VwGH vom 25.02.1998, 97/14/0043
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des GW in S, vertreten durch Dr. Bernhard Huber und Mag. Eva Huber-Stockinger, Rechtsanwälte in Linz, Schillerstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 11/26/1-BK/Ai-1995, betreffend u.a. Einkommensteuer für die Jahre 1990 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde u. a. die Einkommensteuer für die Jahre 1990 bis 1992 festgesetzt. Dabei wurde dem Begehren des Beschwerdeführers, der in den Streitjahren in Rohr im Kremstal gewohnt hat, im Hinblick auf das Jusstudium seiner (im Jahr 1969 geborenen) Tochter an der Universität Linz eine außergewöhnliche Belastung in der Höhe des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu berücksichtigen, nicht entsprochen. Die belangte Behörde führte dazu begründend aus, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnort und Studienort sei bei Studenten § 13 Abs. 4 Studienförderungsgesetz 1983 zu berücksichtigen. In der zu dieser Gesetzesstelle ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 605/1993 sei der Wohnort des Beschwerdeführers in den Streitjahren ausdrücklich als eine Gemeinde angeführt worden, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Linz zeitlich noch zumutbar sei. Es bestehe kein Grund zur Annahme, daß der Gesetzgeber beim Studienförderungsgesetz 1983 andere Maßstäbe an die Zumutbarkeit der Fahrzeit von Studenten lege als beim EStG 1988. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0102, sei die Auffassung vertreten worden, die Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Linz sei zumutbar, wenn die Universitätsstadt innerhalb von nur 35 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei. Im vorliegenden Fall sei die Universitätsstadt (Linz) nach den Angaben des Beschwerdeführers mit einem Zeitaufwand zwischen 25 und 35 Minuten zu erreichen. Es sei auch nicht behauptet worden, daß es der Tochter des Beschwerdeführers nicht möglich sei, auch bei späteren Lehrveranstaltungen noch ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen (letzter Zug 22,17 Uhr nach den Angaben des Beschwerdeführers). Gerade bei Studenten könne der Wartezeit keine allzu große Bedeutung beigemessen werden, weil diese Zeit auch auf der Universität sinnvoll überbrückt werden könne (Literaturstudium, Bibliothek) und selbst die Straßenbahn- und Zugfahrt für Studienzwecke genützt werden könne, zumal gerade in den späten Abendstunden (nach den Angaben des Beschwerdeführers erfolge die Rückfahrt am Dienstag nach 20 Uhr) diese Verkehrsmittel nicht überfüllt seien. Bei der Beurteilung des Einzugsbereiches seien das Alter und die zur Verfügung stehende Verkehrsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Besondere Umstände, aufgrund welcher die tägliche Rückkehr vom Studienort an den Wohnort nicht möglich gewesen sein sollte, seien nicht behauptet worden.
Gegen diesen Bescheid im genannten Umfang richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von S 1.500,-- pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Zunächst ist festzuhalten, daß die im angefochtenen Bescheid erwähnte Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes BGBl. Nr. 624/1995 im Beschwerdefall nicht anzuwenden war, weil sie ihrem § 4 zufolge erst für Zeiträume ab anzuwenden ist.
Unter dem im § 34 Abs. 8 EStG 1988 genannten "Einzugsbereich des Wohnortes" ist der Nahebereich des Wohnortes zu verstehen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0131, 0132), innerhalb dessen die tägliche Hin- und Rückfahrt von und zum Studienort mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter Berücksichtigung der dafür aufzuwendenden Zeit zumutbar ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 6.918/F). Im Erkenntnis vom , 93/14/0102, hat der Verwaltungsgerichtshof eine tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Linz aufgrund der Erreichbarkeit mit der Bahn (Fahrstrecke 45 km) innerhalb von 35 Minuten als zumutbar bezeichnet. Im oben zitierten Erkenntnis vom wurde dies auch im Falle eines Medizinstudenten angenommen, der täglich von Wiener Neustadt nach Wien zu fahren hatte (Bahnstrecke rund 50 km, Fahrdauer 50 Minuten). Vergleicht man diese Fälle mit dem hier zu entscheidenden Beschwerdefall, ist die Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort auch im vorliegenden Fall zu bejahen. Nach der Aktenlage (insbesondere nach den nicht konkret bekämpften Sachverhaltsfeststellungen in der Berufungsvorentscheidung vom ) ist davon auszugehen, daß die Fahrstrecke zwischen Rohr im Kremstal und Linz nur 28 km beträgt und daß zwischen diesen Orten täglich sowohl hin als auch zurück mehr als 30 Züge verkehrten, die für die Fahrstrecke zwischen 19 und 35 Minuten benötigten. Zwischen dem Hauptbahnhof in Linz und der Universität bestand eine Straßenbahn- und Busverbindung zur Universität Linz, wobei die Fahrzeit mit der Straßenbahn ca. 30 Minuten betrug. Der Bahnhof in Rohr im Kremstal war von der Wohnadresse des Beschwerdeführers in 5 Minuten zu Fuß erreichbar.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf die oben genannte Verordnung des Bundesministers für Finanzen stützt, ist er darauf hinzuweisen, daß diese Verordnung - wie oben dargelegt wurde - im Beschwerdefall nicht anwendbar ist. Selbst wenn sie anwendbar gewesen wäre, wäre für ihn nichts gewonnen, weil gemäß § 2 Abs. 2 dieser Verordnung Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen gelten, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist. Dies trifft nach § 5 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung BGBl. Nr. 605/1993 (und auch nach § 5 der in den Streitjahren geltenden Verordnung BGBl. Nr. 429/1985) für den damaligen Wohnort des Beschwerdeführers zu.
Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer nicht nur die Fahrzeiten sondern auch die Zeit für den Fußweg zwischen Wohnung und Bahnhof in Rohr im Kremstal und eine geringe Wartezeit (in Rohr betreffend das Eintreffen des Zuges und in Linz betreffend die Abfahrt der Straßenbahn) in die Überlegungen miteinbezieht, ergibt sich eine gesamte Wegzeit von knapp mehr als einer Stunde. Mit seiner Behauptung, lange Wartezeiten hätten sich in erster Linie deshalb ergeben, weil infolge der nicht genau abschätzbaren Fahrzeiten der Straßenbahn von der Universität zum Hauptbahnhof in Linz der Zug nach Rohr nicht mehr habe erreicht werden können, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Es entspricht nämlich den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß der Zeitaufwand für die Fahrt zum Bahnhof mit einem öffentlichen Verkehrsmittel soweit abgeschätzt werden kann, daß nur ein geringer Zeitraum als Sicherheitsabstand berücksichtigt werden muß, um das Erreichen des Zuges vor der Abfahrt im Regelfall zu gewährleisten. Wenn dies aufgrund besonderer Umstände gelegentlich nicht gelingt, stellt dies keinen Grund dar, bei der Berechnung der täglichen Wegzeit von vornherein überlange Wartezeiten zu berücksichtigen.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, bereits aufgrund der Fahrplanzeiten ergebe sich eine Fahrzeit von über einer Stunde, ist - jedenfalls in Ansehung der für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgebenden günstigsten Verkehrsverbindungen - nicht nachvollziehbar. Seinem Vorbringen, es hätten im Hinblick auf die unterschiedlichsten Anfangs- und Endzeiten der Vorlesungen, Übungen und Repetitorien nicht immer die günstigsten Zugsverbindungen gewählt werden können, ist mangels konkreter Behauptungen nicht zu entnehmen, daß aus diesen Gründen in zahlreichen Fällen überlange Fahrzeiten erforderlich gewesen wären. Im übrigen ist es für einen Studenten der Rechtswissenschaften zweckmäßig und häufig auch notwendig, die Einrichtungen der Bibliothek in Anspruch zu nehmen, sodaß schon aus diesem Grund die Anwesenheit in der Universität vor Beginn und nach dem Ende der Lehrveranstaltungen nicht mit Wartezeiten gleichgesetzt werden kann.
Auch wenn mangels Anwendbarkeit der oben genannten Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Verordnungen des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten BGBl. Nr. 429/1985 und BGBl. Nr. 605/1993 für die hier zu entscheidende Frage noch nicht herangezogen werden können, sei doch darauf hingewiesen, daß nach § 5 der in den Streitjahren geltenden Verordnung BGBl. Nr. 429/1985 die tägliche Hin- und Rückfahrt von und zum Studienort Linz von der Gemeinde Rohr im Kremstal aus zumutbar war, sodaß es schon besonderer Umstände - allenfalls im Hinblick auf die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vom Wohnort des Beschwerdeführers aus - bedurft hätte, trotz der § 13 Abs. 4 Studienförderungsgesetz 1983 in Verbindung mit § 5 der Verordnung BGBl. Nr. 429/1985 zugrunde liegenden Wertung bei Beurteilung der Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 vorliegt, die Unzumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort und damit die Außergewöhnlichkeit der Belastung annehmen zu können.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.