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VwGH vom 20.02.1996, 92/13/0084

VwGH vom 20.02.1996, 92/13/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl un Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Mag. I in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt i W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. 6/1-1245/90-15, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1986 bis 1988,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Soweit die Beschwerde Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1986 betrifft, wird sie zurückgewiesen und

2. zu Recht erkannt:

Soweit der angefochtene Bescheid Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1987 und 1988 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.500,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die in den Abgabenerklärungen als Berufsbezeichnung Innenarchitekt angab, begehrte in der Berufung gege die - im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung ergangenen - Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1987 und 1988 sowie Einkommen- und Gewerbesteuer 1986 bis 1988, daß ihre Einkünfte (und Umsätze) als solche aus einer künstlerischen Tätigkeit angesehen würden. Das Abschlußdiplom der Beschwerdeführerin vom sei ein Zeugnis einer Kunsthochschule (Akademie für angewandte Kunst - später Hochschule). Die nach Abschluß des Studiums entfaltete Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei Architekt P sei als künstlerisch anzusehen. Di Beschwerdeführerin wolle den Eindruck des Finanzamtes widerlegen, daß sie bloß als nachvollziehende Zeichenhilfe auftrete. Zur Manifestatio der Behauptung, nicht nur nachvollziehende Zeichenarbeiterin im Atelier P gewesen zu sein, verweise sie auf (bestimmt bezeichnete) Publikationen, in denen sie Architekt P als Mitarbeiterin anführe, wa bei einer Hilfskraft nicht der Fall wäre. Zeichnen könne durchaus ein künstlerische Tätigkeit sein. Falls es für die Beurteilung der künstlerischen Tätigkeit erforderlich sei, könne die Beschwerdeführerin anhand von Skizzen und Entwurfsplänen die Entstehung eines Projektes nachweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gege die Bescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1986 bis 1988 gerichtete Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei Absolventin der Hochschule für angewandte Kuns (Meisterklasse Innenarchitektur und Industriebedarf); aus ihrer Tätigkeit als Innenarchitektin habe sie Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt. Die Beschwerdeführerin sei im Streitzeitraum für eine einzigen Auftraggeber tätig gewesen, der ihre Arbeiten als "Zeichenarbeiten" honoriert habe. Er habe regelmäßig die erste Handskizze angefertigt und an die Beschwerdeführerin weitergegeben. I Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung habe der Prüfer die Ansicht vertreten, aus den in Kopie vorgelegten Plänen der Beschwerdeführerin gehe das Überwiegen der handwerklichen (zeichnerischen) Tätigkeit gegenüber der künstlerischen Tätigkeit hervor. Im gegenständlichen Fall sei das abgeschlossene Hochschulstudium der Beschwerdeführerin zwar ein Indiz für die Entfaltung einer künstlerischen Tätigkeit, von ausschlaggebender Bedeutung für die steuerliche Beurteilung sei jedoc der Inhalt der im Streitzeitraum ausgeübten Tätigkeit. Die Beschwerdeführerin sei stets unter der Oberleitung ihres Auftraggeber tätig gewesen. Es sei nämlich im Berufungsverfahren nicht bestritten worden, daß der erste Entwurf (sogenannte Handskizze) vom Auftraggebe der Beschwerdeführerin angefertigt worden sei. Dies bedeute, daß die Projekte in ihren Grundzügen bereits vorgegeben gewesen sei. Für eine eigenschöpferische Tätigkeit im Sinne des Steuerrechtes sei daher überwiegend kein Raum geblieben. Es sei daher davon auszugehen, daß die erbrachten Leistungen zum überwiegenden Teil nicht über das während des Studiums Erlernte bzw. Erlernbare hinausgegangen seien. Aus der namentlichen Nennung der Beschwerdeführerin in den aufgezeigten Publikationen könne auf den Inhalt ihrer Tätigkeit ebensowenig geschlossen werden wie aus den auf den Honorarnoten angebrachten Vermerken "Zeichenarbeiten", wenn auch die belangte Behörde nicht in Zweifel ziehe, daß das Anfertigen von Zeichnungen eine künstlerische Tätigkeit sein könne, falls eine eigenschöpferisch Leistung hervorgebracht würde. Hinsichtlich des Inhaltes der Pläne vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß diese weder ein ausgeprägt eigenschöpferisches Element enthielten, noch in ihrem Anspruchsniveau der Tätigkeit eines Ziviltechnikers vergleichbar seien. Im übrigen sei im Außenverhältnis lediglich der Auftraggeber der Beschwerdeführerin aufgetreten, sodaß nur dieser für Mängel hafte dieser Umstand sei ein weiteres Indiz gegen das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit, weil diese stets ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit beinhalten würde.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Hinsichtlich Einkommensteuer 1986 (zu versteuerndes Einkommen S 28.071) und Gewerbesteuer 1986 wurde durch den angefochtenen Bescheid im Instanzenzug jeweils eine Steuer von "0,00 S" festgesetzt Hinsichtlich Umsatzsteuer 1986 hatte das Finanzamt mit Bescheid vom ausgesprochen, daß die Umsatzsteuer gemäß § 21 Abs. 7 UStG 1972 nicht festgesetzt werde. Im Anschluß an die abgabenbehördliche Prüfung ist ein Bescheid betreffend Umsatzsteuer 1986 nicht ergangen, sodaß die Berufung vom (hinsichtlich Umsatzsteuer 1986) nicht abzuweisen, sondern zurückzuweisen gewesen wäre. Im Rahmen des Beschwerdepunktes (Verletzung im Recht, bei der Besteuerung die Einkünfte und Umsätze als solche aus einer künstlerischen Tätigkeit anzusehen), kann die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der genannten Abgaben sohin nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, sodaß die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 letzter Fall und Abs. 3 VwGG - durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen war.

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit unter anderem Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG 1972 ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf die Hälfte des Normalsteuersatzes für die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler.

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Rechtsprechung ist für die Beurteilung, ob die in der Herstellung eines Gegenstandes bestehende Tätigkeit eines künstlerische ist, ausschließlich die Art und Weise der Gestaltung des Gegenstandes maßgebend. Erfolgt diese nach Gestaltungsprinzipien, die für ein umfassendes Kunstfach wie beispielsweise Malerei, Bildhauerei oder Architektur charakteristisch sind, dann ist eine derartige Tätigkeit als die eines Künstlers anzusehen. Gleiches gilt für eine Tätigkeit, die in der Gestaltung de hergestellten Gegenstandes den Gestaltungsprinzipien im umfassenden Kunstfach deswegen gleichzustellen ist, weil sie eine vergleichbar weitreichende künstlerische Ausbildung und Begabung erfordert (vgl. für viele hg. Erkenntnis vom , 91/13/0112). Das Vorliegen dieser Sachverhaltselemente hat die Behörde in einem Akt de Beweiswürdigung zu beurteilen. Diese Beweiswürdigung hat in der Beurteilung der Werkgestaltung eines repräsentativen Querschnitt der Arbeiten zu bestehen, welche die steuerlich relevante Tätigkeit bildeten (vgl. hg. Erkenntnis vom , 91/13/0231).

Eine künstlerische Tätigkeit setzt künstlerische Befähigung voraus. Wenn ein Steuerpflichtiger seine Tätigkeit aufgrund einer abgeschlossenen vollwertigen künstlerischen Hochschulausbildung ausübt, wird grundsätzlich ohne weitere Prüfung vom Vorliegen der künstlerischen Befähigung auszugehen sein (vgl. Hofstätter/Reichel, § 22 EStG 1988 Tz. 18 und 19). Diese Befähigung hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht in Zweifel gezogen. Entgegen der in der Beschwerde vorgebrachten Rechtsansicht der Beschwerdeführerin folgt aus der künstlerischen Befähigung aber nicht daß der künstlerische Wert einer Leistung aus diesem Grund nicht mehr im einzelnen nachzuprüfen wäre. Nicht jede beruflich entfaltete Tätigkeit einer Person, deren Künstlereigenschaft außer Zweifel steht muß nämlich künstlerisch sein.

Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin aber die mangelnden Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde. Der angefochtene Bescheid läßt nicht erkennen, von welchen konkreten Tätigkeiten der Beschwerdeführerin die belangte Behörde ausgegangen ist. Dies macht die Nachprüfung des Bescheides auf inhaltliche Gesetzmäßigkeit unmöglich, sodaß eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt. Die belangte Behörde hat eine nähere Auseinandersetzung mit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin offensichtlich deshalb unterlassen, weil sie davon ausging, der erste Entwurf eines Projektes sei jeweils vom Auftraggeber der Beschwerdeführerin angefertigt worden. Zu Unrecht vertritt die belangte Behörde die Auffassung, die Vorgabe einer Handskizze durch den Auftraggeber lasse keinesfalls für die eigenschöpferische Tätigkeit des Auftragnehmers Raum. So wie die Ergänzung eines durch den Künstler unvollendet gebliebenen Werkes durch einen anderen Künstler ein eigenschöpferisches Kunstwerk sein kann, oder die Ergänzung eines nachträglich unvollständig gewordenen und nicht mehr vollständig rekonstruierbaren Kunstwerkes durch einen Restaurator seinerseits ein Kunstwerk darstellen kann (vgl. hg. Erkenntnis vom , 91/14/0204), ist es auch nicht von vorneherein auszuschließen, daß die Ausführung eines groben ersten Entwurfes für sich eine eigenschöpferische, künstlerische Leistung darstellt. In welcher Weise der erste Entwurf konkrete Vorgaben beinhaltet hat bzw. in welchem Ausmaß der Beschwerdeführerin ein Gestaltungsspielraum überlassen war, ist dem angefochtenen Bescheid auch nicht andeutungsweise zu entnehmen. Da somit der festgestellte Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf eine unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde zurückzuführen ist, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Es liegt auf der Hand, daß die Ausführungen des angefochtenen Bescheides zur Frage der Haftung für Mängel der Arbeiten der Beschwerdeführerin diesen Bescheid nicht zu tragen vermögen. Die Frage, wer gegenüber den Kunden eines Auftraggebers haftet, kann für die Beurteilung, ob die Tätigkeit des Auftragnehmers künstlerisch ist nicht von Relevanz sein.

Der angefochtene Bescheid war sohin, soweit er Umsatz-, Einkommen und Gewerbesteuer 1987 und 1988 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.