VwGH vom 27.04.1995, 95/11/0012
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-220750/6/Kon/Fb, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom ) wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß am Samstag, dem , 26 namentlich angeführte Arbeitnehmer der Gesellschaft noch nach 13.00 Uhr zu Inventurarbeiten herangezogen worden waren. Dadurch habe er 26 Übertretungen nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes begangen; über ihn wurden 26 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, durch die Novelle zur Arbeitsruhegesetz-Verordnung BGBl. Nr. 359/1993 sei mit Wirkung vom die Durchführung von Inventurarbeiten an Samstagen bis 20.00 Uhr erlaubt worden. Die belangte Behörde hätte dem nach § 1 Abs. 2 VStG Rechnung tragen müssen, da das erstinstanzliche Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom erst nach dem Inkraftreten der Novelle ergangen sei.
Er ist damit im Recht. Die in Rede stehende Änderung der Arbeitsruhegesetz-Verordnung hat zur Folge, daß das Beschäftigen von Arbeitnehmern von Inventurarbeiten an Samstagen zwischen 13.00 Uhr und 20.00 Uhr nicht mehr strafbar ist. Das Unwerturteil des Normsetzers ist damit weggefallen; es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Fall eines sog. "Zeitgesetzes" vorliegt. Das hätte dazu führen müssen, daß eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Inventurarbeiten nach 13.00 Uhr hätte unterbleiben müssen. Dies wäre auch von der belangten Behörde als Berufungsbehörde wahrzunehmen gewesen.
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, § 1 Abs. 2 VStG betreffe nur den Strafsatz, nicht aber die Strafbarkeit an sich, so übersieht sie, daß der Wegfall der Strafbarkeit in der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als Anwendungsfall des § 1 Abs. 2 VStG gewertet wurde und zur Straffreiheit des Beschuldigten zu führen hat (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. 3562/1959 sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4275/A, und vom , Slg. Nr. 10.202/A). Es würde auch sachlich nicht vertretbar erscheinen, zwar ein geringeres Unwerturteil des Normgebers, das zur Verhängung einer niedrigeren Strafe zu führen hat, zu berücksichtigen, nicht aber den gänzlichen Wegfall des Unwerturteils, der auf der Meinung des Normgebers beruht, eine strafwürdige Tat liege gar nicht vor.
Wenn die belangte Behörde weiters ins Treffen führt, 25 der 26 in Rede stehenden Arbeitnehmer hätten auch noch nach 20.00 Uhr des Tattages gearbeitet, sodaß der Schuldspruch der Sache nach zu Recht bestünde, hätte dies zwar nicht die völlige Straffreiheit des Beschwerdeführers in Ansehung dieser 25 Übertretungen zur Folge haben müssen. Es hätte aber jedenfalls einer Änderung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG bedurft und allenfalls eine andere Beurteilung der Strafbemessung nach sich ziehen müssen, beträgt die Dauer der verbotenen Beschäftigung nach 20.00 Uhr doch nur mehr einen Bruchteil dessen, was dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid (in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis) zur Last gelegt wurde. Hinsichtlich des Arbeitnehmers, der nach den Feststellungen der Verwaltungsstrafbehörden lediglich bis 18.46 Uhr gearbeitet hat, hätte die Bestrafung aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt werden müssen.
Im Hinblick auf das übrige Beschwerdevorbringen sei angemerkt, daß - wie durch die in Rede stehende Verordnungsnovelle klargestellt ist - Inventurarbeiten nicht als Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes anzusehen sind (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12.496/A).
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers liegt ferner ein "Zuwiderhandeln" des Arbeitgebers und dessen Bevollmächtigten im Sinne des § 27 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes immer dann vor, wenn die genannten Personen (bzw. deren Organe oder verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG) Verstöße gegen das Gesetz zu verantworten haben. Ein aktives Tun ist zur Strafbarkeit nicht erforderlich und wurde dem Beschwerdeführer auch nicht zur Last gelegt.
Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.