VwGH vom 20.04.1989, 88/16/0219
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien VI, Windmühlgasse 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , Zl. Jv 1473-33/88, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (in der Folge: Beschwerdeführerin) hatte gegenüber einem ihrer Beitragsschuldner (in der Folge: Versicherter) einen - den rückständigen Betrag (nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge) von S 42.203,-- enthaltenden - Rückstandsausweis erlassen.
Auf Grund dieses Exekutionstitels hatte das BG. Ebreichsdorf mit Beschluß vom auf Antrag der Beschwerdeführerin (als betreibende Partei) das dem Versicherten (als verpflichtete Partei) von einer Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Drittschuldnerin) in Geld zahlbare Arbeitseinkommen gepfändet und zur Einziehung überwiesen.
Am hatte die Beschwerdeführerin beim Arbeits- und Sozialgericht Wien wegen des genannten Betrages s.A. die Drittschuldner(Einziehungs)klage gegen die angeführte Drittschuldnerin angebracht, weil diese zwar ihrer Erklärungspflicht gemäß § 301 EO nachgekommen sei, aber trotz mehrmaliger Mahnungen gepfändetes (die auf Grund des LPfG unpfändbaren Bezüge übersteigendes) Arbeitseinkommen des Versicherten nicht überwiesen habe.
Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die Beschwerdeführerin (wie sie vermeint) für das mittels dieser Drittschuldnerklage eingeleitete gerichtliche Verfahren im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Z. 2 lit. a BSVG (Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 559/1978) die Pauschalgebühr nach TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs nicht zu entrichten hat oder (im Sinn der Begründung des angefochtenen, im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides) doch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des § 13 Abs. 1 BSVG ist für das ganze Bundesgebiet die Beschwerdeführerin mit dem Sitz in Wien Träger der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz.
Gemäß § 44 Abs. 1 Z. 2 lit. a BSVG sind - soweit für den vorliegenden Fall wesentlich - von der Entrichtung der … Gerichtsgebühren befreit … sonstige Schriften und die im Verfahren vor den Gerichten … durchgeführten Amtshandlungen, wenn sie Rechtsverhältnisse betreffen, die begründet oder abgewickelt werden in Durchführung der in diesem Bundesgesetz geregelten Versicherungen zwischen dem Versicherungsträger einerseits und den Versicherten, den Anspruchswerbern und Anspruchsberechtigten auf Leistungen der Versicherung, den Vertragspartnern des Trägers sowie den Trägern der Sozialhilfe andererseits.
Nach § 44 Abs. 2 BSVG ist in einem Exekutionsverfahren, das vom Versicherungsträger zur Einbringung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge eingeleitet wird, der Verpflichtete von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nicht befreit.
Auf Grund des § 44 Abs. 3 BSVG besteht die Befreiung des Abs. 1 für ... sonstige Schriften nur solange, als diese zur Begründung und Abwicklung der dort bezeichneten Rechtsverhältnisse verwendet werden. Wird davon ein anderer Gebrauch gemacht, so sind die in Betracht kommenden Abgaben nachträglich zu entrichten.
Diese (schon im § 31 B-KVG, BGBl. Nr. 219/1965, enthalten gewesenen) Bestimmungen des § 44 BSVG entsprechenden gleichartigen Bestimmungen des § 110 ASVG (siehe z.B. S. 71 der Regierungsvorlage zum BSVG - 864 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIV. GP.).
Anders als im § 44 Abs. 1 Z. 2 lit. a BSVG werden jedoch im § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG nach den Versicherten deren Dienstgeber aufgezählt. Der dem § 44 Abs. 2 BSVG entsprechende 110 Abs. 2 ASVG wurde - durch Art. I Z. 2 lit. b der 11. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 184/1963 - nicht etwa zur Einbeziehung des ohnedies schon durch die Worte "Verfahren vor den Gerichten" erfaßt gewesenen Exekutionsverfahrens geschaffen, sondern lediglich um zu verhindern, daß Personen, die ihren Verpflichtungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger nicht pünktlich nachkommen, in dem gerichtlichen Verfahren, das der Versicherungsträger zur Durchsetzung seiner Ansprüche einleiten muß, durch eine Befreiung von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren begünstigt werden (siehe z.B. die Erläuternden Bemerkungen zu Art. I Z. 2 und 3 der Regierungsvorlage zur 11. Novelle zum ASVG - 161 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates X. GP. - und den Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über diese Regierungsvorlage zu deren Art. I Z. 2 - 204 der zuletzt zitierten Beilagen).
Die Gebührenpflicht nach dem GGG knüpft bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (siehe z.B. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dessen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0117, mit weiterem Hinweis
In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinen - ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten - Erkenntnissen vom , Zl. 804/62, Slg. Nr. 2816/F, und vom , Zl. 724/64, zu § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG dargetan, daß zwar die prozessuale oder exekutive Verfolgung von Ansprüchen auf Sozialversicherungsbeiträge durch Träger der Sozialversicherung zweifellos zu den in dieser Gesetzesstelle erwähnten Belangen gehört, aber auch die Rechtsverhältnisse, auf die sich die Schriften- oder Amtshandlungen beziehen, zwischen dem in dieser lit. a umschriebenen Personenkreis begründet oder abgewickelt werden müssen.
Das Vorliegen der zuletzt erwähnten Voraussetzung hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom im Falle einer gegen einen Sozialversicherungsträger, der wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge Exekution geführt hatte, gerichtet gewesenen Klage eines Dritten nach § 37 EO verneint.
In dem angeführten Erkenntnis vom , das den Fall eines Sozialversicherungsträgers betroffen hat, in dem zwei Personen als Bürge und Zahler einem rückständige Sozialversicherungsbeiträge betreffenden Schuldverhältnis beigetreten waren und gegen die der Sozialversicherungsträger einen Zahlungsbefehl erwirkt hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof dargetan, daß diese Personen als Bürgen zwar auch in einem Vertragsverhältnis zum damals beschwerdeführenden Sozialversicherungsträger standen, aber nicht "Vertragspartner der Versicherung" im Sinn des § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG waren.
Abgesehen davon, daß der betreibende Gläubiger zur Überweisung zur Einziehung berechtigt wird, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht (siehe z.B. die von Angst-Jakusch-Pimmer, Die Exekutionsordnung12, Wien 1989, unter E. 1 zu § 308 EO zitierte Entscheidung des OGH) und der oben zitierte § 44 Abs. 3 BSVG zusätzlich gegen eine ausdehnende Auslegung der in Rede stehenden Abgabenfreiheit spricht, wird der Drittschuldner auch im § 44 Abs. 1 Z. 2 lit. a BSVG nicht als "Vertragspartner der Versicherung" genannt.
Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am