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VwGH vom 21.07.1998, 97/14/0101

VwGH vom 21.07.1998, 97/14/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag.Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom , Zl. RV 148/1-8/92, betreffend Einkommensteuer 1990 und 1992 (mitbeteiligte Partei: HN in S, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal/Drau, Tiroler Straße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Tilgung von Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten durch die H.N. GmbH, deren einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Mitbeteiligte ist, als verdeckte Ausschüttungen den Einkünften des Mitbeteiligten in den Streitjahren zuzurechnen war.

Der Mitbeteiligte legte am seine Einkommensteuererklärung 1988 (Bilanzstichtag ) dem Finanzamt vor. Nach deren Inhalt ergab sich bei antragsgemäßer Veranlagung eine Nachforderung zugunsten des Finanzamtes von S 706.600,--.

Der Mitbeteiligte entnahm in dem Wirtschaftsjahr, das am endete, seinem Einzelunternehmen S 1,809.651,--.

Mit Notariatsakt vom brachte der Mitbeteiligte sein Einzelunternehmen zu Buchwerten zum in die H.N. GmbH ein. Der Einbringungsvertrag hat u.a. folgenden für den Beschwerdefall wesentlichen Inhalt:

"Zweitens: Im Sinne des Strukturverbesserungsgesetzes bringt hiermit Herr H.N. sein Einzelunternehmen in die genannte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein. Die Einbringung erfolgt auf der Basis der zum (einunddreißigsten Oktober eintausendneunhundertachtundachtzig) erstellten Einbringungsbilanz, welche diesem Vertrag beigeheftet ist. Die abgabenrechtlichen Begünstigungen des Artikels III des Strukturverbesserungsgesetzes werden von den Vertragsteilen in Anspruch genommen.

Die Einbringung erfolgt im Sinne des Paragraf acht, Absatz eins, des Strukturverbesserungsgesetzes ohne Kapitalerhöhung, weil das gesamte Einbringungskapital von S 87.202,15 (siebenundachtzigtausendzweihundertzwei Schilling fünfzehn Groschen) einer Rücklage gemäß Paragraf acht, Absatz eins, litera d, des Strukturverbesserungsgesetzes zugewiesen wird, welche somit nur zur Deckung künftiger Verluste oder zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden darf.

Drittens: Die Einbringung des Unternehmens erfolgt mit allem beweglichen und unbeweglichen Betriebsvermögen des erwähnten Einzelunternehmens, mit allen Aktiven und Passiven, Rechten und Pflichten, wie aus der Einbringungsbilanz ersichtlich, und zwar mit Wirksamkeit zum (einunddreißigsten Oktober eintausendneunhundertachtundachtzig).

Viertens: Der einbringende Gesellschafter haftet nicht für die Beschaffenheit, den Umfang und Ertrag des ins Eigentum der Gesellschaft übertragenen Vermögens sondern nur dafür, daß die Einbringungsbilanz richtig und vollständig ist.

Die H.N. GmbH tritt anstelle des Herrn H.N. in alle Rechtsverhältnisse ein, die für das bisherige Einzelunternehmen gegolten haben, insbesondere in alle Dienstverträge, wobei alle Vordienstzeiten der Arbeitnehmer voll anzurechnen sind. Auch die bisher zugunsten des eingebrachten Unternehmens bestehenden Eigentumsvorbehalte gehen auf die Gesellschaft über. Soweit bisher im Einzelunternehmen unter Eigentumsvorbehalt erworbene Gegenstände vorhanden sind, gehen diese mit dem Vorbehaltseigentum in die Berechtigung der Gesellschaft über. Auch alle zugunsten des bisherigen Einzelunternehmens bestehenden Bestandrechte gehen auf die Gesellschaft über. Es obliegt dem Geschäftsführer, die Bestandgeber hievon zu verständigen.

Fünftens: Die erwerbende Gesellschaft übernimmt in diesem Sinne das gesamte Vermögen des Einzelunternehmens. Eine Kapitalerhöhung erübrigt sich, weil das gesamte Einbringungskapital, wie oben erwähnt, einer Rücklage zugeführt wird und weil eine Vermögensverschiebung begrifflich ausgeschlossen ist, da der einbringende Gesellschafter das gesamte Stammkapital inne hat."

Die H.N. GmbH bildete für das Wirtschaftsjahr der Einbringung (Bilanzstichtag ) keine Rückstellung für zu erwartende Einkommensteuerverbindlichkeiten aus der Zeit vor der Einbringung.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Mitbeteiligten die Einkommensteuer 1988 fest. Dieser Bescheid betraf die Einkünfte des Mitbeteiligten aus dem Einzelunternehmen vor der Einbringung. Die aus dem Bescheid sich ergebende Nachforderung von S 706.600,-- bezahlte die H.N. GmbH am anstelle des Mitbeteiligten.

Am erfolgte aufgrund einer Betriebsprüfung gegenüber dem Mitbeteiligten (für das Jahr 1987 nach Wiederaufnahme des Verfahrens) die Festsetzung der Einkommensteuer für 1987 und 1988, die zu Nachforderungen von S 5.040,-- (für 1987) und S 146.898,-- (für 1988) führte. Den Gesamtbetrag von S 151.938,-- bezahlte die H.N. GmbH am .

Mit Bescheiden vom und setzte das Finanzamt gegenüber dem Mitbeteiligten die Einkommensteuer für 1990 und 1992 unter Zugrundelegung von verdeckten Ausschüttungen in der Höhe von S 706.600,-- (1990) und S 151.938,-- (1992) zuzüglich der jeweils auf diese Zahlungen entfallenden Kapitalertragsteuer fest.

Gegen diese Bescheide erhob der Mitbeteiligte jeweils Berufung. Im Berufungsverfahren vertrat er die Auffassung, die Einbringung sei mit allen Rechten und Pflichten erfolgt. Darunter sei verstanden worden, daß die H.N. GmbH auch sämtliche Ertragsteuern zu übernehmen habe. Eine solche Vertragsgestaltung sei üblich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Einkommensteuer 1990 und 1992 statt, indem sie die vom Finanzamt angenommenen verdeckten Ausschüttungen ausschied.

In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde die Sachverhaltsfeststellung, daß bei Abschluß des Einbringungsvertrages () die Vertragsparteien nicht an die zu erwartenden Einkommensteuerverbindlichkeiten gedacht hätten. Sie hätten daher damals auch nicht die Absicht verfolgt, die Einkommensteuerverbindlichkeiten auf die H.N. GmbH zu überbinden. Bei Einbringungen im zeitlichen Geltungsbereich des Strukturverbesserungsgesetzes sei es üblich gewesen, entweder der übernehmenden Körperschaft die Einkommensteuerschulden des Einbringenden, die aus der Tätigkeit vor der Einbringung herrührten oder mit der Einbringung zusammenhingen, zu übertragen oder dem Einbringenden durch hinreichende Entnahmen vor dem Einbringungsstichtag oder zwischen dem Einbringungsstichtag und dem Abschluß des Einbringungsvertrages Vorsorge für Einkommensteuerverbindlichkeiten treffen zu lassen.

Der Verkehrswert des eingebrachten Unternehmens habe ein Vielfaches der gegenständlichen Einkommensteuerverbindlichkeiten betragen. Vor der Einbringung habe die H.N. GmbH ein Bankkonto von S 250.000,-- und eine Forderung aus ausständigen Einlagen in gleicher Höhe besessen. Nach der Einbringung habe ihr Betriebsvermögen auch das Vermögen laut Einbringungsbilanz umfaßt. Mit dem Einzelunternehmen sei 1987 ein Gewinn von S 1,400.000,-- und 1988 ein Gewinn von S 1,620.000,-- erzielt worden. Die H.N. GmbH habe im ersten Jahr ihres Bestehens nach der Einbringung Einkünfte von S 3,033.000,-- erwirtschaftet. Im Jahr 1990 habe sie einen Gewinn von S 1,500.000,-- und 1991 einen solchen von S 3,330.000,-- erzielt.

Die GmbH habe zur Zeit der ursprünglichen Verbuchung der Zahlungen die Absicht gehabt, die entrichteten Beträge vom Mitbeteiligten zurückzufordern.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, bereits die Formulierung des Einbringungsvertrages mache deutlich, daß die GmbH die Einkommensteuerverbindlichkeiten übernommen habe. Nach Punkt 3. des Vertrages sei nämlich die Einbringung mit allen Rechten und Pflichten, wie aus der Einbringungsbilanz ersichtlich, erfolgt. Zwar sei unübersehbar, daß in diesem Punkt des Vertrages nur der Übergang der mit dem eingebrachten Betrieb zusammenhängenden Verbindlichkeiten vereinbart worden sei. Dies folge aus dem untrennbaren sprachlichen Zusammenhang zu den Begriffen "Betriebsvermögen" und "Einbringungsbilanz". Im speziellen Fall einer Einbringung seien aber auch jene Pflichten des Einbringenden als mit dem eingebrachten Betrieb zusammenhängend anzusehen, die aus dem Erfolg, den der Mitbeteiligte mit dem eingebrachten Betrieb erzielt habe, herrührten. Die Richtigkeit dieser Wortinterpretation werde in Punkt 4. des Einbringungsvertrages bestätigt, wonach die H.N. GmbH anstelle des Mitbeteiligten in alle Rechtsverhältnisse eintrete, die für das bisherige Einzelunternehmen gegolten hätten. Damit sei hinreichend deutlich vereinbart worden, daß die GmbH die Rechtsnachfolge des Mitbeteiligten anzutreten habe, soweit es sich um Rechte und Pflichten handle, die ursächlich mit seiner Tätigkeit im Rahmen des Einzelunternehmens zusammenhingen. Die H.N. GmbH sei daher vertraglich verpflichtet gewesen, die Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten zu bezahlen.

Im Hinblick auf die vertragliche Verpflichtung der H.N. GmbH und den Wert des eingebrachten Vermögens im Verhältnis zu den übernommenen Steuern halte die Vereinbarung auch einem Fremdvergleich stand.

Hätte der Mitbeteiligte vor der Einbringung einen entsprechenden Betrag in Höhe der künftigen Einkommensteuerverbindlichkeiten mit Zweckwidmung entnommen, wäre für ihn keine höhere Einkommensteuerverbindlichkeit entstanden. Wenn im Einbringungsvertrag die Übernahme der Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten ausdrücklich vereinbart worden wäre, läge zweifelsfrei keine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Es sei nicht einzusehen, daß wegen einer unbedeutenden Ungenauigkeit ein erheblicher steuerlicher Nachteil für den Mitbeteiligten entstehen solle, der in einer extremen steuerlichen Belastung seiner Einkünfte im Jahr 1988 bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die - gemäß § 292 BAO in Verbindung mit Art. 131 Abs. 2 B-VG erhobene - Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in dem der Sache nach dem Standpunkt der belangten Behörde beigetreten, jedoch kein bestimmter Antrag gestellt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, bereits aus dem Einbringungsvertrag ergebe sich die Übernahme der Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten durch die H.N. GmbH, kann nicht geteilt werden. Die Einbringung erfolgte nach Punkt 3. des Einbringungsvertrages auf der Basis der zum erstellten Einbringungsbilanz. Von der Übernahme der zu erwartenden Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten ist im Vertrag keine Rede. Auch aus dem in Punkt 4. des Einbringungsvertrages genannten Eintritt der H.N. GmbH in die Rechtsverhältnisse, die für das bisherige Einzelunternehmen gegolten haben, ist für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewonnen, weil es sich bei den Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten nicht um ein solches Rechtsverhältnis handelt. Die Übernahme der Einkommensteuerverbindlichkeiten durch die H.N. GmbH hätte vielmehr eine entsprechende Bestimmung im Einbringungsvertrag oder eine gesonderte Vereinbarung im Zusammenhang mit dessen Errichtung erfordert. Darüber hinaus wäre - hätten die Vertragsparteien an die Einkommensteuerverbindlichkeiten des Mitbeteiligten gedacht und eine Vereinbarung betreffend die Übernahme dieser Verbindlichkeiten durch die H.N. GmbH getroffen - eine Rückstellung gemäß § 8 Abs. 1 lit. e Strukturverbesserungsgesetz zu bilden gewesen, die eine möglichst genaue Berechnung der voraussichtlich übernommenen Abgabenverpflichtungen erfordert hätte (vgl. dazu Helbich, Umgründungen4, 445 f) .Nur dadurch wäre es zufolge § 8 Abs. 1 lit. e leg. cit. möglich gewesen, trotz Übernahme der Abgabenverbindlichkeiten des Mitbeteiligten die von den Parteien des Einbringungsvertrages ausdrücklich erklärte Einbringung unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Art. III leg. cit. zu erreichen. Das Unterbleiben einer derartigen Rückstellung spricht daher gegen die Annahme einer vertraglichen Verpflichtung der H.N. GmbH zur Bezahlung der Abgabenverbindlichkeiten des Mitbeteiligten.

Auf die von der belangten Behörde ergänzend angestellten Überlegungen, wie die Parteien des Einbringungsvertrages die Rechtsverhältnisse hätten gestalten können und welche abgabenrechtlichen Auswirkungen dies gehabt hätte, brauchte nicht näher eingegangen zu werden, weil hier ausschließlich zu beurteilen war, ob die H.N. GmbH eine Verpflichtung zur Bezahlung der Abgabenverbindlichkeiten des Mitbeteiligten übernommen hat. Daß eine andere vertragliche Gestaltung zulässig gewesen wäre, bedarf schon im Hinblick auf den bereits mehrfach zitierten § 8 Abs. 1 lit. e leg. cit. keiner weiteren Begründung.

Da nach dem Gesagten die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am