VwGH vom 09.09.1996, 95/10/0194
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der G in V, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. Ro-440/5/1995, betreffend Entfernungsauftrag nach dem Kärntner Naturschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt (BH) vom , wurde gegenüber der Beschwerdeführerin "die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf
Parzelle 462/1, KG X, in Form von Beseitigung sämtlichen dort (seit ) abgelagerten organischen Materiales im Ausmaß von 8,00 m x 5,00 m bis auf den Mutterboden binnen vier Wochen" verfügt. Begründend wurde - unter (auszugsweiser) Wiedergabe des im Verfahren eingeholten Naturschutzgutachtens - im wesentlichen ausgeführt, die in Rede stehende Ablagerung sei auf einer Feuchtfläche (Auwald im Übergangsstadium zu einem Bruchwald) vorgenommen worden. Sie stelle wegen ihrer - näher dargelegten - Wirkung auf die Feuchtflächenfauna und -flora eine nachhaltige Gefährdung für den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich dar. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, der Beseitigungsauftrag liefe den Intentionen des NSchG zuwider, weil dadurch der Lebensraum mittlerweile angesiedelter Tierarten (z.B. Igel) zerstört würde, treffe nicht zu, weil durch die Ablagerungen ein bestehender, ökologisch höchst wertvoller Biotop zerstört würde.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie - wie auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren - bestritt, daß im Bereich der Ablagerungen von einer Feuchtfläche i.S.d. NSchG gesprochen werden könne. Seit dem Jahre 1969 hätten nämlich sie und ihr Ehegatte, Familienangehörige und dritte Personen Schnittgut, Äste und Astwerk an der bescheidgegenständlichen Ablagerungsstelle gelagert, das an dieser Stelle bis 1984/85 auch verbrannt, seither aber nur mehr abgelagert worden sei. Es könne sich daher an dieser Stelle keine Feuchtfläche gebildet haben. Im übrigen sei der Baumschnitt als Lebensraum für diverse holzabbauende Organismen und als Deckung für andere Tierarten als Biotop "jedenfalls höher einzuschätzen als das bloße Vorhandensein von Seggen- und Schwarzerlenbewuchs". Schließlich mangle dem erstinstanzlichen Bescheid die konkrete Feststellung, welche organischen Materialien nun beseitigt werden sollen.
Nach Vornahme eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines Amtssachverständigen für Naturschutz - an welcher die Beschwerdeführerin trotz Ladung nicht teilnahm - wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides aber insoferne "konkretisiert, als die Beseitigung des nördlichen Teiles des großen Reisighaufens (Baumschnitt, Laub, Äste), der sich auf einer Feuchtfläche befindet, im Ausmaß von rund 8 x 5 Meter auf Parzelle 462/1, KG X, bis auf den Mutterboden binnen vier Wochen verfügt wird". Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, auf dem genannten Grundstück befinde sich sowohl nördlich des Ribenzabaches als auch des Promenadenweges eine große Ablagerung aus Baumschnitt, Ästen und Laub. Das Areal sei eingezäunt und es befinde sich darauf lediglich ein einziger großer Reisighaufen. Der nördliche Teil dieses Reisighaufens im Ausmaß von ca. 8 x 5 m befinde sich auf einer Feuchtfläche und sei - wie aus dem Verrottungszustand ersichtlich - jedenfalls erst nach dem Jahre 1988 abgelagert worden. Hiezu werde insbesondere auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz vom , verwiesen, wonach der gegenständliche Bereich als Auwald im Übergangsstadium zu einem Bruchwald anzusehen sei, sowie auf die Feststellung einer Sumpfschwertlilie im Randbereich der gegenständlichen Ablagerung anläßlich einer Besichtigung am . Zu den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Lichtbildern habe der Amtssachverständige festgehalten, daß daraus keinesfalls ersichtlich sei, daß im Bereich der gegenständlichen Feuchtfläche bereits Ablagerungen älteren Datums vorhanden seien. Schließlich ergebe sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß die in Rede stehenden Ablagerungen von ihr veranlaßt oder gesetzt worden seien. So habe sie in ihrer Stellungnahme vom ausgeführt, daß sie den Hausmeister angewiesen habe, das Schnittgut dort zu lagern, wo kein Biotop bestehe. In ihrer Stellungnahme vom wie auch in der Berufung habe sie dargestellt, daß sie mit ihrem Ehegatten Schnittgut, Äste udgl. an der fraglichen Stelle gelagert habe, seit 1984/85 seien entsprechende Ablagerungen durch die Beschwerdeführerin, ihre Familienangehörigen und auch dritte Personen erfolgt. Sie sei daher gemäß § 57 Abs. 2 NSchG heranzuziehen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 57 Abs. 1 Kärntner NSchG, LGBl. Nr. 54/1986 i.d.F. LGBl. Nr. 104/1993 ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen angemessen festzusetzender Frist aufzutragen, wenn Maßnahmen, die nach diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, entgegen dem Verbot, ohne Bewilligung oder abweichend von der Bewilligung ausgeführt wurden. Ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht möglich oder würde dies den Zielsetzungen dieses Gesetzes widersprechen, können entsprechende Maßnahmen zur Herbeiführung eines den Interessen des Schutzes und der Pflege der Natur möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustandes vorgeschrieben werden.
Die Wiederherstellung oder sonstige nach Abs. 1 zu setzende Maßnahmen obliegen in den Fällen, in denen Maßnahmen abweichend von einer Bewilligung ausgeführt werden, dem Antragsteller oder dessen Rechtsnachfolger, im übrigen primär demjenigen, der die Maßnahmen veranlaßt oder gesetzt hat, kann dieser nicht herangezogen werden, dem Grundstückseigentümer oder dem sonst über ein Grundstück Verfügungsberechtigten.
Gemäß dem mit "Schutz der Feuchtgebiete" überschriebenen § 8 leg. cit. ist in Moor- und Sumpfgebieten, Schilf- und Röhrichtbeständen sowie in Au- und Bruchwäldern die Vornahme von Anschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdenden Maßnahmen verboten.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß "die Grundstücksfläche des Grundstückes 462, KG X, die unter den großen Reisighaufen zu liegen kommt", vom Schutz des § 8 leg. cit. erfaßt sei. Im Bereich der seit 1964 Jahr für Jahr für die Verbrennung bzw. Ablagerung von Ästen, Laub und Gras verwendeten Fläche habe eine Feuchtfläche mit den an die besonderen Wasserverhältnisse angepaßten Pflanzengemeinschaften niemals bestanden bzw. aufgrund der Ablagerungen niemals entstehen können. Die Entstehung einer Feuchtfläche sei - wenn überhaupt -im Zuge der erst in der Folge eingetretenen Vernässung der ehemals trockenen Wiesenfläche nur rund um den großen Reisighaufen möglich gewesen. Die zum Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung beantragten Zeugeneinvernahmen und die Beiziehung von Sachverständigen aus den Fachgebieten und Geologie und Forst habe die belangte Behörde jedoch ebenso unterlassen wie die Feststellung, was sich unterhalb des Reisighaufens vor dem Jahre 1988 befunden habe.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht im Recht:
Dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz vom zufolge erstreckt sich eine "Feuchtflächenzonierung" anschließend an einen 5 bis 10 m breiten Streifen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze bis zu den an der südlichen Grundstücksgrenze befindlichen Anschüttungen. Diese zunächst mit krautigen und grasartigen Feuchtezeigerpflanzen bewachsene Fläche geht in südlicher Richtung in einen bruchwaldartigen, mit
ca. 20-jährigen Schwarzerlen bestockten Bereich über, der einen Unterbewuchs mit Großseggen, Sumpfschwertlilien u.a. Feuchtezeigerpflanzen aufweist. Den Ausführungen des Sachverständigen folgend ist die belangte Behörde aufgrund der Vegetation und der Untergrundverhältnisse (Bachsedimente, Staunässe, Schwarzerlen- und Seggenbewuchs) zur Auffassung gelangt, es handle sich bei diesem Bereich der "Feuchtfläche" um einen Auwald im Übergangsstadium zu einem Bruchwald, der somit unter den Schutz des § 8 NSchG steht.
Daß diese Auffassung unzutreffend wäre, wird mit dem Hinweis, "die Geamtheit des nördlichen Teiles des Grundstückes 462" stelle sich ganz entschieden "als eine Waldfläche dar und nicht als eine Feuchtfläche i.S.d.
§ 8 NSchG" nicht aufgezeigt, besagt doch die allfällige Waldeigenschaft einer Fläche nicht, daß es sich dabei nicht auch um ein Feuchtgebiet i.S.d. § 8 NSchG handeln könne.
Zur Frage, ob der verfahrensgegenständliche Teil des Reisighaufens nun innerhalb oder außerhalb des solcherart geschützten Gebietes gelegen sei, hat der Amtssachverständige für Naturschutz in seinem Gutachten vom ausgeführt, daß "die gegenständliche Baumschnittablagerung nördlich des durch ältere Anschüttungen befestigten Areals" gelegen und daß unter den Holz- und Astresten der ursprüngliche Mutterboden erkennbar sei, bei dem es sich um organisch angereicherten, feinkörnigen Sedimentboden handle, der durch die Staunässe und Quellaustritte die Feuchflächenvegetation entstehen lasse. Weiters wurde im Zuge des Ortsaugenscheines vom festgestellt, "daß die Ablagerungen vom Baumschnitt einerseits auf den bereits vorhandenen alten Anschüttungen und andererseits auch auf der mit 8 x 5 m ausgewiesenen Fläche in der Feuchtfläche erfolgt sind"; die in der Feuchtfläche erfolgten Ablagerungen stammten, wie aus dem Verrottungszustand eindeutig ersichtlich sei, jedenfalls erst aus den letzten Jahren, d.h. sicherlich nicht aus der Zeit vor 1988.
Davon ausgehend erweist sich allerdings die Auffassung der belangten Behörde, der verfahrensgegenständliche Teil des Reisighaufens liege, weil er - anders als der übrige Teil des Haufens - nicht auf einer alten (Baumschnitt-)Anschüttung fuße, sondern bis zum beschriebenen Mutterboden ausschließlich aus Ablagerungen der letzten Jahre zusammengesetzt sei, innerhalb des als Auwald geschützten Gebietes, nicht als unschlüssig. Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der Reisighaufen bestehe an dieser Stelle seit den 60-Jahren, vermag daran nichts zu ändern; wird mit diesem Vorbringen doch nicht konkret dargetan, daß die im Sachverständigengutachten bzw. anläßlich des Ortsaugenscheines getroffenen Feststellungen unzutreffend wären. Die von der Beschwerdeführerin zum Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung begehrte Untersuchung des Reisighaufenuntergrundes durch einen Geologen bzw. der Brandschäden an den Erlenbäumen durch einen Forstsachverständigen konnten daher ebenso unterbleiben, wie die Vernehmung der zur Frage der Vornahme von Ablagerungen seit dem Jahre 1964 beantragten Zeugen.
Soweit die Beschwerdeführerin aber vorbringt, die belangte Behörde habe Feststellungen über den Mutterboden, wie auch Feststellungen über den "Aufbau des großen Reisighaufens" unterlassen, ist sie auf die (oben wiedergegebenen) Ausführungen des Amtssachverständigen sowie auf die im Zuge des Ortsaugenscheins vom getroffenen Feststellungen zu verweisen. Daß ihr die über die "örtliche Besichtigung und Besprechung" vom aufgenommene Niederschrift sowie der darin angesprochene Aktenvermerk vom über eine Besichtigung des in Rede stehenden Reisighaufens durch den Amtssachverständigen nicht zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme hiezu nicht eingeräumt worden sei, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten unrichtig; diesen zufolge wurden die genannten Unterlagen der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom nachweislich zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt.
Die Beschwerdeführerin bestreitet weiters, daß das Aufrechterhalten eines Reisighaufens den Lebensraum von Tieren und Pflanzen nachhaltig gefährde. Vielmehr werde der Lebensraum von Tieren durch den Reisighaufen in nahezu idealer Form aufrecht erhalten. Der Lebensraum von Pflanzen könne zwar nicht in diesem Bereich, wohl aber um den Reisighaufen aufrecht erhalten werden, was auch "durch die vereinzelte Sumpflilie, die vor zwei Jahren östlich des Reisighaufens gewachsen" sei, dargetan werde.
In diesem Punkt ist die Beschwerdeführerin zunächst auf die bereits im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegebenen, näher begründeten Ausführungen des Amtssachverständigen vom zu verweisen, denen zufolge die vorgenommene Ablagerung zu einer Zerstörung des Lebensraumes für die Feuchtflächenfauna und -flora führt. Daß diese Schlußfolgerung unzutreffend wäre, ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin selbst nicht zu entnehmen. Gestützt auf das vorliegende Gutachten konnte die belangte Behörde vielmehr zu Recht davon ausgehen, daß durch die in Rede stehende Ablagerung der Lebensraum von Tieren und Pflanzen in dem gemäß § 8 NSchG geschützten Gebiet nachhaltig gefährdet wird.
Die Beschwerdeführerin wendet gegen die Gesetzmäßigkeit des Entfernungsauftrages weiters ein, die Entfernung des seit 1964 "aufgebauten" Reisighaufens widerspreche wichtigen Zielsetzungen des NSchG und stehe insbesondere im Wiederspruch zum "besonderen Tierartenschutz", weil dadurch Kleintieren, u. a. einer Igelfamilie die Lebensgrundlage entzogen würde.
Abgesehen davon, daß der angefochtene Bescheid nicht die Entfernung des Reisighaufens in seiner Gesamtheit, sondern nur dessen nördlichen Teiles verfügt, ergibt sich aus den Ausführungen des Naturschutzsachverständigen vom , daß durch die Belassung der Ablagerungen der ökologisch höchst wertvolle Biotop einer Feuchtfläche zerstört würde, hingegen die in diesen Ablagerungen Lebensraum findenden Gemeinschaften nicht an eine Feuchtfläche gebunden seien, sondern auch auf trockenem Untergrund bestehen könnten. Die belangte Behöre konnte daher zu Recht die Auffassung vertreten, daß der Tatbestand des § 57 Abs. 1 NSchG erfüllt und der gegenständliche, den Zielsetzungen des NSchG nicht widersprechende Entfernungsauftrag zu erteilen war.
Die Beschwerdeführerin rügt, daß der Entfernungsauftrag ihr erteilt worden sei, obwohl sich aus dem gesamten Verfahren sowie aus dem angefochtenen Bescheid ergebe, daß nicht nur sie, sondern auch ihr Ehegatte, ihre Kinder sowie dritte Personen Ablagerungen getätigt hätten.
Auch diese Rüge besteht nicht zu Recht; bleibt damit doch die von der belangten Behörde aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren offensichtlich gewonnene Annahme unbestritten, die Vornahme der in Rede stehenden Ablagerungen sei - soweit sie nicht durch die Beschwerdeführerin selbst getätigt wurde - von ihr i.S.d. § 57 Abs. 2 leg. cit. veranlaßt worden. Die Heranziehung der Beschwerdeführerin entsprach daher dem Gesetz.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei unvollständig, ist ihr zu entgegen, daß dieser mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, daß er den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides i.d. Fassung der von der Berufungsbehörde vorgenommenen Änderung übernimmt.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.