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VwGH 06.05.1996, 95/10/0195

VwGH 06.05.1996, 95/10/0195

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ABGB §144;
AVG §9;
SchBeihG 1983 §14 Abs2;
RS 1
Im Hinblick auf § 14 Abs 2 SchBeihG sind jedenfalls für den Bereich der Antragstellung auf Gewährung von Beihilfen keine Überlegungen anzustellen, ob sich aus Regelungen des bürgerlichen Rechts die beschränkte prozessuale Handlungsfähigkeit mündiger Minderjähriger für Angelegenheiten der Schülerbeihilfe ergibt (Hinweis E , 365/79, VwSlg 10547 A/1981).
Normen
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
SchBeihG 1983 §14 Abs2;
SchBeihG 1983 §21 Abs1;
SchBeihG 1983 §21 Abs4;
RS 2
Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Haftung jener Personen, die gem § 14 Abs 2 SchBeihG einen Antrag eingebracht haben, im Rückzahlungsfall (§ 21 Abs 1 SchBeihG und § 21 Abs 4 SchBeihG), ist eine Auslegung geboten, die § 14 Abs 2 SchBeihG auf verfahrenseinleitende Schriftsätze im weiten Sinn, also auch den Berufungsschriftsatz, bezieht. Die Fertigung bzw Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter ist demnach Zulässigkeitsvoraussetzung.
Normen
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
SchBeihG 1983 §14 Abs2;
RS 3
Fehlt entgegen der Vorschrift des § 14 Abs 2 SchBeihG die Fertigung bzw Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter, handelt es sich um ein Formgebrechen iSd § 13 Abs 3 AVG (Hinweis E , 87/11/0141, VwSlg 12579 A/1987); die Behörde hat in einem solchen Fall mit der Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages vorzugehen. Nach § 13 Abs 3 erster Satz AVG berechtigt der Formmangel die Behörde nicht zur Zurückweisung der Berufung ohne weiteres Verfahren.

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

95/10/0159 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der mj. VD, vertreten durch den Vater JD, beide in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom , Zl. 1018/4-III/9/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am geborene Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 1994/1995 die Fachschule für Altendienste in Graz. Am beantragte sie beim Landesschulrat für Steiermark die Gewährung von Schülerbeihilfe; ihr Antrag war vom gesetzlichen Vertreter gefertigt.

Mit Bescheid vom wies der Landesschulrat für

Steiermark den Antrag auf Schulbeihilfe für das Schuljahr 1994/1995 ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung "gemäß § 9 AVG als unzulässig zurück". Begründend wurde dargelegt, die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung noch nicht einmal 18 Jahre alt und deshalb nicht prozessual handlungsfähig gewesen. Daher hätte die Berufung von einem gesetzlichen Vertreter unterfertigt sein müssen. Im Hinblick auf die fehlende prozessuale Handlungs- und Postulationsfähigkeit sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem eine Verletzung im Recht, eine Sachentscheidung zu erhalten, geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten ist von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen (§ 9 AVG).

Nach § 21 Abs. 2 ABGB dauert die Minderjährigkeit bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres; nach § 144 ABGB haben die Eltern das minderjährige Kind zu vertreten. Als Verwaltungsvorschrift, die (im Sinne der soeben zitierten Vorschrift) die prozessuale Handlungsfähigkeit Minderjähriger betrifft, ist für den Bereich des Schülerbeihilfenrechts § 14 Abs. 2 SchBG anzusehen; danach sind die Anträge (auf Gewährung von Beihilfen) von den Erziehungsberechtigten einzubringen. Im Hinblick auf diese Verwaltungsvorschrift sind jedenfalls für den Bereich der Antragstellung keine Überlegungen in der Richtung anzustellen, ob sich aus Regelungen des bürgerlichen Rechts die beschränkte prozessuale Handlungsfähigkeit mündiger Minderjähriger für Angelegenheiten der Schülerbeihilfe ergibt (vgl. hiezu etwa für Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung den Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. 10547/A). Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Haftung jener Personen, die gemäß § 14 Abs. 2 SchBG einen Antrag eingebracht haben, im Rückzahlungsfall (vgl. § 21 Abs. 1 und 4 SchBG), ist eine Auslegung geboten, die § 14 Abs. 2 SchBG auf verfahrenseinleitende Schriftsätze im weiten Sinn, also auch den Berufungsschriftsatz, bezieht. Der belangten Behörde ist daher insoweit zu folgen, daß die Fertigung bzw. Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin Zulässigkeitsvoraussetzung war. Die von der minderjährigen Beschwerdeführerin erhobene Berufung war nicht vom gesetzlichen Vertreter gefertigt; eine Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter ist ebenfalls nicht aktenkundig. Die belangte Behörde durfte diesen Umstand jedoch nicht zum Anlaß nehmen, die Berufung ohne weiteres als unzulässig zurückzuweisen. Es handelte sich nämlich um ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Slg. 12579/A); die belangte Behörde hätte nach der zitierten Vorschrift mit der Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages vorgehen müssen. Nach § 13 Abs. 3 erster Satz AVG berechtigte sie der Formmangel nicht zur Zurückweisung ohne weiteres Verfahren.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §144;
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
SchBeihG 1983 §14 Abs2;
SchBeihG 1983 §21 Abs1;
SchBeihG 1983 §21 Abs4;
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Unterschrift
Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches
Recht
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen
Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)
Minderjährige
Verbesserungsauftrag Bejahung Berufungsverfahren
Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung Berufung
Verwaltungsvorschriften vom bürgerlichen Recht abweichend
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1996:1995100195.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-37653