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VwGH vom 15.11.1990, 88/16/0167

VwGH vom 15.11.1990, 88/16/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Iro sowie die Hofräte Dr Närr und Dr Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag Boigner, über die Beschwerde des N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 73/4-9/Wb-1988, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer schloß am ein als "Vorvertrag" bezeichnetes Übereinkommen (im folgenden nur als Übereinkommen bezeichnet) über den Erwerb einer im Inland gelegenen Liegenschaft ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof relevanten Bestimmungen dieses Übereinkommens lauten:


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1.
Die verkaufende Partei verkauft und übergibt an die kaufende Partei, und diese kauft und übernimmt von Ersterer EZ 51 KG D, Haus D Nr 2 mit ca 1.000 m2 Garten, wie besichtigt, ohne Inventar jedoch mit Radlblock, Ziegel, Gartentöpfe (2), Schubladekasten und Gartengeräte mit allen Rechten und Vorteilen, mit denen die verkaufende Partei das Kaufobjekt bisher besessen und benützt hat oder zu besitzen und benützen berechtigt war, um den vereinbarten Kaufpreis von S 420.000,-- Gesamtkaufpreis.
2.
Die kaufende Partei tritt am Tage der Rechtskraft des Hauptvertrages in den tatsächlichen Besitz und Genuß des Kaufobjektes und trägt von diesem Tage angefangen die davon zu entrichtenden Steuern und Abgaben sowie Gefahr und Zufall.
3.
Sämtliche Kosten und Gebühren, welche mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbunden sind, gehen zu Lasten des Käufers. Eine etwaige Lastenfreistellung hat der Verkäufer zu bezahlen.
4.
Die Vertragsparteien verpflichten sich, die durch die erfolgte Vermittlung fällig gewordene Vermittlungsgebühr von je 4 Prozent + 18 Prozent Mwst S 16.800 + S 3.024 =
S 19.824 je Vertragspartner an den Vermittler sofort zu bezahlen und sind damit einverstanden, daß diese Provisionen vom Angeldbetrag in Abzug gebracht werden.
7.
Der zur grundbücherlichen Übertragung des Eigentumrechtes geeignete Vertrag hat von den Parteien bis längstens errichtet und unterfertigt zu werden.
10.
Die kaufende Partei erlegt ein Angeld von S 39.648,-- bis an Karl H (Vermittler), ....
12.
Die Berichtigung des Kaufschillings erfolgt wie nachstehend: durch Barzahlung des Restkaufpreises
von S 400.176
bei Rechtskraft des Hauptvertrages, bei Eintragung ins Grundbuch. Das Haus wird frei von allen Lasten übertragen. Das Haus ist besenrein zu übergeben.

Das Übereinkommen wurde dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (im folgenden nur als Finanzamt bezeichnet) am angezeigt. Eine Grunderwerbsteuerbefreiung wurde nicht beantragt.

Auf Anfrage des Finanzamtes vom gab die im Punkt 1. des Übereinkommens als verkaufende Partei bezeichnete Person bekannt, sie habe mit dem Beschwerdeführer keinen Kaufvertrag abgeschlossen.

Auf Vorhalt des Finanzamtes vom erklärte der Beschwerdeführer, das Übereinkommen sei am "um

19.824 S" storniert worden. Die Liegenschaft sei an ein junges "Ehepaar" (im folgenden als junges Paar bezeichnet) verkauft worden. Wenn das Finanzamt noch Fragen haben sollte, dann möge es sich an den Vermittler der Liegenschaft unter der angegebenen Adresse wenden.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer Grunderwerbsteuer von 33.600 S fest, wobei es unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1955 ausführte, durch die im Übereinkommen erfolgte Einigung über Kaufgegenstand und Preis sei Grunderwerbsteuerpflicht entstanden.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer - soweit für die Beschwerde von Relevanz - ein, das Übereinkommen könne weder als Kaufvertrag noch als ein anderes Rechtsgeschäft über die in Rede stehende Liegenschaft angesehen werden, das den Anspruch auf Übereignung begründet hätte. Es stelle vielmehr einen Vorvertrag im Sinn des § 936 ABGB dar, weswegen kein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht worden sei. Auf der Rückseite des beim Finanzamt angezeigten Übereinkommens sei für den Fall seines Rücktrittes vereinbart worden, daß das junge Paar in dieses Übereinkommen eintrete. Er habe am von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. Dieser Rücktritt sei dem Vermittler bekannt gegeben worden, worauf er von diesem 19.824 S rückerstattet erhalten habe. Es seien daher keine weiteren Schritte zur Realisierung des Kaufvertrages unternommen worden. Vielmehr sei die Liegenschaft an das junge Paar verkauft worden. Das Finanzamt habe erst vier Jahre nach erfolgter Anzeige Grunderwerbsteuer vorgeschrieben und somit gegen die gesetzlich vorgesehene Entscheidungspflicht nach § 311 verstoßen. Da er auf Grund des Verhaltens des Finanzamtes zunächst annehmen habe können, durch das Übereinkommen sei kein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht worden, habe er keinen Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gestellt. Durch die verspätete Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides sei ihm die Möglichkeit genommen worden, innerhalb der im § 20 GrEStG 1955 normierten Frist einen derartigen Antrag zu stellen.

Auf Aufforderung des Finanzamtes legte der Beschwerdeführer eine Kopie des Übereinkommens vor, auf dessen Rückseite im Gegensatz zu der dem Finanzamt angezeigten Ausfertigung folgende, vom Vermittler und vom jungen Paar am unterfertigte Vereinbarung (im folgenden nur als Vereinbarung bezeichnet) festgehalten ist:

Für den Fall, daß Herr Z (Beschwerdeführer) vom umseitigen

Vorvertrag zurücktritt, treten Frau M und Herr K

(junges Paar) .... voll in diesen Vorvertrag ein.

Zu diesem Zweck werden gleichzeitig S 45.000 als Anzahlung

erlegt und der Erhalt vom Vermittler bestätigt.

In Abänderung umseitigen Vorvertrages wird der Hauptvertrag am

.... errichtet bzw unterfertigt und von den

Käufern gleichzeitig bei Unterfertigung ein weiterer Teilkaufpreis von S 50.000 an die Verkäuferin bezahlt. Mit Unterfertigung erfolgt auch die Schlüsselübergabe.

Sollte Herr Z vom umseitigen Vorvertrag nicht zurücktreten, so ist der angezahlte Betrag von S 45.000 von Herrn H (Vermittler) bis spätestens Donnerstag den ohne jeden Abzug und ohne jedwede Spesen zurückzuerstatten.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer im wesentlichen unter Hinweis auf die zu § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1955 ergangene hg Rechtsprechung vor, das Übereinkommen sei nicht als Vorvertrag sondern als Punktation anzusehen. Daran vermöge die Bezeichnung desselben als Vorvertrag nichts zu ändern, weil in diesem der Anspruch auf Übereignung einer dem Preis und der Lage nach bestimmten Liegenschaft begründet worden sei.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm der Beschwerdeführer zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens unter Hinweis auf die zur Frage der Abgrenzung zwischen Vorvertrag und Punktation ergangene hg Rechtsprechung ab. Zur Begründung führte sie - soweit für die Beschwerde von Relevanz - aus, bei dem Übereinkommen handle es sich um eine Punktation und nicht um einen Vorvertrag, weil in diesem alle Hauptpunkte eines Kaufvertrages (Verkäufer, Käufer, Kaufobjekt sowie Kaufpreis und dessen Berichtigung) enthalten seien. Der Beschwerdeführer habe auch ein Angeld erlegt. Die zwischen dem jungen Paar und dem Vermittler abgeschlossene Vereinbarung sei dem Finanzamt entgegen den Ausführungen in der Berufung nicht bereits anläßlich der Anzeige des Übereinkommens bekannt gegeben worden.

In der Beschwerde wird sowohl Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Der Beschwerdeführer behauptet, daß

I. der Vermittler in seiner Eigenschaft als Vertragserrichter nicht zur Frage, was die tatsächliche Absicht der vertragschließenden Parteien anläßlich des Abschlusses des Übereinkommens gewesen sei, einvernommen worden sei,

II. das Übereinkommen als Vorvertrag und nicht als Punktation anzusehen sei, weswegen kein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1955 verwirklicht worden sei, und III. das Finanzamt die in § 311 BAO normierte Entscheidungspflicht verletzt habe, wodurch ihm die Möglichkeit genommen worden sei, innerhalb offener Frist einen Antrag nach § 20 GrEStG 1955 zu stellen.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die

kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Die Ansicht des Beschwerdeführers, ein Zeuge, dessen Vernehmung in einem Abgabenverfahren beantragt werde, müßte vernommen werden, entspricht nicht der Rechtslage. Ein Zeuge braucht insbesondere dann nicht vernommen werden, wenn er nach der Aktenlage zu den entscheidungswesentlichen Fragen keine Aussage machen kann oder wenn bereits auf Grund des Beweisthemas ersichtlich ist, daß die Aussage entbehrlich erscheint (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom , Zlen 83/14/0203, 0209, 0210). Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in seiner Vorhaltsbeantwortung kein Beweisthema angegeben hat, die Abgabenbehörde aber zur Einholung von Erkundungsbeweisen nicht verpflichtet ist, war aus Punkt 1. des Übereinkommens erkennbar, daß der Beschwerdeführer beabsichtigt hatte, eine bestimmte Liegenschaft um einen bestimmten Betrag zu kaufen. Bei dieser Sachlage erübrigte es sich, den Vermittler in seiner Eigenschaft als Vertragserrichter zur Frage einzuvernehmen, ob die tatsächliche Absicht des Beschwerdeführers bzw der verkaufenden Partei anläßlich des Abschlusses des Übereinkommens eine andere gewesen wäre.

Die Einvernahme des Vermittlers war daher zur Erforschung der materiellen Wahrheit nicht erforderlich. Von einer wesentlichen Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinn des § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG kann daher keine Rede sein. II. Gemäß § 1 Abs 1 GrEStG 1955 unterliegen der Grunderwerbsteuer bestimmte Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Darunter fällt laut Ziffer 1 der zitierten Gesetzesstelle ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.

Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist somit schon das Verpflichtungs- und nicht erst das Erfüllungsgeschäft (Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1955, Tz 115 zu § 1, und die dort zitierte hg Rechtsprechung). Ob ein Übereinkommen über den Erwerb einer Liegenschaft als Vorvertrag (§ 936 ABGB) oder als Punktation (§ 885 ABGB) zu einem Kaufvertrag anzusehen ist, hängt davon ab, ob das Übereinkommen bereits auf die Begründung des Übereignungsanspruches gerichtet ist und der Erwerber den Anspruch auf Eintragung eines Eigentumsrechtes im Grundbuch ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung, letzten Endes im Klageweg, also unmittelbar, durchsetzen kann (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 87/16/0167, und die darin zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde konnte aus dem Übereinkommen ungeachtet der Bezeichnung desselben als "Vorvertrag" auf Grund der Ausführungen im Punkt 1. (Bestimmung des Gegenstandes des Übereinkommens und des Preises), 2. (Übergabe der Liegenschaft zur Nutzung), 7. (Terminisierter Abschluß einer grundbuchsfähigen Urkunde), 10. (Erlag eines Angeldes) und 12. (Vereinbarung der Zahlungsmodalitäten), unbedenklich den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Übereignung einer dem Preis nach bestimmten Liegenschaft erworben hatte, wodurch ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht wurde (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 85/16/0008, Slg Nr 6151/F). Die Entstehung des Übereignungsanspruches war im vorliegenden Fall entgegen jenem Sachverhalt, der dem bereits zitierten hg Erkenntnis vom zugrunde lag, nicht ausdrücklich AUSGESCHLOSSEN, sodaß das Übereinkommen als Punktation zu einem Kaufvertrag anzusehen ist.

Aus dem Umstand, daß das Finanzamt erst rund vier Jahre nach der Anzeige des Übereinkommens Grunderwerbsteuer vorgeschrieben hat, können keine Schlüsse auf die bis dahin nicht nach außen getretene Ansicht des Finanzamtes gezogen werden.

III. In einer nach Art 131 B-VG erhobenen Beschwerde kann die Verletzung der Entscheidungspflicht nicht gerügt werden. Eine solche Rüge kann nur in einem nach Art 132 B-VG abzuführenden Beschwerdeverfahren erhoben werden.

Dem Beschwerdeführer ist durch das Nichttätigwerden des Finanzamtes auch kein Schaden zugefügt worden. Denn es wäre ihm freigestanden, die seiner Auffassung nach einen Rücktritt darstellende Vereinbarung dem Finanzamt ebenso wie das Übereinkommen anzuzeigen. Ein Antrag nach § 20 GrEStG 1955 kann nämlich nicht nur dann gestellt werden, wenn bereits Grunderwerbsteuer festgesetzt ist, sondern ab jenem Zeitpunkt, in dem ein Tatbestand des § 20 Abs 1 Z 1 bis 3 leg cit verwirklicht wurde. Die Unterlassung eines derartigen Antrages war somit keineswegs durch das Nichttätigwerden des Finanzamtes bedingt.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG durch einen nach § 12 Abs 1 Z 2 leg cit gebildeten Senat abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl Nr 206, insbesondere deren Art III.