VwGH vom 22.03.1995, 92/13/0055
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Mag. art. R in W, vertreten durch H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , Zl. 6/3-3205/91-09, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin studierte in der Zeit von 1973 bis 1978 an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Meisterschule für Restaurierung und Konservierung) und erwarb nach Ablegung der Diplomprüfung den Grad eines "akademischen Restaurators". Als solcher ist sie seither tätig.
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob die von der Beschwerdeführerin als Restauratorin im Jahr 1989 erzielten Einkünfte solche aus künstlerischer Tätigkeit oder solche aus Gewerbebetrieb sind.
Während die Beschwerdeführerin sowohl auf ihre Ausbildung als Künstler, als auch auf die von ihr tatsächlich ausgeübte und ihrer Ansicht nach als künstlerisch zu wertende Tätigkeit hinweist, vertritt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin zwar die Ausbildung und auch die Befähigung zum Künstler besitze, daß sie aber als Restauratorin keine eigenschöpferischen Kunstwerke schaffe. Dies habe zur Folge, daß ihre Tätigkeit nicht als künstlerisch, sondern als gewerblich zu qualifizieren sei.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid als erwiesen angenommen, daß aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung (insbesondere Freilegung und Restaurierung der teilweise übermalten Renaissance-Malerei in Schloß Ambras, denkmalpflegerische Betreuung und Oberaufsicht der Restaurierarbeiten in der Kartause Gaming sowie Restaurierung der dortigen Fresken des Wenzel Lorenz Reiner) zu erkennen sei, "daß nicht die Bereiche Reinigen und Konservieren den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden, sondern vielmehr die Nachgestaltung der Werke, wobei der Schöpfungsakt des Künstlers nachzuvollziehen ist bzw. eine Vielzahl von Entscheidungen ästhetischer und künstlerischer Natur zu treffen sind".
Damit ist der Beschwerdefall vergleichbar jenem, den der Gerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, 92/13/0005 entschieden hat. In diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Tätigkeit, der ein Kunstwerk seine Existenz verdankt, dergestalt zeitlich hintereinander erfolgen kann, daß ein zunächst von einem Künstler geschaffenes Kunstwerk in der Folge teilweise oder weitgehend zerstört wird und von einem anderen Künstler wiederum geschaffen wird. Die Rechtsansicht der im zitierten Beschwerdefall belangten Behörde, daß "in der Nachgestaltung der Werke" keine künstlerische Tätigkeit zu erblicken sei, hat der Gerichtshof ausdrücklich als unrichtig erkannt.
Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde auch im Beschwerdefall den Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt bzw. nicht schlüssig begründet, warum der Tätigkeit der Beschwerdeführerin die Qualifikation als künstlerisch abzuerkennen gewesen sei. Der einzige Satz, mit dem sich die belangte Behörde konkret mit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin befaßt, lautet:
"Daß diese (gemeint ist eine neue eigenschöpferische Gestaltung) beim überwiegenden Teil der von der Beschwerdeführerin ausgeführten Tätigkeiten zutrifft, geht aus den Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht hervor."
Wie bereits gesagt, hängt die Beurteilung der Tätigkeit eines Restaurators als künstlerisch in besonderer Weise davon ab, in welchem Zustand sich das Kunstwerk vor und nach seiner Restaurierung befunden hat. Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin zu diesem Beweisthema weder befragt, obwohl sie ihre Einvernahme ausdrücklich angeboten hat, noch den beantragten Beweis durch Lokalaugenschein aufgenommen. Es trifft nicht zu, daß dem Berufungsvorbringen keine Anhaltspunkte für eine "Nachgestaltung der Werke" durch die Beschwerdeführerin entnommen werden könnten. So hat z.B. die Beschwerdeführerin auf Seite 10 des Berufungsschriftsatzes ausgeführt:
"Ich arbeite seit einigen Jahren ... an der Restaurierung dieser Wandmalereien. Die Wandmalereien waren teilweise übermalt. Ich habe unter anderem die Aufgabe, nach Abnahme der Übermalungen unter Anwendung künstlerischer Gesichtspunkte die Renaissance-Malerei so wiederherzustellen, daß sie dem ursprünglichen Erscheinungsbild nahe kommt."
Eine derartige Tätigkeitsbeschreibung bietet ausreichende Ansatzpunkte, um auf ein künstlerisches Schaffen schließen zu können. War der belangten Behörde diese Aussage dennoch zuwenig informativ und vermißte sie noch weitere Detailangaben, so wäre es an ihr gelegen gewesen, auf dem Boden der vom Gerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen näher zu erforschen (§ 115 BAO).
Da sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Schriftsätze und Beilagen zu entrichten waren, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten.