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VwGH vom 27.04.1995, 95/11/0018

VwGH vom 27.04.1995, 95/11/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-220715/10/Kon/Fb, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: KR. H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, insgesamt 29 Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes begangen zu haben. Über ihn wurden 29 Geldstrafen in der Höhe von 26 x S 1.000,-- und 3 x S 500,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung in Ansehung der Schuldsprüche keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit einer geringfügigen Änderung des Spruches bestätigt (Spruchpunkt I); in Ansehung der Strafaussprüche und Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen wurde der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis "ersatzlos behoben" (Spruchpunkt II); schließlich wurde (mit Spruchpunkt III) ausgesprochen, daß "ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt".

In seiner auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der beschwerdeführende Bundesminister Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften eingebracht und darin die Abweisung der Beschwerde beantragt (der Mitbeteiligte unter Einschluß des Zuspruches von Aufwandersatz).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Ausführungen des Mitbeteiligten ist zunächst festzuhalten, daß die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, zulässig und mängelfrei ist. In einem Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG - um einen solchen handelt es sich bei einer sogenannten Amtsbeschwerde nach § 13 ArbIG - beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG die sechswöchige Beschwerdefrist dann zu laufen, wenn der Bescheid auf Grund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, mit dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat. Der beschwerdeführende Bundesminister hat, was das im § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG normierte Formerfordernis anlangt, ausgeführt, daß ihm der angefochtene Bescheid durch einen Bericht des zuständigen Arbeitsinspektorates zur Kenntnis gebracht wurde; dieser Bericht langte, was durch eine Beilage zur Beschwerde dokumentiert wird, beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales am ein, sodaß die am beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerde jedenfalls rechtzeitig erhoben ist.

Im Fall einer sogenannten Amtsbeschwerde geht es ferner nicht um die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechte. Das Formerfordernis der Angabe der Beschwerdepunkte nach § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG kommt bei solchen Beschwerden daher nicht zum Tragen (vgl. auch § 28 Abs. 2 VwGG).

Zu der zuletzt angeführten Gesetzesbestimmung ist freilich auszuführen, daß die in solchen Fällen erforderliche Erklärung über den Umfang der Anfechtung überschießend formuliert wurde. Nach dem Wortlaut der Beschwerdeerklärung ("gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom ...") und des Beschwerdeantrages ("den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben") scheint nämlich der angefochtene Bescheid zur Gänze, also in allen seinen drei Spruchpunkten, angefochten zu sein. Im Lichte der Beschwerdegründe (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG), in denen sich der beschwerdeführende Bundesminister ausschließlich mit dem Spruchpunkt II auseinandersetzt, ist aber davon auszugehen, daß von der Beschwerde nur der zuletzt genannte Abspruch des angefochtenen Bescheides erfaßt ist.

Zutreffend rügt der beschwerdeführende Bundesminister, die belangte Behörde hätte auf die dem erstinstanzlichen Straferkenntnis anhaftende Rechtswidrigkeit, die in der undifferenzierten Festsetzung einer einheitlichen Ersatzfreiheitsstrafe für die beiden selbständig verhängten Geldstrafen besteht, mit einer entsprechenden Abänderung des Spruches des Straferkenntnisses reagieren müssen. Die ersatzlose Behebung des gesamten Strafausspruches verstößt gegen § 51 VStG und § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG.

Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte berufen sich zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes zu Unrecht auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Keiner der von ihnen angeführten Entscheidungen ist etwas zur objektiven Rechtfertigung der Vorgangsweise der belangten Behörde zu entnehmen: Im Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0042, hat die belangte Behörde für sieben Übertretungen zwei Geldstrafen und zwei Ersatzfreiheitsstrafen verhängt; der Verwaltungsgerichtshof hob die Strafaussprüche auf, weil sieben Geldstrafen und sieben Ersatzfreiheitsstrafen zu verhängen gewesen wären. Im Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0307, hat die belangte Behörde für sieben Übertretungen zwar sieben Geldstrafen, aber nur eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt; der Verwaltungsgerichtshof hob wegen der Verhängung der einheitlichen Ersatzfreiheitsstrafe den gesamten Strafausspruch auf. Im Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0134, wurde die Verhängung von drei Geldstrafen und einer Ersatzfreiheitsstrafe für sechs Übertretungen aufgehoben. Im Erkenntnis vom , Zl. 93/09/0173, wurde die Verhängung nur einer Ersatzfreiheitsstrafe für neun Übertretungen aufgehoben. Im Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0049, wurde in einem Fall, in dem die Erstbehörde für zwei Übertretungen nur je eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und die Berufungsbehörde den Schuldspruch in Ansehung einer der beiden Übertretungen aufgehoben hatte, der im Zusammenhang damit erfolgte (niedrigere) Strafausspruch aufgehoben, weil nicht festgestellt werden konnte, ob die Berufungsbehörde das Verbot der reformatio in peius verletzt hat (es konnte nicht festgestellt werden, zu welchem Teil die rechtswidrigerweise verhängte einheitliche Strafe auf den von der Berufungsbehörde bestätigten Schuldspruch entfallen ist und eine "Hälfteaufteilung" kam nicht in Betracht). Was schließlich das Erkenntnis vom , Zl. 87/02/0202 (in Form eines Rechtssatzes abgedruckt in Slg. Nr. 12.613/A) anlangt, wird darin zum Ausdruck gebracht, daß die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe in einem späteren Bescheid dann nicht mehr erfolgen kann, wenn dies zunächst unterblieben ist.

Es handelt sich somit um jeweils andere Sachverhalte. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß das zitierte Erkenntnis Zl. 94/09/0049 nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist, geht es doch hier um die Bestätigung aller Schuldsprüche, sodaß aus dem Verbot der reformatio in peius nach § 51 Abs. 6 VStG hier nur abzuleiten ist, daß die Summe der von der belangten Behörde einzeln zu bemessenden Ersatzfreiheitsstrafen zehn Tage nicht übersteigen darf.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidungsbefugnis als Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren verkannt und ist fälschlicherweise davon ausgegangen, daß ihre Aufgabe der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof angenähert ist.

Der angefochtene Bescheid war in Ansehung seines Spruchpunktes II gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.