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VwGH vom 29.09.1993, 92/13/0161

VwGH vom 29.09.1993, 92/13/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , GZ 6/3-3122/91-05, betreffend Umsatzsteuer 1985 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin trat in den Jahren 1985 bis 1988 gegenüber der Abgabenbehörde als gewerbliche Unternehmerin auf und legte für diese Jahre Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen vor.

In einer Niederschrift vom gab Max F., Tischler in Wien, an, er habe nicht mit Johann T. - dem Ehegatten der Beschwerdeführerin -, wohl aber mit der Beschwerdeführerin Geschäftsbeziehungen. Er legte von der Beschwerdeführerin ausgestellte Rechnungen vom über Vermittlungsprovisionen in Höhe von S 175.828,-- und vom über solche in Höhe von S 433.768,-- vor. Beide Rechnungen wiesen außer einem Stempelaufdruck "Hildegard T." auch den handschriftlichen Schriftzug "erhalten T." auf.

Nach einer abgabenbehördlichen Prüfung, bei der Einnahmenverkürzungen festgestellt wurden, verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1985 und 1986 und erließ Sachbescheide über diese Abgaben für die Jahre 1985 bis 1988.

In der hierauf erhobenen Berufung gegen die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1985 bis 1988 wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe lediglich als "Strohmann" für ihren Ehegatten fungiert. Es sei ihr auch nicht bekannt gewesen, daß ihr Mann über die ihr übergebenen Einnahmenbelege hinaus noch weitere Umsätze getätigt hätte. Diese Belege seien ausschließlich von Johann T. unterzeichnet worden.

Bei einer Vernehmung am gab die Beschwerdeführerin nach Vorhalt der Aussage des Max F. an, sie habe keine Geschäftsbeziehungen zu Max F. Die Rechnungen seien nicht von ihr ausgestellt worden; sie trügen auch nicht ihre Unterschrift.

Bei einer Vernehmung am bestätigte Johann T. die Angaben der Beschwerdeführerin. Die Rechnungen an Max F. habe er ausgestellt und unterschrieben.

Nach einem entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde, in dem auf § 11 Abs. 14 UStG 1972 hingewiesen wurde, gab der steuerliche Vertreter in einer Eingabe vom unter anderem an, die Beschwerdeführerin habe keine Rechnungen ausgestellt. Vielmehr habe ihr die Firma St. Gutschriften erteilt. Diesen Gutschriften habe die Beschwerdeführerin widersprochen. Der Gesetzgeber habe keine Frist vorgesehen, innerhalb der Gutschriften zu widersprechen ist. Weiters wurde bekräftigt, daß die an Max F. ausgestellten Rechnungen nicht von der Beschwerdeführerin ausgestellt worden seien. Es wurde ein Unterschriftenblatt mit den Unterschriften beider Ehegatten vorgelegt und die Überprüfung durch einen Graphologen beantragt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuer stattgegeben. Hinsichtlich Umsatzsteuer wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen; die erstinstanzlichen Bescheide wurden insoferne abgeändert, als die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aberkannt wurde. Die belangte Behörde ging dabei vom Vorliegen des behaupteten Treuhandverhältnisses zum Ehegatten der Beschwerdeführerin aus. In den von den Auftraggebern der Beschwerdeführerin (St. GmbH, I. GmbH und Ing. Fritz E. GmbH) ausgestellten Gutschriften sei die Mehrwertsteuer ausgewiesen worden, sodaß die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 schuldete. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe den Gutschriften widersprochen, wurde von der belangten Behörde als unglaubwürdig angesehen. Weiters setzte sich die belangte Behörde hinsichtlich des Faktums der gegenüber Max F. ausgestellten Rechnungen mit den (auch in diversen Aktenstücken enthaltenen) Unterschriften der Ehegatten T. auseinander und gelangte dabei auf Grund der Schreibweise des "T" sowie der Doppelkonsonanten "mm" zu der Auffassung, daß die in Rede stehenden Unterschriften von der Beschwerdeführerin geleistet worden seien.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden - soweit darin über Umsatzsteuer 1985 bis 1988 abgesprochen wurde - dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 schuldet, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, diesen Betrag.

Gemäß § 11 Abs. 7 UStG 1972 gelten Gutschriften, die im Geschäftsverkehr an die Stelle von Rechnungen treten, bei Vorliegen der im Abs. 8 genannten Voraussetzungen als Rechnungen des Unternehmers, der steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen an den Aussteller der Gutschrift ausführt. Gutschrift im Sinne dieser Bestimmung ist jede Urkunde, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistungen abrechnet, die an ihn ausgeführt wird. Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, soweit der Empfänger der Gutschrift dem in ihr enthaltenen Steuerbetrag widerspricht.

Die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 14 UStG 1972 treten dabei auch dann ein, wenn der Steuerausweis nicht in einer Rechnung, sondern in einer Gutschrift im Sinne des § 11 Abs. 7 UStG 1972 erfolgt. Dafür spricht der Aufbau des § 11 UStG 1972, der zunächst den Rechnungsbegriff regelt, der Rechnung sodann die Gutschrift gleichstellt und erst im Anschluß daran (abschließend) die Sonderregelungen für unrichtigen bzw. unzulässigen Steuerausweis enthält (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/15/0026). Die Ausführungen der Beschwerdeführerin bieten keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen. Es trifft zwar zu, daß § 11 Abs. 14 UStG 1972 eine Sanktion für mißbräuchliche Rechnungslegung mit gesondertem Steuerausweis darstellt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1641, 1805/79, Slg. Nr. 5538/F). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Anwendung des § 11 Abs. 14 UStG 1972 auf Rechnungen im Sinne des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle beschränkt ist, da ein vom Gesetz zu verhindernder Mißbrauch unzweifelhaft auch durch das Rechnungssurrogat der Gutschrift eintreten kann.

Im Hinblick auf das Ergebnis der umfangreichen Sachverhaltsermittlungen der Abgabenbehörden, wonach die Beschwerdeführerin gegenüber den Auftraggebern ebenso wie in der Folge gegenüber dem Finanzamt als Unternehmerin aufgetreten ist, kann auch keine Rede davon sein, daß im Beschwerdefall ein bloßes "Nicht-Reagieren" auf den Erhalt einer Gutschrift sanktioniert wird.

Soweit die Beschwerdeführerin eine "verfehlte rechtliche Beurteilung" darin erblickt, daß die "Widersprüche der Beschwerdeführerin gegen die Gutschriften als rechtlich nicht wirksam angesehen werden, weil hiefür keine Ermittlungsergebnisse vorliegen", wird von ihr in Wahrheit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Diese Rüge ist schon deswegen unbegründet, weil von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt wurde, zu welchem anders lautenden Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung eines solchen Verfahrensmangels hätte gelangen können. Die Beschwerdeführerin hat nämlich weder im Berufungsverfahren trotz eines ausdrücklichen Vorhaltes des rechtlichen Inhaltes des von der belangten Behörde beabsichtigten Bescheides noch in der Beschwerde dargelegt, auf Grund welchen bestimmten Widerspruches - für den im durchgeführten Ermittlungsverfahren keinerlei Anhaltspunkt festgestellt wurde - es zu einer Berichtigung des Steuerausweises hätte kommen können.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften wird von der Beschwerdeführerin weiters gerügt, daß die belangte Behörde entgegen dem entsprechenden Beweisantrag ein Gutachten eines graphologischen Sachverständigen nicht eingeholt hat.

Nach § 177 Abs. 1 BAO ist ein öffentlich bestellter Sachverständiger beizuziehen, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid dargelegt, aus welchen Gründen sie keine Zweifel daran hatte, daß der Quittungsvermerk auf den von der Beschwerdeführerin gegenüber Max F. gelegten Rechnungen die Unterschrift der Beschwerdeführerin trägt. Im Zusammenhang mit dem übrigen Ermittlungsergebnis, insbesondere der Aussage der Auskunftsperson Max F., konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Beiziehung eines Sachverständigen nicht erforderlich war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.