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VwGH vom 23.01.1992, 88/16/0139

VwGH vom 23.01.1992, 88/16/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Iro sowie die Hofräte Dr Närr, Dr Kramer, Dr Karger und Dr Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr Ladislav, über die Beschwerde der JW in L, vertreten durch Dr J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl 245/4 - 6/87, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Alleinerbin nach ihrem am ohne Hinterlassung einer letzwilligen Verfügung verstorbenen Bruder. Sie gab zum gesamten Nachlaß als gesetzliche Erbin eine unbedingte Erbserklärung ab und es wurde ihr mit Beschluß des BG Villach vom der Nachlaß eingeantwortet.

Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt zur Kenntnis, daß der Erblasser zusätzlich zu den im eidesstättigen Vermögensbekenntnis zur Anzeige gebrachten Vermögenswerten weiteres neu hervorgekommenes Vermögen besessen habe, wobei sie dem Finanzamt die Fotokopie eines Schriftsatzes an das BG Villach vom selben Tag übermittelte. In diesem Schriftsatz wurde ua ausgeführt, der Erblasser habe bei der R-Versicherung AG eine Lebensversicherung mit derzeitigem Wert von 212.279 S abgeschlossen, die im Ablebensfall auf Überbringer laute. Da sich die bezughabende Polizze weder in ihrer Gewahrsame befinde noch in der Gewahrsame des Erblassers am Todestag befunden hätte, sei bereits ein Kraftloserklärungsverfahren beim Landesgericht für ZRS Wien anhängig gemacht worden. Nach Kraftloserklärung der Lebensversicherungspolizze falle ihr daher die Lebensversicherungssumme zu und sei ihr daher auch zuzuweisen.

In einem weiteren Anbringen vom wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß das Kraftloserklärungsverfahren nicht abgeschlossen sei.

Am teilte die R-Versicherung AG dem Finanzamt mit, sie habe die in Rede stehende Versicherungssumme von 236.279 S infolge Sterbefalles an die Beschwerdeführerin als Bezugsberechtigte zu Handen ihres Rechtsfreundes ausbezahlt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Feber 1986 bestätigt.

Mit endgültigem Bescheid vom (der zunächst erlassene vorläufige Bescheid vom ist für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht von Relevanz) unterzog das Finanzamt unter anderem auch die Zahlung der R-Versicherung AG von 236.279 S der Erbschaftssteuer.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, in dem von der R-Versicherung AG überwiesenen Betrag seien Zinsen für den Zeitraum vom bis enthalten. Der Wert der Lebensversicherung zum Todestag des Erblassers habe jedoch nur 212.279 S betragen. Nur dieser Wert sei der Erbschaftssteuer zu unterziehen.

In der am erlassenen Berufungsvorentscheidung bezifferte das Finanzamt den Wert der Lebensversicherung am Todestag des Erblassers mit 232.279 S.

Dem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der R-Versicherung AG bei, aus der ersichtlich ist, die Versicherungssumme am Todestag des Erblassers habe 212.279 S betragen; zuzüglich dazu seien Zinsen für den Zeitraum vom bis von 24.000 S zur Auszahlung gelangt. Eine gleichartige Bestätigung wurde der belangten Behörde von der R-Versicherung AG übermittelt.

In einer am bei der belangten Behörde eingelangten Äußerung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, das Wesen der nach § 2 Abs 1 Z 3 ErbStG der Steuer unterliegenden Verträge zu Gunsten Dritter bestehe darin, daß die Berechtigung des Begünstigten erst durch den Tod des Erblassers bzw desjenigen entstehe, der sich die Leistung an den Begünstigten vertraglich versprechen habe lassen. Der Steuer unterlägen nur solche Vermögensvorteile, die auf Grund eines Rechtsgeschäftes, nicht aber solche, die auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung erworben worden seien. So seien Ansprüche auf Witwen- und Waisenpensionen, die auf Gesetz beruhten oder in Dienstvorschriften geregelt seien, nicht erbschaftssteuerpflichtig. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß beispielsweise ein Pensionsanspruch, den eine Witwe nach ihrem verstorbenen Ehegatten erwerbe, seine Wurzeln in dem vom Erblasser geschlossenen Dienstvertrag habe. Denn in einem derartigen Fall liege kein Anspruch auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages im Sinn der in Rede stehenden Bestimmung vor. Die Beschwerdeführerin habe die von der R-Versicherung AG ausbezahlte Lebensversicherung weder deswegen erhalten, weil sie die Begünstigte im Lebensversicherungsvertrag gewesen sei, noch weil sie die Lebensversicherungspolizze überbracht habe. Vielmehr habe sie als gesetzliche Erbin und auf Grund eines gesetzmäßig durchgeführten Kraftloserklärungsverfahrens einen Anspruch auf die Lebensversicherung erworben. Die R-Versicherung AG habe daher eine Leistung auf Grund gesetzlicher Bestimmungen und nicht auf Grund rechtsgeschäftlicher Vorgänge erbracht. Diese an sie erbrachte Leistung unterliege daher überhaupt nicht der Erbschaftssteuer.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid unterzog die belangte Behörde unter anderem auch den Wert der Lebensversicherung am Todestag des Erblassers mit 212.279 S der Erbschaftssteuer, wobei sie unter Hinweis auf § 2 Abs 1 Z 3 ErbStG und der hiezu ergangenen hg Rechtsprechung zur Begründung im wesentlichen ausführte, unter die in Rede stehende Bestimmung fielen ua Versicherungsverträge auf Ableben. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalles entstehe der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme gegen den Versicherer für den, der den Anspruch aus dem Papier (Versicherungspolizze) nachzuweisen vermöge. Ein bezugsberechtigter Dritter erwerbe somit mit dem Tod des Erblassers das Recht auf eine Geldleistung des Versicherers. Witwen- und Waisenpensionen führten nur deshalb nicht zur Steuerpflicht, weil es sich um öffentlich-rechtliche Versorgungsansprüche der unmittelbar Berechtigten und nicht um rechtsgeschäftliche Ansprüche des Erben handle. Im gegenständlichen Fall sei jedoch eine Lebensversicherung abgeschlossen worden, auf Grund derer die Beschwerdeführerin eine Zahlung erhalten habe. Diese unterliege der Erbschaftssteuer, weil der Dritte mit Vertragsabschluß bei Eintritt des Versicherungsfalles ein entsprechendes Recht erwerbe. Auch die Beschwerdeführerin habe die Versicherungssumme auf Grund eines Vertrages erhalten, der vom Erblasser unter Lebenden abgeschlossen worden sei. Der der Beschwerdeführerin zustehende Anspruch sei daher unmittelbar durch den Tod des Erblassers erworben worden und unterliege daher "im Sinne des § 2 Abs 1 Z 3 ErbStG" der Erbschaftssteuer.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtbesteuerung des von der R-Versicherung AG ausbezahlten Betrages von 212.279 S verletzt und macht sowohl Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin behauptet, der angefochtene Bescheid leide an einem erheblichen Begründungsmangel, weil die belangte Behörde keinerlei Erhebungen bei der R-Versicherung AG gepflogen habe, welcher Art der Versicherungsvertrag in Ansehung des jeweiligen Bezugsberechtigten gewesen sei. Es fehlten somit entscheidungswesentliche Feststellungen über den Inhalt des Versicherungsvertrages, weswegen nicht geklärt worden sei, ob sie im Fall des Vorhandenseins dieser Urkunde direkt auf Grund des Inhaltes derselben in den Genuß der Versicherungssumme gekommen wäre. Müßte dies nämlich verneint werden, fehle es am unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vertragsabschluß des Erblassers und dessen Tod, bzw müßte verneint werden, daß sich der Erblasser die Leistungen der R-Versicherung AG an sie als Begünstigte vertraglich versprechen habe lassen. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bedürfe daher der Ergänzung.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf. Zwar ist es richtig, daß der Abgabenbehörde der genaue Inhalt der Versicherungspolizze nicht bekannt gewesen ist. Aus dem Anbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (vgl die Schreiben vom und vom , die Berufung und den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) sowie der Bestätigungen der R-Versicherung AG (vgl die Schreiben vom und vom ) konnte die Abgabenbehörde jedoch ohne weiteres den Schluß ziehen, daß es sich bei dem vom Erblasser mit der R-Versicherung AG abgeschlossenen Vertrag um eine Lebensversicherung nach §§ 159 ff Versicherungsvertragsgesetz, VersVG 1958, BGBl Nr 2/1959, handelte, wobei für den Fall des Todes des Erblassers als Versicherungsnehmer die Versicherungssumme an den Überbringer der Versicherungspolizze auszuzahlen war (Kapitalversicherung mit einem als Dritten begünstigten Überbringer gemäß § 166 VersVG). Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nie auch nur angedeutet oder gar behauptet, der vom Erblasser mit der R-Versicherung AG abgeschlossene Vertrag entspreche nicht einer üblichen Er- und Ablebensversicherung. Da der wesentliche Inhalt der Versicherungspolizze somit nie bestritten war, bedarf der festgestellte Sachverhalt keiner Ergänzung.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird.

Unter die eben genannte Bestimmung fallen ua Versicherungsverträge (Kapitalversicherungen) auf Ableben. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalles entsteht der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme gegen den Versicherer für den, der den Anspruch aus dem Papier (Versicherungspolizze) nachzuweisen vermag. Versicherungspolizzen sind keine Inhaber-, sondern Legitimationspapiere (vgl Grubmann, VersVG3, E 2 zu § 4). Nur ein bezugsberechtigter Dritter erwirbt somit mit dem Tod des Erblassers das Recht auf eine Geldleistung des Versicherers. Nach § 4 Abs 1 letzter Satz VersVG ist der Versicherer nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet.

Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin mangels Innehabung der Versicherungspolizze zunächst nicht in der Lage, die Leistung aus der Lebensversicherung von der R-Versicherung AG zu fordern. Da die R-Versicherung AG nur gegen Rückgabe des Versicherungsscheines zu leisten hatte, mußte nach § 4 Abs 2 letzter Satz VersVG in Verbindung mit § 3 Abs 2 letzer Satz leg cit die Versicherungspolizze für kraftlos erklärt werden. Mit der erfolgten Kraftloserklärung verlor der bezugsberechtigte Dritte nach § 168 VersVG das Recht auf die Leistung des Versicherers und stand dieses Recht wiederum dem Versicherungsnehmer zu.

Die Beschwerdeführerin ist daher im Recht, wenn sie behauptet, sie habe die Lebensversicherungssumme weder auf Grund der Tatsache, daß sie Begünstigte im Lebensversicherungsvertrag gewesen wäre, noch auf Grund der Tatsache der Innehabung des Wertpapieres selbst bezogen. Der Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 3 ErbStG wurde daher im vorliegenden Fall nicht verwirklicht.

Daraus ist jedoch für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Wie bereits ausgeführt, stand nach der Kraftloserklärung der Lebensversicherungspolizze das Recht auf die Leistung der R-Versicherung AG dem Erblasser als Versicherungsnehmer zu. Die Versicherungssumme gehört somit in den Nachlaß und ist daher - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst erkannt hat - nach § 2 Abs 1 Z 1 ErbStG der Erbschaftssteuer zu unterziehen. Die Beschwerdeführerin stellt auch nicht in Abrede, daß sie als gesetzliche Erbin "durch Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens" den Anspruch auf die Lebensversicherungsleistung erworben habe. Dem stimmt der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich zu. Nicht zugestimmt werden kann jedoch der Ansicht der Beschwerdeführerin, sie habe die Leistung der R-Versicherung AG ausschließlich auf Grund gesetzlicher Bestimmungen erworben, woraus sie den Schluß zieht, ihr Anspruch beruhe wie eine Witwen- oder Waisenpension unmittelbar auf dem Gesetz und sei daher nicht erbschaftssteuerpflichtig. Die R-Versicherung AG war nämlich nicht unmittelbar auf Grund eines Gesetzes verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine bestimmte Summe auszuzahlen, sondern konnte die Beschwerdeführerin ihr Recht auf Auszahlung der Versicherungssumme auf Grund der erwähnten gesetzlichen Bestimmungen nur auf den vom Erblasser geschlossenen Lebensversicherungsvertrag stützen.

Obwohl der angefochtene Bescheid auf unrichtigen rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde beruht, kann der Verwaltungsgerichtshof diesen nicht wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben, weil die Beschwerdeführerin durch die Besteuerung des von der R-Versicherung AG ausbezahlten Betrages von 212.279 S in ihren Rechten nicht verletzt worden ist. Eine Beschwerde ist nämlich auch dann als unbegründet abzuweisen, wenn die belangte Behörde mit einer unrichtigen Begründung zu dem der Rechtslage entsprechenden Ergebnis (hier: Besteuerung nach § 2 Abs 1 Z 1 ErbStG) gelangt ist (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom , 85/14/0124).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.