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VwGH vom 24.06.2003, 97/14/0060

VwGH vom 24.06.2003, 97/14/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der F W-Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Bernhard Huber, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schillerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , 24/1-6/Km-1997, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung des Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer Prüfung der Aufzeichnungen stellte der Prüfer fest, die im Frühjahr 1994 gegründete, ihren Gewinn in einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März ermittelnde beschwerdeführende GmbH (in der Folge nur: Beschwerdeführerin), habe zunächst keine nach Außen erkennbare wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Im Juli 1994 habe die Beschwerdeführerin Wortmarken und Einrichtungsgegenstände von einer ihr personell und wirtschaftlich nahe stehenden KG um (netto) 3,573.500 S erworben sowie die entsprechende Vorsteuer von 714.700 S geltend gemacht. Die eben erwähnten Wirtschaftsgüter habe die Beschwerdeführerin sogleich wieder an die KG vermietet. Schriftlich fixierte Vereinbarungen über die zwischen der Beschwerdeführerin und der KG abgeschlossenen Rechtsgeschäfte lägen ebenso wenig vor wie Schätzungsgutachten über den Wert der Wirtschaftsgüter. Wahrscheinlich sei der Wert der Wirtschaftsgüter durch die Gesellschafter geschätzt worden. Die zum Ansatz gebrachten Werte seien auch unter Bedachtnahme auf die in den Anlageverzeichnissen der KG ausgewiesenen Beträge so gut wie nicht nachvollziehbar. Zur Begleichung des Kaufpreises habe die Beschwerdeführerin bei der Raika P ein Darlehen von 4,145.400 S aufgenommen, das mittels Pfandrechtes auf einer einem ihrer Gesellschafter gehörenden Liegenschaft besichert worden sei. Der Gesamtbetrag von 4,288.200 S sei sodann auf ein von der KG ebenfalls bei der Raika P geführtes Konto überwiesen worden, wodurch deren gesamte Bankschulden getilgt worden seien. Die KG habe dem Finanzamt im Juli und im Oktober 1994 mitgeteilt, sie sei nicht in der Lage, die Umsatzsteuer zu entrichten. Gegen Ende des Jahres 1994 habe die mittellose KG einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen gestellt, der jedoch mangels Deckung der Kosten des Konkursverfahrens abgewiesen worden sei. Die KG habe die aus der Veräußerung der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter zu entrichtende Umsatzsteuer zwar erklärt, jedoch nicht entrichtet. Der Prüfer vertrat die Ansicht, für den von der Beschwerdeführerin und der KG gewählten Weg gebe es bei der gegebenen personellen und wirtschaftlichen Verflechtung keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund. Zwar könne der Verkauf von Wirtschaftsgütern bei gleichzeitiger Rückmietung derselben, der in der Regel zur Verbesserung der Liquidität des Verkäufers führe, als sinnvolle rechtliche Gestaltung angesehen werden. Der KG und den Gesellschaftern der Beschwerdeführerin seien jedoch keine neuen Mittel zugeführt worden. Vielmehr habe sich an der Gesamtfinanzierung der KG und der Beschwerdeführerin nichts geändert. Sogar die finanzierende Bank sei gleich geblieben. Der einzige wirtschaftliche Effekt habe in der Lukrierung der von der KG der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer bestanden. Diese Umsatzsteuer sei in der Folge von der KG nicht entrichtet worden. Werde der von der Beschwerdeführerin erzielte abgabensparende Effekt weggedacht, erscheine der gewählte Weg nicht mehr sinnvoll, weswegen mit der gewählten Vorgangsweise ein Missbrauch im Sinn des § 22 BAO verwirklicht worden sei, was dem Abzug der entsprechenden Vorsteuer entgegen stehe.

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ prüfungskonforme Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate Juli, August, September und Oktober 1994.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin zunächst ein, dem Prüfer sei ein Rechenfehler unterlaufen, um sodann nach weitwendiger Darstellung der zwischen ihr und der KG abgeschlossenen Rechtsgeschäfte unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zu behaupten, mit dem Erwerb von Wirtschaftsgütern bei gleichzeitiger Vermietung derselben an den Verkäufer werde kein Missbrauch im Sinn des § 22 BAO verwirklicht.

Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme des Prüfers zur Berufung und nahm darüber hinaus selbst Ermittlungen vor, wobei sie die Beschwerdeführerin ua aufforderte darzutun, wie der Kaufpreis für die von der KG erworbenen Wirtschaftsgüter ermittelt worden sei. In Beantwortung dieser Frage teilte die Beschwerdeführerin mit, die Gesellschafter der KG hätten aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung den Wert der Wirtschaftsgüter geschätzt. In der auf diese Ausführungen Bezug nehmenden Stellungnahme stellte der Prüfer die historischen Anschaffungskosten den von der KG für die Wirtschaftsgüter in Rechnung gestellten Kaufpreis gegenüber, wobei er insbesondere darauf hinwies, dass die durch den jahrelangen Gebrauch dieser Wirtschaftsgüter erfolgte Wertminderung nicht berücksichtigt worden sei. Der Prüfer vertrat daher die Ansicht, der in Rechnung gestellte Kaufpreis weiche vom tatsächlichen Wert der veräußerten Wirtschaftsgüter erheblich ab.

Im September 1996 reichte die Beschwerdeführerin die Körperschaft- und Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1995 ein, mit denen wegen des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres der Zeitraum vom bis erfasst wurde. Diesen Erklärungen legte die Beschwerdeführerin die von ihr nach wie vor vertretene Ansicht zugrunde, mit dem zwischen ihr und der KG abgeschlossenen Rechtsgeschäft sei kein Missbrauch im Sinn des § 22 BAO verwirklicht worden, unterließ es jedoch in den Beilagen zu den Erklärungen auf den vom Prüfer bereits festgestellten Sachverhalt geschweige denn darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich dieser Frage bereits ein Berufungsverfahren anhängig sei.

Als "Soforteingabefall" erließ das Finanzamt einen erklärungskonformen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1995.

Die belangte Behörde wies daraufhin die Berufung gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate Juli, August, September und Oktober 1994 mit der Begründung als unzulässig geworden zurück, diese Bescheide seien durch die Erlassung des diese Zeiträume umfassenden Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1995 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1995 unter Hinweis auf § 299 Abs 1 lit c BAO mit der Begründung auf, das Finanzamt hätte vor deren Erlassung ermitteln müssen, ob zumindest ein außersteuerlicher Grund für die zwischen der Beschwerdeführerin und der KG abgeschlossenen Rechtsgeschäfte vorgelegen sei. Das Finanzamt habe somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung anders lautende Bescheide hätten erlassen werden können. Das bei Ausübung der aufsichtsbehördlichen Aufhebung auszuübende Ermessen gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Nichtaufhebung der beiden Bescheide komme im Vergleich zum öffentlichen Interesse an der Aufhebung in Anbetracht des klaren Verstoßes gegen die amtswegige Ermittlungspflicht und der möglichen schwer wiegenden Rechtsunrichtigkeit der Bescheide geringeres Gewicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 299 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl I Nr 97/2002, lautet auszugsweise:

"(1) In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
...
b)
...
c)
wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden."

Die belangte Behörde hat den Tatbestand des § 299 Abs 1 lit c BAO als erfüllt angesehen.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dem Finanzamt sei der ihren Erklärungen zugrunde liegende Sachverhalt und die von ihr vertretene Ansicht aufgrund der Feststellungen des Prüfers und der von ihr erhobenen Berufung sehr wohl bekannt gewesen. Das Finanzamt habe daher keine Veranlassung mehr gehabt, vor Erlassung der beiden Bescheide weitere Ermittlungen vorzunehmen, weswegen es auch keine Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen habe. Wie sich aus den erklärungskonform erlassenen Bescheiden ergebe, habe sich das Finanzamt ihrer Rechtsansicht angeschlossen. Für die Aufhebung der beiden Bescheide nach § 299 Abs 1 lit c BAO sei die Frage, ob das Finanzamt unter Umständen aus dem "pfannenfertig" festgestellten Sachverhalt keine oder unrichtige Folgerungen abgeleitet habe, irrelevant. Die belangte Behörde sei in ihrer Begründung überdies nicht darauf eingegangen, ob die beiden Bescheide inhaltlich rechtswidrig seien.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Richtig ist, dass dem Finanzamt aufgrund der Feststellungen des Prüfers und der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung der ihren Erklärungen zugrunde liegende Sachverhalt bekannt war, weswegen es keiner Ermittlungen mehr bedurft hätte, um so möglicherweise zu anders lautenden Bescheiden kommen zu können. Auch die belangte Behörde ist von keiner Änderung des vom Prüfer festgestellten Sachverhaltes ausgegangen. Daraus ist jedoch für die Beschwerdeführerin im Ergebnis nichts gewonnen. Nach ständiger hg Rechtsprechung erweist sich die aufsichtsbehördliche Aufhebung von Bescheiden auch dann als gerechtfertigt, wenn ein anderer als der von der Aufsichtsbehörde ins Treffen geführte Aufhebungstatbestand erfüllt ist. Denn es kann nicht erkannt werden, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht die Beschwerdeführerin dadurch verletzt worden sein soll, dass der Aufhebungstatbestand statt richtig auf § 299 Abs 1 BAO auf § 299 Abs 2 BAO oder umgekehrt und statt auf die richtige Litera des Abs 1 dieser Gesetzesstelle auf eine andere gestützt worden ist. Ob die Aufsichtsbehörde eine den aufgehobenen Bescheiden anhaftende Rechtswidrigkeit dem Tatbestand des § 299 Abs 1 lit c BAO oder jenem des § 299 Abs 2 leg cit zu unterstellen gehabt hätte, ist für die Beurteilung einer durch einen Bescheid nach § 299 BAO der Beschwerdeführerin widerfahrenen Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte irrelevant (vgl beispielweise das hg Erkenntnis vom , 95/13/0263, mwA).

Gemäß § 22 BAO kann die Abgabepflicht durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes nicht umgangen oder gemindert werden, wobei bei Vorliegen eines Missbrauches die Abgaben so zu erheben sind, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Nach ständiger hg Rechtsprechung wird als solcher Missbrauch eine rechtliche Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist und nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei erfüllt im Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folge des § 22 Abs 2 BAO verbunden ist.

§ 22 BAO ist dabei die Bedeutung beizumessen, dass bei der Subsumtion des konkreten Sachverhaltes unter einen abgabenrechtlichen Tatbestand die Frage einer missbräuchlichen Gestaltung zu prüfen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Tatbestand stärker oder weniger stark an das Zivilrecht anknüpft (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom , 97/14/0042, 97/14/0051, mwA).

Der vom Prüfer festgestellte Sachverhalt wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und findet auch in den vorgelegten Verwaltungsakten Deckung. Wenn der Prüfer und ihm zunächst folgend das Finanzamt zu dem Schluss gelangt ist, mit der von der Beschwerdeführerin gewählten Vorgangsweise ist ein Missbrauch im Sinn des § 22 BAO verwirklicht worden, was dem Abzug einer Vorsteuer von 714.700 S durch die Beschwerdeführerin entgegen steht, kann dies nicht als unrichtig beurteilt angesehen werden. Wie der Prüfer zu Recht ausgeführt hat, kann der Verkauf von Wirtschaftsgütern bei gleichzeitiger Rückmietung derselben, der in der Regel zur Verbesserung der Liquidität des Verkäufers führt, als sinnvolle rechtliche Gestaltung angesehen werden. In dieser Vorgangsweise ist daher noch kein Missbrauch zu erblicken. Im Beschwerdefall ist jedoch zu beachten, dass die Beschwerdeführerin von einem durch die Abgabenbehörde "pfannenfertig" festgestellten Sachverhalt, somit von einem Auseinanderklaffen zwischen Kaufpreis und Wert der veräußerten Wirtschaftsgüter ausgeht. Damit erweist sich die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Ergebnis nicht als rechtswidrig, weil diesem Sachverhaltselement unter dem Gesichtspunkt des § 22 BAO entscheidende Bedeutung zukommt. Wenn zur Abrundung des Bildes noch der Umstand berücksichtigt wird, dass die Gesellschafter der Beschwerdeführerin und die der KG ident und miteinander verwandt bzw verheiratet sind und der Kaufpreis in einer solchen Höhe vereinbart worden ist, dass er zur Tilgung der gesamten Bankschulden der KG ausgereicht hat, erweisen sich der Umsatz- und der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1995 wegen des verwirklichten Missbrauches von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes als inhaltlich rechtswidrig, weswegen die Beschwerdeführerin durch die aufsichtsbehördliche Aufhebung dieser Bescheide in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden ist.

Worin "aufgrund einer anderen rechtlichen Würdigung (und nicht aufgrund weiterer Ermittlungen)" die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen sollte, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargetan.

Den gegen die Ermessensübung der belangten Behörde vorgetragenen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Ermessensübung ausreichend begründet hat. Da die von der auch nunmehr belangten Behörde verfügte Zurückweisung der Berufung gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate Juli, August, September und Oktober 1994 nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, geht die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin behauptete rechtswidrige Ermessensausübung der belangten Behörde ebenso ins Leere, wie die Behauptung, es sei ihr nunmehr mangels eines Umsatzsteuerbescheides für die Monate Juli, August, September und Oktober 1994 jeglicher Rechtsschutz entzogen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am