VwGH vom 21.07.1998, 97/14/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde 1. der BB in I,
2. des GS in W, 3. des MS in I, und 4. der BL OHG in I, alle vertreten durch Dr. Andreas König, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. 30.026-3/94, betreffend Feststellung von Einkünften für 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer errichteten mit Gesellschaftsvertrag vom die Viertbeschwerdeführerin (eine offene Handelsgesellschaft), deren Unternehmensgegenstand die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern war. Mit Stichtag veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile an der Viertbeschwerdeführerin.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erfolgte gegenüber den Beschwerdeführern gemäß § 188 BAO die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften. Dabei wurde - anders als im vorläufigen Feststellungsbescheid vom - ausgesprochen, daß in den Einkünften keine Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 2 EStG 1972 enthalten seien.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist allein strittig, ob es sich bei den von den Gesellschaftern realisierten Veräußerungsgewinnen um außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 handelt.
Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei nicht nur, daß es sich der Art nach um Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 1 bis 5 EStG 1972 handle, sondern es müsse in jedem konkreten Fall die Außerordentlichkeit der Einkünfte vorliegen. Zweck der Bestimmung des § 37 EStG 1972 sei (nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/14/0053) die Progressionsmilderung beim zusammengeballten Anfall von Einkünften, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären. Die Z. 1 des § 37 Abs. 2 leg. cit. erhelle diesen Grundgedanken nur und stehe nicht im Gegensatz zur Tarifbegünstigung für Veräußerungsgewinne (§ 37 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.). Das Außerordentliche bei Einkünften aus Veräußerungsgewinnen sei nämlich jedenfalls darin zu erblicken, daß hier eine regelmäßig mehrjährige Tätigkeit beendet und die während dieser mehrjährigen Tätigkeit angesammelten stillen Reserven nunmehr wegen "zusammengeballter Versteuerung" zu einer Progressionsverschärfung führten. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/14/0250, sei zum Begriff der "mehrjährigen Tätigkeit" (§ 37 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) ausgeführt worden, daß sich eine solche über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten erstrecken müsse. Die in diesem Erkenntnis enthaltene Aussage, daß die auf diese Tätigkeit entfallenden Einkünfte in nur einem Jahr der Besteuerung unterliegen müßten, bringe ebenfalls zum Ausdruck, daß - um dem beschriebenen Zweck der Bestimmung des § 37 EStG 1972 gerecht zu werden - bei Anwendung des § 37 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nur auf solche Zeiträume einer betrieblichen Tätigkeit Bedacht genommen werden könne, die zu stillen Reserven geführt habe. Bei Beurteilung der Tätigkeit der Viertbeschwerdeführerin sei demnach die Phase der Vorbereitung nicht einzubeziehen, zumal auf diese keine Einkünfte (resultierend aus der Aufdeckung stiller Reserven) entfielen. Es sei auch nicht die Zeitspanne zwischen Abschluß des Gesellschaftsvertrages und der Veräußerung der Gesellschaftsanteile maßgeblich. Die Viertbeschwerdeführerin habe erstmals am eine Anschaffung vorgenommen (Kauf von Pistengeräten). Zu weiteren Geschäftsabschlüssen der Viertbeschwerdeführerin sei es in den Jahren 1986 und 1987 ausschließlich im Dezember gekommen. 1988 sei schließlich im Juni die Anschaffung von Schnee-Erzeugungsanlagen (Rechnung der S.-GmbH vom ) erfolgt, die mit gleichem Datum aktiviert worden seien. 1988 sei für diese Anlagen die Ganzjahres-Normal-AfA sowie die vorzeitige Abschreibung in Anspruch genommen worden.
Der Beginn der Tätigkeit, die zur Entstehung der stillen Reserven geführt habe, sei in der Anschaffung von Pistengeräten laut Rechnung vom zu erblicken. Mit der Anschaffung der Schnee-Erzeugunganlagen (Rechnung vom ) habe diese Tätigkeit geendet. Die Tätigkeit, auf die Einkünfte im Sinne des § 37 EStG 1972 entfielen, umfasse sohin lediglich 19 Monate. In Würdigung der Gesamtumstände vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß das Tatbestandsmerkmal der Außerordentlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 nicht verwirklicht worden sei, weshalb der ermäßigte Steuersatz hinsichtlich des Veräußerungsgewinnes nicht angewendet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist zufolge § 37 Abs. 1 EStG 1972 auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen.
Gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. sind außerordentliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 nur:
1. Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt,
2. Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 und Einkünfte im Sinne des § 31,
3. ...
Nach § 24 Abs. 1 EStG 1972 sind Veräußerungsgewinne Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung
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1. | des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes, | |||||||||
2. | des Anteiles eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist. | |||||||||
In dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom , 88/14/0053, hat der Gerichtshof (unter Hinweis auf Vorjudikatur) ausgeführt, der Zweck des § 37 EStG 1972 liege in der Progressionsmilderung bei zusammengeballtem Anfall von Einkünften, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen gewesen wären. Dieser Zweck gebiete es, im Falle von Veräußerungsgewinnen die Außerordentlichkeit nur dann anzunehmen, wenn die Einkünfte wirtschaftlich als das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit anzusehen seien und geballt in einem Jahr anfielen. Die Z. 1 des § 37 Abs. 2 leg. cit. verdeutliche diesen Grundgedanken nur und stehe nicht im Gegensatz zu Z. 2 dieser Gesetzesstelle. Einem in weniger als einem Jahr erzielten Wertzuwachs sei daher die Begünstigung des § 37 EStG 1972 zu versagen, und zwar auch dann, wenn der Wertzuwachs in zwei Wirtschaftsjahren erzielt worden sei. Der Gesetzgeber habe als maßgeblichen Zeitraum offensichtlich mehrere Kalenderjahre und nicht Wirtschaftsjahre ins Auge gefaßt, weil ansonsten bereits kürzeste Zeiträume ausreichend wären, um in den Genuß der Steuerbegünstigung zu kommen. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/14/0250, lag ein Beschwerdefall zugrunde, in dem es um die Auslegung des § 37 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ("Tätigkeit, die sich über mehrere Jahre erstreckt") ging. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis ausgeführt, daß die Tätigkeit sich über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten erstrecken müsse und die auf diese Tätigkeit entfallenden Einkünfte in nur einem Jahr der Besteuerung unterliegen. | ||||||||||
Im vorliegenden Beschwerdefall ist unbestritten, daß es in den drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren, während welcher die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer Gesellschafter der viertbeschwerdeführenden OHG gewesen sind, jeweils zur Entstehung stiller Reserven (im wesentlichen durch vorzeitige Abschreibungen) gekommen ist. Darauf ist der durch die Veräußerung zum realisierte Gewinn zurückzuführen, der sich wirtschaftlich als das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit darstellt und zusammengeballt im Streitjahr anfiel. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten, in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zur "Außerordentlichkeit" von Einkünften ist kein Grund zu erkennen, die Außerordentlichkeit der erzielten Veräußerungsgewinne zu verneinen. Dabei kann es dahinstehen, ob bei der Beurteilung des Beginnes der "Mehrjährigkeit" der betrieblichen Tätigkeit auf den Beginn der Vorbereitung der Gesellschaft, die Errichtung des Gesellschaftsvertrages oder den Zeitpunkt der Anschaffung der ersten Wirtschaftsgüter, hinsichtlich welcher die vorzeitige Abschreibung vorgenommen wurde, ankommt, zumal es - von jedem dieser Zeitpunkte gerechnet - mehr als zwei Kalenderjahre bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile gedauert hat. Selbst wenn man der Auffassung der belangten Behörde folgte und den maßgeblichen Zeitraum nur vom ersten bis zum letzten Anschaffungsgeschäft berechnete, käme man zu einem Zeitraum von rund 19 Monaten, was im Sinne des oben Gesagten für die Annahme der Außerordentlichkeit ausreichen würde. | ||||||||||
In der Gegenschrift hat die belangte Behörde klargestellt, daß die in der Bescheidbegründung dargestellten "teilweisen personellen und finanziellen Verflechtungen" zwischen den Beschwerdeführern, den Käufern der Gesellschaftsanteile und den Geschäftspartnern der Viertbeschwerdeführerin für die Nichtgewährung der Tarifbegünstigung ebenso wenig maßgebend waren wie das in der Bescheidbegründung genannte Fehlen eines außersteuerlichen Grundes für den Verkauf der Mitunternehmeranteile zum . Es erübrigt sich daher auf diese Umstände und das diesbezügliche Beschwerdevorbringen näher einzugehen. | ||||||||||
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. | ||||||||||
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. |