worden ist. Der Prüfer traf weiters die Feststellung, daß der Sohn des Beschwerdeführers die im Cafe C. erzielten Umsätze und Gewinne erklärt habe, daß diese allerdings dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien, weil das Cafe C. eine weitere Betriebsstätte des Cafe A. sei. Die in den Jahren 1984 bis 1988 im Cafe C. erzielten Umsätze und Gewinne seien ebenfalls zu schätzen und dem Beschwerdeführer zuzurechnen.
Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt - zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren - Bescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken für den Zeitraum 1981 bis 1988. Mit Berufung vom bekämpfte der Beschwerdeführer die Sachbescheide. Er brachte im wesentlichen vor, das Finanzamt habe ihm zu Unrecht die aus dem Cafe C. resultierenden Besteuerungsgrundlagen zugerechnet. Dieses Cafe werde von seinem Sohn betrieben. Der Beschwerdeführer sei mit Ausnahme einer Besprechung im August 1989 niemals zu den Vorhaltungen der Betriebsprüfung einvernommen worden, was als krasser Verfahrensmangel zu werten sei. Die aus den Mängeln der Buchführung für das Cafe A. resultierende Schätzungsbefugnis sei nicht in dem Ausmaß gerechtfertigt, wie sie im Bericht über die Betriebsprüfung Niederschlag gefunden habe. Der Beschwerdeführer behalte sich vor, hiezu weitere Argumente vorzubringen. Es sei auch bemerkenswert, daß der Betriebsprüfer trotz der "festgestellten Einkommen" kein steuerpflichtiges Vermögen habe feststellen können.
Am wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung zugestellt. In dieser wird u.a. ausgeführt, die Schätzungsbefugnis sei aufgrund der festgestellten Buchführungsmängel nicht bestritten. Zur Höhe der Schätzung möge der Beschwerdeführer stichhaltige Einwendungen vorbringen. Zur Frage des steuerpflichtigen Vermögens werde festgestellt, die negativen Einheitswerte des Betriebsvermögens sowie die Schulden aufgrund der Einkommensteuernachforderungen überstiegen jeden zu schätzenden Wert eines sonstigen Vermögens, das aus den zugerechneten Gewinnverkürzungen stammen könnte. Der Vorwurf des Verfahrensmangels sei nicht begründet. Am sei der Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers hinsichtlich des Zeitraumes 1986 bis 1988 über die Feststellung bedeutender Buchführungsmängel, insbesondere umfangreicher Wareneinsatzverkürzungen, unterrichtet worden. Es seien ihm Ablichtungen der vom Prüfer vorgesehen Wareneinsatz- bzw. Erlösschätzungen übergeben worden. Die den erweiterten Prüfungszeitraum betreffenden Feststellungen seien im Zuge der am durchgeführten Schlußbesprechung eingehend besprochen worden. Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer erinnert, eine Äußerung zur Stellungnahme des Betriebsprüfers abzugeben. Es wurde hiezu eine Frist bis gesetzt.
Am wurde eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, wobei die das Jahr 1988 betreffenden Bescheide aufgehoben wurden. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß der Betrieb des Cafe"s C. nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden könne und schied daher die entsprechenden Teile der Bemessungsgrundlagen aus. In der Bescheidbegründung wird weiters ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, nur einmal zu den Vorhaltungen der Betriebsprüfung einvernommen worden zu sein, er habe jedoch nicht dargetan, daß dadurch Wesentliches für die Sachverhaltsermittlung nicht zur Sprache gekommen sei. Durch die Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung sei ihm jedenfalls die Möglichkeit gegeben worden, sich mündlich zum Betriebsprüfungsergebnis zu äußern. Der aufwendige Lebensstil des Beschwerdeführers - dieser ergebe sich aus Aussagen seines Sohnes - lasse die Ansammlung eines wesentlich höheren Privatvermögens, als dies der Prüfer festgestellt habe, als eher unglaubwürdig erscheinen. Der Beschwerdeführer stelle die Schätzungsbefugnis der Behörde nicht in Streit. Aufgrund der im Betriebsprüfungsbericht angestellten Feststellungen (Vernichtung der Registrierkassenrollen und Küchenbons, fehlende Inventuren, nicht verbuchte Wareneinkäufe in großem Umfang, Nichtvorlage der Bankbelege, Verbuchung fingierter Einlagen bzw. Darlehen zur Vermeidung von Kassafehlbeträgen) könne kein Zweifel an der Schätzungsbefugnis bestehen. Der Beschwerdeführer habe angekündigt, seinerseits eine Nachkalkulation einzubringen, aufgrund derer die Besteuerungsgrundlagen festzusetzen seien. Eine solche Nachkalkulation sei jedoch nicht eingelangt. Die belangte Behörde halte die Durchführung der Schätzung durch die Betriebsprüfung dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Annahme des Prüfers, daß neben den festgestellten Wareneinsatzverkürzungen noch weitere, nicht verbuchte Wareneinkäufe vorgelegen seien, sodaß grundsätzlich Zuschläge zum festgestellten Wareneinkauf bzw. Wareneinsatz vorzunehmen seien, halte die belangte Behörde für gerechtfertigt. Sie gehe jedoch unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der in einem umfangreichen Verfahren festgestellten Wareneinsatzverkürzungen davon aus, daß der weitaus überwiegende Teil festgestellt worden sei, weshalb sie die Zuschläge zum festgestellten Wareneinkauf bzw. Wareneinsatz lediglich bis zum Ausmaß von 10 % als gerechtfertigt ansehe. Die Erhöhung des Wareneinsatzes an Speiseeis für die Jahre 1981 bis 1983 und für Spirituosen und alkoholfreie Getränke für 1987 halte die belangte Behörde mangels festgestellter Verkürzungen in diesen Zeiträumen bei diesen Warengruppen nicht für gerechtfertigt. In der Kalkulation des Prüfers seien zum Teil die Rohaufschläge herangezogen worden, die sich bei den einzelnen Warengruppen aus den Erklärungen des Beschwerdeführers ergeben hätten, zum Teil seien aber höhere Rohaufschläge angewendet worden. Die belangte Behörde halte es für gerechtfertigt, stets von den sich aus den Erklärungen des Beschwerdeführers ergebenden (niedrigeren) Rohaufschlägen auszugehen. Der angefochtene Bescheid enthält sodann eine ausführliche Nachkalkulation, in welcher der als verkürzt festgestellte Wareneinsatz um höchstens 10 % erhöht wird und unter Anwendung der sich aus den Erklärungen des Beschwerdeführers ergebenden Rohaufschläge der verkürzte Erlös für die jeweilige Warengruppe im jeweiligen Jahr errechnet wird. Unter Zugrundelegung dieser Kalkulation werden mit dem angefochtenen Bescheid die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken mit jeweils niedrigeren Beträgen festgesetzt als in den Bescheiden des Finanzamtes.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ziel der Schätzung ist es, die Besteuerungsgrundlagen, soweit sie sich nicht anhand der Unterlagen des Abgabepflichtigen, aufgrund seiner Bücher und Aufzeichnungen sowie der Abgabenerklärungen zuverlässig ermitteln oder berechnen lassen, möglichst zutreffend festzustellen, und zwar so, daß das Ergebnis die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat, um auf diese Weise den tatsächlichen abgabenrechtsbedeutsamen Verhältnissen und wirtschaftlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1914).
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde stütze die Schätzung auf die Angaben des - mit ihm verfeindeten - Sohnes sowie eines im Unfrieden aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen Kellners. Wären ihm die Aussagen dieser Personen, aber auch die anderen Ermittlungsergebnisse, zur Kenntnis und Stellungnahme vorgehalten worden, so hätte er diese mit Leichtigkeit und Sicherheit durch Beweismittel widerlegen können. Das Parteiengehör sei von Amts wegen zu gewähren. Im erstinstanzlichen Verfahren sei dem Beschwerdeführer überhaupt keine Möglichkeit gegeben worden, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hätte diese Art der Durchführung des Verfahrens nicht gutheißen dürfen und daher den entsprechenden Teil der Bescheide aufheben und das Verfahren an die Behörde erster Instanz zurückverweisen müssen.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Parteiengehörs darin erblickt, daß ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, ist ihm folgendes entgegenzuhalten: Die Schätzung der belangten Behörde geht von den im Betriebsprüfungsverfahren festgestellten Verkürzungen des verbuchten Wareneinkaufes aus und erhöht aufgrund der Überlegung, daß diese Verkürzungen nicht zur Gänze ermittelt werden konnten, den jeweiligen Verkürzungsbetrag an Wareneinsatz um einen Zuschlag, der allerdings im Vergleich zu dem vom Finanzamt vorgenommenen Zuschlag stark verringert ist. Die Schätzung stützt sich sohin auf die Feststellung, daß ein Teil des Wareneinkaufes nicht erfaßt worden ist. Diese Feststellung findet sich im Betriebsprüfungsbericht vom (Tz 9 und 10 sowie im Rahmen der Nachkalkulation Tz 13). Damit sind die für den angefochtenen Bescheid maßgeblichen Tatsachenfeststellungen dem Beschwerdeführer bekanntgegeben worden. Daß der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einzelheiten der verkürzten Wareneinkäufe Akteneinsicht begehrt habe und ihm diese verweigert worden wäre - derartiges wäre mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht vereinbar - behauptet er nicht.
Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, in welcher Weise die Aussagen seines Sohnes und eines ehemaligen Kellners für die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Schätzung von Bedeutung sein sollten. Aus dem Betriebsprüfungsbericht (Tz 8) ergibt sich, daß das Finanzamt aufgrund dieser Aussagen dem Beschwerdeführer die im Cafe C. erzielten Umsätze und Gewinne zugerechnet hat; gerade diese Zurechnung hat aber der angefochtene Bescheid nicht aufrecht erhalten.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Parteiengehörs daraus ableitet, daß ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren nicht bzw. nicht im ausreichenden Ausmaß gewährt worden sei, übersieht er, daß eine derartige Möglichkeit im Berufungsverfahren bestanden hat. Ein allfälliger Verfahrensmangel, der bestanden hätte, wenn dem Beschwerdeführer im Verfahren vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht die Möglichkeit gegeben worden wäre, sich zu den durchgeführten Beweisen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern, wird durch die Möglichkeit, im Berufungsverfahren entsprechendes Sachverhaltsvorbringen zu erstatten, saniert (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1902). In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer in der ca. zwei Jahre vor Ergehen der Berufungsentscheidung eingebrachten Berufung angekündigt hat, er werde - die Schätzungsbefugnis war unbestritten - eine Nachkalkulation beibringen. Er hat es aber sodann unterlassen, eine Nachkalkulation vorzulegen. Wer zur Schätzung Anlaß gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muß die mit jeder Schätzung verbundene Ungewißheit hinnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/17/0406).
Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO über die Berufung, sofern sie nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. Eine Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz unter Aufhebung der von dieser getroffenen Entscheidung ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. hg. Erkenntnisse vom , 85/13/0190, und vom , 89/14/0302).
Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht auf Festsetzung der Abgaben auf dem Boden gesetzmäßig ermittelter Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.