VwGH vom 12.11.1990, 88/15/0064
Beachte
Besprechung in:
AnwBl 1991/8, 575;
ÖStZB 1991, 587;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Schubert, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 1255-2/87, betreffend Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund des Inhaltes der vorliegenden Verwaltungsakten und des Beschwerdevorbringens steht folgender Sachverhalt fest:
Dem Beschwerdeführer, der in A eine Bäckerei betreibt, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Wasserrechtsbehörde mit Bescheid vom die Bezahlung der Kosten, für die von der Bezirkshauptmannschaft wegen Gefahr in Verzug gemäß § 31 Abs. 3 Wasserrechtsgesetz angeordneten Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung als Folge eines Ölaustrittes in dem Bäckereibetrieb am in der Höhe von S 1,320.978,55 aufgetragen. Der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung wurde vom Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom keine Folge gegeben, und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz bestätigt. Infolge Uneinbringlichkeit beim Beschwerdeführer wurden letztlich die Kosten für die Sofortmaßnahmen vorläufig vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft übernommen. In einem vom Beschwerdeführer als Kläger gegen jenes Unternehmen, von dem die Sofortmaßnahmen auftragsgemäß durchgeführt worden waren, geführten Rechtsstreit, wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom entschieden, daß das Unternehmen Rechnungen mit gesondertem Mehrwertsteuerausweis an den Beschwerdeführer zu richten habe, damit dieser den Vorsteuerabzug geltend machen könne. Im Hinblick auf die offene Forderung des Bundes gegen den Beschwerdeführer
(S 1,320.978,55) ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Schriftsatz vom das Finanzamt Bregenz, eine allfällige "Mehrwertsteuerrückvergütung" nicht an den Beschwerdeführer, sondern an die Bezirkshauptmannschaft zur Weiterleitung an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu überweisen.
Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer beim Finanzamt den Antrag, das auf seinem Abgabenkonto ausgewiesene Guthaben (S 173.554,--) auf ein auf seinen Namen lautendes Konto bei einer Bank zu überweisen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Beschwerdeführers im wesentlichen mit der Begründung ab, daß das Guthaben gemäß § 1438 ABGB mit der noch offenen Forderung des Bundes aufgerechnet werde.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß weder § 1438 ABGB noch die Bundesabgabenordnung die Abgabenbehörde berechtige, das Umsatzsteuerguthaben ohne seine Zustimmung an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz "weiterzuleiten".
Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Gleichzeitig führte er aus, daß § 215 BAO, worauf das Finanzamt die Berufungsvorentscheidung im wesentlichen gestützt hatte, die Überweisung des Guthabens an die Bezirkshauptmannschaft nicht rechtfertige, da diese keine Abgabenbehörde sei. Im übrigen wäre noch zu prüfen, ob die Ersatzforderung der Bezirkshauptmannschaft nicht bereits verjährt gewesen sei, "da diese aus Lieferung und Leistung entstanden sei (§ 1486 ABGB)".
Mit Bescheid vom wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie sinngemäß aus, es finde § 215 Abs. 2 BAO entgegen der Meinung der Abgabenbehörde erster Instanz im vorliegenden Fall keine Anwendung. Andere als fällige Abgabenschuldigkeiten umfassende Ansprüche des Bundesschatzes könnten jedoch gemäß § 1438 ABGB mit abgabenrechtlichen Guthaben aufgerechnet werden. Es könnten unter Anwendung des § 1438 ABGB nur Ansprüche des Bundes mit abgabenrechtlichen Guthaben aufgerechnet werden; dies aber auch nur dann, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale der genannten Vorschrift erfüllt seien. Die belangte Behörde sei der Meinung, daß es sich bei der von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz geltend gemachten Forderung um einen Anspruch des Bundesschatzes handle. Nach der im § 144 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215/1959, enthaltenen Vollzugsklausel, sei mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern betraut, das heiße, die Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes sei Gegenstand der Bundesverwaltung und nicht der Landesverwaltung. Grundlage der Verwaltung des Bundes im Bereich der Länder sei der erste Satz des Art. 102 Abs. 1 B-VG, der bestimme, daß im Bereich der Länder - soweit nicht eigene Bundesbehörden bestünden (unmittelbare Bundesverwaltung) - die Vollziehung des Bundes vom Landeshauptmann und den ihm unterstellten Landesbehörden ausgeübt werde (mittelbare Bundesverwaltung). Der Landeshauptmann und die betreffenden Landesbehörden seien somit im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung funktionell als Bundesbehörden tätig. In der in Rede stehenden Wasserrechtsangelegenheit sei somit die Bezirkshauptmannschaft Bregenz funktionell als Bundesbehörde tätig gewesen. Daraus folge, daß es sich bei der auf Antrag der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit dem Abgabenguthaben des Beschwerdeführers aufgerechneten Forderung unzweifelhaft um einen nach § 1438 ABGB mit abgabenrechtlichen Guthaben verrechenbaren Anspruch des Bundesschatzes gehandelt habe. Weitere Voraussetzungen für die Aufrechnung seien die Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Gültigkeit der Forderungen, des weiteren dürften sie nicht verjährt sein, sie müßten fällig und rechtskräftig klargestellt sein (Gschnitzer, Schuldrecht allgemeiner Teil, S. 125 ff.). Im vorliegenden Fall handle es sich um gegenseitige Forderungen, das heiße, die Gläubiger der Forderungen seien jeweils Schuldner der Gegenforderungen gewesen. Beide Forderungen seien Geldforderungen und somit gleichartig. Ebenso handle es sich bei beiden um gültige Forderungen, die Forderung des Bundes sei zum Aufrechnungszeitpunkt auch nicht verjährt gewesen, denn entgegen der vom Beschwerdeführer im Vorlageantrag vertretenen Auffassung handle es sich bei dieser Forderung nicht um eine in drei Jahren verjährte Forderung für Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des § 1486 Z. 1 ABGB.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, "daß die Bestimmungen des § 215 Abs. 2 BAO auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden seien und andererseits gemäß § 1438 ABGB eine Kompensation der Forderung ohne seine Zustimmung nicht möglich gewesen sei".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdeverfahren ist allein die Frage strittig, ob die Behörde auf Grund des § 1438 f ABGB berechtigt war, die Forderung der Republik an den Beschwerdeführer gegen die Forderung des Beschwerdeführers an den Bund aus dem Abgabenguthaben aufzurechnen. Nach den Beschwerdeausführungen sei die Aufrechnung rechtswidrig erfolgt, "weil einerseits nicht ein Tatbestand der Legalzession vorgelegen" habe, und andererseits der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft nur Gläubiger, nicht aber auch Schuldner des Beschwerdeführers gewesen sei. Es habe daher an den Voraussetzungen des gegenseitigen Zusammentreffens aufrechenbarer Forderungen gefehlt, weshalb durch die Aufrechnungserklärung allein die Rechtsfolgen der Aufrechnung gemäß § 1438 ABGB nicht eintreten hätten können. Es hätte daher das Guthaben des Beschwerdeführers nur mit seiner Zustimmung oder auf Grund einer gerichtlichen oder abgabenbehördlichen Pfändung zur Tilgung der Forderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft herangezogen werden dürfen. Im übrigen stehe auch § 1441 ABGB der Aufrechnung entgegen.
Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand der mangelnden
Gegenseitigkeit ist nicht berechtigt.
§ 1438 ABGB hat folgenden Wortlaut:
"Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem anderen entrichtet werden kann, so entsteht, insoweit die Forderungen sich gegeneinander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Kompensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirkt."
Gemäß § 1441 ABGB kann ein Schuldner seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine Staatskasse zu fordern hat, kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staatskasse leisten muß, nicht abgerechnet werden.
Daß Forderungen gegenseitig zusammentreffen müssen, wird schon im § 1438 ABGB als Voraussetzung der Kompensation erklärt. Diese Voraussetzung wird im § 1441 erster Satz ABGB näher bestimmt. Demnach bedeutet Gegenseitigkeit, daß der Gläubiger eines Schuldners gleichzeitig dessen Schuldner ist und umgekehrt. Schon nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstellen kann grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, daß auch Forderungen des Staates, überhaupt öffentlich-rechtliche Forderungen, durch Aufrechnung getilgt werden können, wenn die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechenbarkeit vorliegen. § 1441 zweiter Satz ABGB, wonach gegen Forderungen des Staates nur insoweit aufgerechnet werden kann, als die Gegenforderung an dieselbe Staatskasse zu leisten ist, stellt eine Ausnahmeregelung dar, die nur zugunsten des Staates besteht und sowohl für öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Forderungen gilt. Grund für die Ausnahmeregelung war nicht die mangelnde Gegenseitigkeit - die einzelnen Kassen besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern sind alle "dem Staat" zugeordnet -, sondern die Vermeidung von Verrechnungsschwierigkeiten. Der Fiskus seinerseits kann mit Gegenforderungen einer anderen Kasse aufrechnen (siehe Rummel, ABGB, Band 2, Rz 21 zu § 1441 ABGB, und die dort angeführte Literatur und Rechtsprechung).
Demnach liegt keine Rechtswidrigkeit darin, daß im vorliegenden Fall Ansprüche des Bundesschatzes gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 1438 ABGB mit dem Abgabenguthaben des Beschwerdeführers bei der Staatskasse aufgerechnet worden sind, weil der Bund in diesem Fall sowohl die Stellung eines Gläubigers als auch eines Schuldners inne hatte.
Darüber, daß im vorliegenden Fall die erforderliche Aufrechnungserklärung durch den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom erfolgte, besteht kein Streit.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich in einem ergänzenden Schriftsatz ausführt, daß die Kompensation auch deshalb unzulässig gewesen sei, weil es sich bei der Forderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft um eine im Zeitpunkt der Kompensationserklärung verjährte Forderung gehandelt habe, so übersieht er, daß diese Forderung Gegenstand eines rechtskräftigen Bescheides ist, und somit eine Judikatschuld vorliegt, für die die Verjährungszeit 30 Jahre beträgt. Ganz abgesehen davon hindert die Verjährung einer Forderung die Kompensation nicht unbedingt (vgl. Schubert in Rummel ABGB II1, Rz 1 Abs. 1 letzter Satz zu § 1451 ABGB).
Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.