VwGH vom 26.07.2000, 97/14/0040

VwGH vom 26.07.2000, 97/14/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der Ö D AG in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. RV 26/1-7/94, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine auf dem Gebiet der Stromerzeugung tätige Aktiengesellschaft. Anlässlich einer für den Zeitraum bis durchgeführten Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Beschwerdeführerin ihren Dienstnehmern durch die Abgabe von Treibstoffen an betriebseigenen Tankstellen zu jeweils unter den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes liegenden Preisen geldwerte Vorteile im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zugewendet habe. Davon sei weder Lohnsteuer noch der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) entrichtet worden. Aus dieser Feststellung im Lohnsteuerprüfungsbericht vom ergab sich eine Nachforderung an Lohnsteuer in Höhe von S 1,796.568,-- und an DB in Höhe von S 191.206,--, welche das Finanzamt mit einem Haftungs- und Zahlungsbescheid zur Abstattung vorschrieb.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Die Abgabe des verbilligten Treibstoffes stelle nur eine "Annehmlichkeit" dar. Sachbezüge seien immer nur insoweit steuerpflichtiger Arbeitslohn, als sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung als eine Entlohnung für die geleistete Arbeit angesehen werden könnten. Sachleistungen geringen Umfanges würden in den beteiligten Kreisen vielfach nicht als geldwerter Vorteil und damit als Arbeitsentgelt angesehen, sondern als Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsfreude und damit als bloße Annehmlichkeiten, denen kein Geldwert beigemessen werde. Vom deutschen Bundesfinanzhof würde demnach auch der so genannte Personalrabatt innerhalb bestimmter Grenzen als nicht steuerbare Annehmlichkeit gewertet. Im Beschwerdefall lägen die Voraussetzungen für die Annahme bloßer Annehmlichkeiten vor, nämlich das Eigeninteresse des Arbeitgebers an der Vorteilsgewährung (Verbesserung der Einkaufskonditionen durch höhere Abnahmemengen, Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, kein Unterschreiten der Selbstkosten des Arbeitgebers, Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vorteils durch alle Dienstnehmer). Diese Aspekte hätten die Abgabenbehörde im Rahmen der zuvor stattgefundenen Lohnsteuerprüfung veranlasst, von einer Versteuerung dieser Vorteile Abstand zu nehmen. Wenn nun die Abgabenbehörde von der früher zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht abweiche, liege eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor. Das Verhalten des früheren Lohnsteuerprüfers habe eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass die verbilligte Treibstoffabgabe nicht steuerbar sei. Darauf habe die Beschwerdeführerin vertraut und ihre Dispositionen danach eingerichtet. Da der Begriff der "Annehmlichkeit" gesetzlich nicht eindeutig definiert sei, bestehe ein gewisser Auslegungsspielraum, der einen Anwendungsbereich biete, um dem Grundsatz von Treu und Glauben zum Durchbruch zu verhelfen.

Die von der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt, es liege eine Verletzung von Treu und Glauben vor, herangezogene Feststellung im Prüfungsbericht vom (Prüfungszeitraum 1983 bis 1985) hat folgenden Wortlaut:

"Punkt 13: Vergünstigte Abgabe von Treibstoffen ... Dienstnehmer erhalten bei der werkseigenen Tankstelle an

bestimmten Tagen dreimal wöchentlich Treibstoffe zu einem Preis, welcher bis zu ca. S 1,-- pro Liter vom Abgabepreis bei öffentlichen Tankstellen abweicht. So betrug zum Beispiel die an Arbeitnehmer abgegebene Treibstoffmenge im Jahr 1993 ca. 643.000 l, was in etwa 60 % der gesamt verbrauchten Treibstoffmenge entspricht. Die Ersparnis der Dienstnehmer lag somit eindeutig unter der von der Finanzlandesdirektion festgelegten Annehmlichkeitsnorm, wodurch ein sonstiger Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht erblickbar war."

In der Folge hielt das Finanzamt einem informierten Vertreter der Beschwerdeführerin die angeführte Textstelle vor und ersuchte um Erläuterung, welche "Norm" der damalige Lohnsteuerprüfer - aus Sicht der Beschwerdeführerin - gemeint und wie die Beschwerdeführerin ein eventuelles Überschreiten dieser "Norm" bei den einzelnen Dienstnehmern kontrolliert habe. Laut Niederschrift vom nahm die Auskunftsperson dazu wie folgt Stellung:

"Eine Kontrolle der Summe der Annehmlichkeiten je Dienstnehmer erfolgte in der Vergangenheit nicht und auch derzeit nicht. Welche Norm der letzte Prüfer genau gemeint hat, wissen wir nicht. Jedoch wurde angenommen, dass die S 2.550,-- gemeint sind, die im Rahmen von Betriebsveranstaltungen steuerfrei gewährt werden können. Die Summe der Annehmlichkeiten im Betrieb übersteigt inklusive Billigbenzin meiner Meinung nach im Durchschnitt nicht diese Grenze."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Punkt der verbilligten Treibstoffabgabe an Dienstnehmer keine Folge. Die Beschwerdeführerin habe im Streitzeitraum in ihren betriebseigenen Tankstellen Treibstoffe an Dienstnehmer abgegeben und zwar zu einem Preis, der unter den durchschnittlichen Abgabepreisen an den (Selbstbedienungs-)Tankstellen des Verbraucherortes gelegen sei. Fest stehe, dass die Abgabe von Treibstoffen keinesfalls zum Bestandteil der eigentlichen Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin zähle und folglich die den Dienstnehmern zuteil gewordenen Preisvorteile nicht auch anderen Personen, insbesondere Groß- und Dauerkunden gewährt worden seien. Weiters unterliege es keinem Zweifel, dass der geldwerte Vorteil in Form der Abgabe von verbilligten Treibstoffen den Dienstnehmern deshalb zugute gekommen sei, weil sie in einem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin gestanden seien. Der Berufungseinwand, an den betriebseigenen Tankstellen würden im Gegensatz zu anderen Tankstellen keinerlei zusätzliche entgeltfreie Nebenleistungen (z.B. Ölkontrolle, Überprüfung diverser Funktionen am Fahrzeug) erbracht, ändere an den entstandenen geldwerten Vorteilen nichts. Ohne Belang sei auch, dass für die Dienstnehmer nur eine örtlich und zeitlich beschränkte Bezugsmöglichkeit für die Betankung ihrer Fahrzeuge zur Verfügung gestanden sei, was mit Nachteilen bzw. Unannehmlichkeiten für die Dienstnehmer verbunden gewesen sein mag. Werde doch der (zu versteuernde) geldwerte Vorteil allein durch den Vergleich der tatsächlich verrechneten Treibstoffpreise mit den üblichen Mittelpreisen des Verbraucherortes gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1972 ermittelt. Ob die Beschwerdeführerin aus der verbilligten Treibstoffabgabe gleichfalls einen Vorteil habe ziehen können, ändere an der vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung nichts. Eine nach der Verwaltungspraxis nicht zu besteuernde Annehmlichkeit, z.B. in Form von Preisvorteilen, liege nur dann vor, wenn der Vorteil auch anderen nicht beim Arbeitgeber beschäftigten Personen gewährt werde. Bei der laufenden Abgabe von verbilligten Treibstoffen an die Dienstnehmer könne keine Rede davon sein, es handle sich um bloße nicht steuerbare Annehmlichkeiten. Auch liege kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Der Umstand, dass eine abgabenbehördliche Prüfung Vorgangsweisen der Partei nicht beanstandet habe, hindere die Behörde nicht, diese Vorgangsweise für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen. Das Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG sei jedenfalls stärker als der von der Beschwerdeführerin herangezogene Grundsatz von Treu und Glauben. Die Beschwerdeführerin könne auch keine besonderen Umstände darlegen, welche ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen ließen. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin niemals eine entsprechende Anfrage an das Finanzamt gerichtet und daher unstrittig auch keine Auskunft im Sinne des § 90 EStG 1972 erhalten.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben verletzt. Die Verwaltungspraxis habe anerkannt, dass bloße "Annehmlichkeiten" nicht in die Besteuerungsgrundlage für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit einzubeziehen seien. Bei dem Begriff der "Annehmlichkeit" handle es sich um einen unbestimmten, somit der Auslegung zugänglichen, Begriff. Die Beschwerdeführerin habe diesen Begriff im Sinne der von der früheren Lohnsteuerprüfung vorgenommenen Beurteilung ausgelegt. Auf Grund der Feststellung im letzten Prüfungsbericht sei eine konkrete Zuordnung von individuellen Vorteilen an die einzelnen Arbeitnehmer, welche die Leistung in Anspruch genommen hätten, nicht möglich, sodass schon daran in der Regel die Durchsetzung eines Regressanspruches scheitern werde. Ob die Beschwerdeführerin ihr Verhalten einer Auskunft nach § 90 EStG oder einer Feststellung der Lohnsteuerprüfung entsprechend eingerichtet habe, könne für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben dem Grunde nach keine Bedeutung besitzen. Eine derartige Feststellung mache nämlich im Allgemeinen eine Auskunftseinholung nach § 90 leg. cit. überflüssig. Beide Umstände würden aus der Sicht des Steuerpflichtigen dieselbe Vertrauenslage schaffen.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst darauf zu verweisen, dass der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Prüfungsbericht vom stammt und daher hinsichtlich des Zeitraumes - von vornherein nicht geeignet war, eine Vertrauensgrundlage zu schaffen. Eine Bindung der Abgabenbehörden an die im Lohnsteuerprüfungsbericht geäußerte Rechtsansicht konnte unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben somit allenfalls nur für die nachfolgenden Zeiträume eintreten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt ein Verstoss der Abgabenbehörde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben einerseits voraus, dass ein (unrechtes) Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraut hat, eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck gekommen ist, und andererseits, dass der Abgabepflichtige seine Dispositionen danach eingerichtet und er nur als Folge hievon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten hat. Es kann somit eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben bedeuten, wenn der Steuerpflichtige sein steuerliches Verhalten einer gemäß § 90 EStG eingeholten Auskunft des Finanzamtes entsprechend eingerichtet hat und dann gerade das der Auskunft entsprechende steuerliche Verhalten zu einer Steuernachforderung führen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0037, mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall aus folgenden Gründen nicht zu:

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, eine Auskunft im Sinne des § 90 EStG eingeholt zu haben. Sie sieht jedoch in der eingangs wörtlich wiedergegebenen Prüferfeststellung einen Sachverhalt, der einer Auskunftserteilung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle gleichzuhalten sei bzw. von vornherein die Einholung einer Auskunft entbehrlich gemacht habe.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0095) kann eine bei der abgabenbehördlichen Prüfung für Vorjahre vorgenommene verfehlte Beurteilung, die sich zugunsten des Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, bei diesem die Hoffnung wecken, die Abgabenbehörde werde diese Beurteilung auch in den Folgejahren beibehalten, sie schafft aber kein schutzwürdiges Vertrauen, die Behörde werde diese Beurteilung, auch wenn sie sich als unrichtig herausgestellt habe, auch für die Folgezeiträume beibehalten. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass der Beschwerdefall insofern eine Besonderheit aufweist, als der Prüfer - ob die Beschwerdeführerin auf eine Befugnis des Prüfers zur Abgabe von die Finanzbehörde bindenden Erklärungen vertrauen durfte, kann dahinstehen - es nicht mit einem "Nichtaufgreifen eines Sachverhaltes" bewenden ließ, sondern seine rechtliche Beurteilung, es liege keine Steuerpflicht vor, ausdrücklich (schriftlich) festgehalten hat. In diesem Zusammenhang erlangt der von der Beschwerdeführerin dieser Feststellung zugeschriebene Erklärungsinhalt Bedeutung. Danach war der Beschwerdeführerin (vgl. die Niederschrift vom ) selbst unklar, auf welche "von der Finanzlandesdirektion festgelegte Annehmlichkeitsnorm" der Prüfer seine Rechtsansicht gestützt hat. Unter diesem Gesichtspunkt kann aber nicht mehr davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin habe keine Veranlassung gehabt, eine (ergänzende bzw. klarstellende) Auskunft einzuholen. Dies umso mehr als der Prüfer offensichtlich von einem bestimmten Grenzwert ausging, bis zu dem eine steuerliche Unbeachtlichkeit gegeben sein sollte und dessen Kenntnis überhaupt erst die zukünftige Beurteilung erlaubt hätte.

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Schutzwürdigkeit weiters darauf, infolge fehlender Aufzeichnungen über die Abnehmer des verbilligten Treibstoffes die Abgabenbelastung - obwohl nur Haftender - faktisch endgültig tragen zu müssen. Dem ist zunächst zu erwidern, dass sie die Führung von Aufzeichnungen nicht etwa im Gefolge der Prüferfeststellung vom unterlassen hat, sondern derartige Aufzeichnungen auch schon vorher nicht geführt hat und jedenfalls bis zur Aufnahme der Niederschrift am weiterhin nicht geführt hat. Daraus ergibt sich aber, dass der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte "Nachteil" (faktisch fehlende Rückgriffsmöglichkeit auf die Arbeitnehmer und keine Überwälzbarkeit der Lohnnebenkosten auf die Produktpreise) in gleicher Weise - nur für einen früheren Zeitraum - eingetreten wäre, wenn bereits die für die Jahre 1983 bis 1985 abgehaltene Lohnsteuerprüfung die Nachversteuerung der strittigen Arbeitnehmervorteile durchgeführt hätte, betont die Beschwerdeführerin doch, dass sich an der Höhe der "Annehmlichkeiten" für die Arbeitnehmer in den beiden Prüfungszeiträumen keine wesentlichen Änderungen ergeben haben.

Da die belangte Behörde demnach zu Recht zur Feststellung gelangt ist, dass die Aussage im Lohnsteuerprüfungsbericht des Jahres 1987 nicht geeignet war, für die Beschwerdeführerin eine Vertrauensgrundlage zu schaffen, ist die Beschwerdeführerin nicht dadurch in ihrem Recht verletzt, dass die belangte Behörde innerhalb eines ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Vollzugsspielraumes nicht von einer Nachforderung an Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag abgesehen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am