VwGH vom 22.12.1997, 95/10/0270

VwGH vom 22.12.1997, 95/10/0270

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde 1. des Franz J,

2. des Rudolf M jun., 3. der Ingeborg F, 4. der Herta D, 5. der Gertrud P, alle in Staudach, vertreten durch Dr. Gerhard Brandl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 18, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. Ro-309/10/1995, betreffend Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung eines Bescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf den Grundstücken Nr. 599/37 und 599/21 KG K. wird seit dem Jahr 1950 - zunächst auf Grund von gewerbebehördlichen Bewilligungen aus den Jahren 1950 und 1953 - ein Steinbruch betrieben. Auf Grund einer im Jahr 1991 durchgeführten Untersuchung des Rohstoffvorkommens (zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen geeigneter Dolomit) wurde bei der Berghauptmannschaft die Gewinnungsbewilligung für das Abbaufeld "F I" gemäß § 238 Abs. 1 BergG vorgemerkt. Mit Bescheid der Berghauptmannschaft vom wurde angeordnet, daß die Gewinnungstätigkeit nur nach von der Berghauptmannschaft genehmigten jährlichen Hauptbetriebsplänen erfolgen dürfe. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom wurden Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft und der Umwelt gemäß §§ 134, 198 Abs. 1 Z. 1 und 4 sowie 203 Abs. 2 BergG angeordnet.

Nachdem der Betreiber des Steinbruches darauf hingewiesen worden war, daß der Betrieb bestehender Steinbrüche im Hinblick auf die Übergangsregelung des § 69 Abs. 10 des Kärntner Naturschutzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 54, ab dem einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürfe, beantragte er am die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für den Betrieb eines Steinbruches auf den Grundstücken 599/37 und 599/121 KG K.

Mit Bescheid vom erteilte die BH gemäß den §§ 4 lit. b, 9 Abs. 1 und 58 NSchG die beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Steinbruches unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Der Bescheid erging nach Ausweis der Verwaltungsakten unter anderem gegenüber dem Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin sowie gegenüber dem Arno P., dem damaligen Eigentümer des nunmehr der Fünftbeschwerdeführerin gehörenden Grundstückes S. Nr. 43. Der Bescheid wurde den Genannten nach Ausweis der Rückscheine am bzw. zugestellt.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung mehrerer, am vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht beteiligter Anrainer gab die belangte Behörde nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom nicht Folge. Mit demselben Bescheid wies die belangte Behörde Anträge anderer am vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht beteiligter Personen auf Zuerkennung der Parteistellung ab.

Am beantragten die Beschwerdeführer (neben weiteren Personen) die Zuerkennung der Parteistellung in dem mit Bescheid der BH vom bzw. Bescheid der belangten Behörde vom abgeschlossenen naturschutzbehördlichen Verfahren und die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides. Sie brachten vor, ihre Grundstücke lägen im Einflußbereich des Steinbruches; durch dessen Betrieb könnten somit ihre subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt werden.

Mit Bescheid vom wies die BH den Antrag der Beschwerdeführer ab. Begründend wurde nach Hinweisen auf die Rechtslage dargelegt, der Steinbruch werde von dem westlich der Straße gelegenen Siedlungsgebiet durch einen dichten Vegetationsstreifen optisch zumindest teilweise abgedeckt. Der Steinbruch liege daher nicht im Sinne des § 9 Abs. 5 NSchG in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich; ein unmittelbarer Einflußbereich im Sinne des § 53 Abs. 1 NSchG sei nicht zu sehen.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Sie machten (unter Hinweis auf im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren erstattete Stellungnahmen von Amtssachverständigen) insbesondere geltend, es sei unzumutbare Nähe ihrer Grundstücke zum Steinbruch gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge. Begründend wurde nach Hinweisen auf den Verfahrensgang und die Rechtslage im wesentlichen dargelegt, schon im naturschutzbehördlichen Berufungsverfahren, das mit dem oben erwähnten Bescheid vom abgeschlossen worden sei, seien eingehende Ermittlungen hinsichtlich der Auswirkungen des Steinbruches auf die Luftqualität (Staub), auf die Lärmsituation und die zu erwartenden Erschütterungen durchgeführt worden. Im vorliegenden Verfahren seien ergänzende, auf die Lage der Grundstücke der Beschwerdeführer bezogene Ermittlungen vorgenommen worden. Nach eingehender Darlegung der dabei gewonnenen Ermittlungsergebnisse über die auf die Grundstücke der Beschwerdeführer einwirkenden Immissionen (Staub, Lärm, Erschütterung) vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß sich der Steinbruch nicht in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich befinde. Mit Bescheid der Bergbehörde seien dem Betreiber des Steinbruches zahlreiche (im einzelnen angeführte) vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft und der Umwelt vorgeschrieben worden, darunter jene, die die im naturschutzbehördlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen zum Schutz vor Staub, Lärm und Sprengerschütterungen vorgeschlagen hätten. Da der Begriff der "unzumutbaren Nähe zum Siedlungsbereich" im vorliegenden Fall nicht verwirklicht sei, käme den Beschwerdeführern die Parteistellung im Verfahren zur naturschutzrechtlichen Bewilligung des Steinbruches nicht zu. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß den Beschwerdeführern bei der Erörterung, ob eine unzumutbare Nähe der Steinbruchanlage gegeben sei, volle Parteistellung zugekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Die Beschwerdeführer erachten sich - aus dem Inhalt der Beschwerdegründe erkennbar - im Recht auf Zuerkennung der Parteistellung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 idF LGBl. Nr. 87/1995 (NSchG), bedarf im gesamten Landesgebiet u.a. die Anlage von Steinbrüchen einer Bewilligung.

Nach der Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 10 NSchG bedürfen bestehende Anlagen im Sinne des § 4 lit. b, die nicht auf Grund des Landschaftsschutzgesetzes 1981 bewilligt wurden, einer Bewilligung nach diesem Gesetz.

Nach § 9 Abs. 1 darf eine Bewilligung (u.a.) im Sinne des § 4 nicht erteilt werden, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme a) das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt würde,

b) das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt würde oder c) der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde.

Nach § 9 Abs. 5 NSchG ist eine Bewilligung (u.a.) im Sinne des § 4 lit. b zu versagen, wenn die Anlage in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich errichtet werden soll.

Nach § 53 Abs. 1 NSchG kommt (u.a.) in Verfahren nach § 4 lit. b Anrainern die Stellung von Parteien im Sinne des § 8 AVG zu. Für Anrainer werden in den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 subjektive öffentliche Rechte begründet. Anrainer sind die Eigentümer der im unmittelbaren Einflußbereich eines Vorhabens liegenden Grundstücke.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, daß den Beschwerdeführern im naturschutzbehördlichen Verfahren über die Bewilligung der Anlage des (bestehenden) Steinbruches keine Parteistellung zukäme; ihr Antrag auf Zustellung des Bewilligungsbescheides wurde abgewiesen. Dagegen macht die Beschwerde sinngemäß geltend, den Beschwerdeführern wäre im Hinblick auf § 53 Abs. 1 letzter Satz NSchG Parteistellung im naturschutzbehördlichen Verfahren zugekommen, weil ihre Grundstücke im "unmittelbaren Einflußbereich" des Vorhabens lägen. Im vorliegenden Verfahrensstadium käme es nicht darauf an, ob "unzumutbare Nähe zum Siedlungsbereich" im Sinne des § 9 Abs. 5 NSchG vorliege. Es genüge die Möglichkeit einer Verletzung in dem durch die zuletzt zitierte Vorschrift begründeten oder einem anderen subjektiv-öffentlichen Recht.

Damit nehmen die Beschwerdeführer der Sache nach für sich in Anspruch, im naturschutzbehördlichen Verfahren übergangene Parteien zu sein. Diese Auffassung beruht in Ansehung des Erstbeschwerdeführers sowie der Dritt- und Fünftbeschwerdeführerin auf aktenwidriger Grundlage, weil - was die belangte Behörde trotz entsprechender Hinweise in der Stellungnahme des Jakob F. vom nicht beachtete - der das naturschutzbehördliche Bewilligungsverfahren erster Instanz abschließende Bescheid vom (auch) gegenüber den genannten Beschwerdeführern erlassen und ihnen gegenüber mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen war. Diese Beschwerdeführer können somit nicht für sich in Anspruch nehmen, im Verfahren übergangen worden zu sein; ihrem Antrag wäre schon aus diesem Grund ein Erfolg zu versagen gewesen.

Die Verneinung der Parteistellung und die Ablehnung der Zustellung des Bewilligungsbescheides entspricht jedoch auch aus einem weiteren, auch auf die Zweit- und Viertbeschwerdeführerin zutreffenden Grund im Ergebnis dem Gesetz.

Die Verneinung der Parteistellung erfolgte im Ergebnis zu Recht, weil den Beschwerdeführern im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren subjektiv-öffentliche Rechte - und damit die Parteistellung - nicht zukamen.

Es ist unstrittig, daß im verfahrensgegenständlichen Steinbruch dem BergG unterliegende Mineralien abgebaut werden; eine Gewinnungsbewilligung nach § 238 Abs. 1 BergG liegt vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach die Auffassung vertreten, daß Maßnahmen, die der Bundeskompetenz "Bergwesen" unterliegen, unter Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes einer landesrechtlichen Regelung unterworfen werden können (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 92/10/0437, vom , Zl. 91/10/0227, und vom , Zl. 92/10/0398). Von dieser Auffassung ausgehend liegt somit unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzverteilung im Bundesstaat kein Grund zu Bedenken gegen die Regelung des § 4 lit. b iVm § 9 Abs. 1 NSchG vor, die eine Grundlage dafür bietet, die Bewilligung für die Anlage eines dem BergG unterliegenden Steinbruches nach Abwägung der in § 9 Abs. 7 NSchG angesprochenen Interessen aus den in § 9 Abs. 1 lit. a bis c genannten Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes zu versagen.

Der in § 9 Abs. 5 NSchG normierte Versagungsgrund stellt auf die unzumutbare Nähe einer Anlage zum Siedlungsbereich ab. Dieser Versagungstatbestand weist keine Beziehung zu den in § 1 NSchG unter dem Titel "Ziele und Aufgaben" genannten, in § 9 Abs. 1 als Versagungsgründe konkretisierten Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes auf; vielmehr beruht der Versagungstatbestand auf Gesichtspunkten des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes. Im Zusammenhang mit diesem Versagungstatbestand kommt somit die in der oben dargelegten Rechtsprechung entwickelte Auffassung nicht zum Tragen, daß der Bundeskompetenz "Bergwesen" unterliegende Maßnahmen unter Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes einer landesrechtlichen Regelung unterworfen werden können.

Bei ähnlicher Rechtslage - nämlich im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Bundeskompetenz "Fernmeldewesen" von den in Betracht kommenden Regelungszuständigkeiten des Landesgesetzgebers - hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß der Bewilligungspflicht einer Fernmeldeanlage nach dem Fernmeldegesetz die Festsetzung einer zusätzlichen Bewilligungspflicht durch die Baubehörde betreffend die in deren Kompetenz fallenden Gesichtspunkte nicht entgegensteht. Soweit in baurechtlichen Vorschriften etwa Gesichtspunkte des Ortsbildschutzes und der Ortsbildgestaltung maßgeblich sind, kommt dem Landesgesetzgeber die Zuständigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG zu (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 94/05/0352, und die dort zitierte Vorjudikatur); Gesichtspunkte des Schutzes von Leben und Gesundheit der Nachbarn der Anlage sind hingegen im baubehördlichen Verfahren eine Fernmeldeanlage betreffend nicht heranzuziehen, weil dieser Aspekt von der Bundeskompetenz umfaßt wird (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 93/05/0244, und vom , Zl. 97/05/0194).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erfaßt der Kompetenztatbestand "Bergwesen" jedenfalls alle Regelungen, die der Abwehr von Gefahren dienen, die spezifisch im Zusammenhang mit dem "Bergbau" stehen und der Bevölkerung im allgemeinen sowie den im Berg (einschließlich des Tagbaues) Arbeitenden im besonderen drohen (VfSlg. 13.299/1992).

Die Bewilligung der Anlage bzw. des Betriebes eines dem BergG unterliegenden Steinbruches ist insoweit von der Bundeskompetenz erfaßt und der Regelungszuständigkeit der Länder entzogen. Zu bau- und raumordnungsrechtlichen Regelungen (§ 50 Stmk. ROG bzw. § 93 Abs. 2 NÖ BO) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß wegen der Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Bergwesens kein Raum für die Anwendung von Untersagungs- und Bewilligungsvorschriften bleibt, die den Abbau von dem Berggesetz unterliegenden Materialien betreffen (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 94/06/0099, vom , Zl. 92/05/0232, und vom , Zl. 94/06/0030).

Die in Rede stehende Regelung (§ 9 Abs. 5 NSchG) bezieht sich, soweit der Abbau von dem BergG unterliegenden Mineralien in Rede steht, ausschließlich auf Gesichtspunkte, die der Bundeskompetenz "Bergwesen" zugeordnet sind. In verfassungskonformer Interpretation ist somit davon auszugehen, daß § 9 Abs. 5 NSchG in Ansehung von Steinbrüchen, in denen dem BergG unterliegende Mineralien abgebaut werden, nicht zur Anwendung kommt; der Immissionsschutz fällt ausschließlich in die Zuständigkeit der Bergbehörde, die diese Zuständigkeit im konkreten Fall auch wahrgenommen und zahlreiche Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vorgeschrieben hat.

Abgesehen vom Recht auf Wahrnehmung des in § 9 Abs. 5 NSchG normierten Versagungstatbestandes räumt das NSchG den Anrainern keine subjektiv-öffentlichen Rechte ein; vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 NSchG abgesehen hat die Behörde im Bewilligungsverfahren ausschließlich auf öffentliche Interessen Bedacht zu nehmen. Mangels Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 NSchG im Beschwerdefall kamen den Beschwerdeführern somit keine subjektiv-öffentlichen Rechte zu; die belangte Behörde hat die Parteistellung im Ergebnis zu Recht verneint.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.