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VwGH vom 13.10.1993, 92/13/0054

VwGH vom 13.10.1993, 92/13/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der Volksschulgemeinde Wieselburg, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom , GZ. 6/2-2156/89-05, 6/22024/90-05, 6/2-2307/90-08, betreffend Umsatzsteuer 1979 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Volksschulgemeinde (kurz: Beschwerdeführerin) ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie errichtete in den Jahren 1977 bis 1979 aus ihren Mitteln mit Zustimmung der Hauptschulgemeinde Wieselburg (kurz: Hauptschulgemeinde) auf dem Nachbargrundstück, auf dem sich das Hauptschulgebäude befindet, eine Turnhalle, die nur selten von den Volksschülern, die zumeist im Turnsaal der Hauptschule turnten, benutzt wurde. Die Beschwerdeführerin überließ die entgeltliche Benützung ihrer Turnhalle hauptsächlich den Hauptschülern sowie Vereinen, privaten Personen und Mittelschülern.

Mit der Berufungsentscheidung vom , GZ. 6/22365/4/1985, versagte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Unternehmereigenschaft mit der Begründung, eine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gemäß S 2 Abs. 3 UStG 1972 liege hinsichtlich der Volksschulturnhalle nicht vor, weil die Beschwerdeführerin nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstückes oder eines Teiles hievon sei. Insbesondere habe kein Superädifikat bestanden, weil weder ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht vereinbart wurde, noch aus der Bauweise der Turnhalle hervorgehe, sie werde nicht auf Dauer auf diesem Grund bleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Berufungsentscheidung mit Erkenntnis vom , 89/15/0023, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. In diesem Erkenntnis, dem auch näheres zum Sachverhalt zu entnehmen ist, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die mangelnde Verfügungsberechtigung eines Bestandgebers an der Sache auf den Bestand des Vertrages inter partes keinen Einfluß habe. Ob eine "Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken" gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1972 vorliege, sei nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen; auf die (sachenrechtliche) Verfügungsberechtigung komme es nicht an.

Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren den nunmehr angefochtenen Bescheid, in dem auch über die Berufungen zur Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1988 abgesprochen wurde. Die Berufungsbehörde qualifizierte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Vermietung der Turnhalle an private Personen, Vereine und die Mittelschule als Unternehmer, weil eine Vermietung von Grundstücken gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1972 vorliege. Die Beschwerdeführerin sei diesbezüglich gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 zum Abzug der Vorsteuer aus den ErrichtungsBetriebskosten berechtigt. Die Vermietung der Turnhalle an die Hauptschulgemeinde sei hingegen als Mißbrauch von Formen und,Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gemäß ß 22 BAO zu werten. Die auf einem im Eigentum der Hauptschulgemeinde

stehenden Grundstück errichtete Turnhalle sei gemäß § 297 ABGB als unselbständiger Bestandteil des Grundstückes in das Eigentum der Hauptschulgemeinde übergegangen. Die Hauptschulgemeinde miete aber den Turnsaal von der Beschwerdeführerin und diese miete wiederum den Turnsaal der Hauptschulgemeinde. Da die Durchführung des Unterrichts eine hoheitliche Tätigkeit sei, erfolge die wechselseitige Überlassung der Turnhallen nur deshalb in der Form einer Vermietung, um die gesamte Vorsteuer aus den Errichtungskosten der Turnhalle geltend zu machen. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Ausmaß von 40 Prozent der Errichtungs- und Betriebskosten werde daher nicht anerkannt; soweit die Beschwerdeführerin der Hauptschulgemeinde jedoch Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe, schulde sie diesen Betrag aber gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972.

In der Beschwerde gegen diese Berufungsentscheidung wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 22 Abs. 1 BAO bestimmt, daß durch den Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden kann; liegt ein Mißbrauch vor, sind nach dem zweiten Absatz der zitierten Gesetzesstelle die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

Demnach ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht gehindert, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts so einzusetzen, daß er die geringste Steuerbelastung erzielt. Als Mißbrauch anzusehen ist hingegen eine rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung NUR in der Absicht der Steuervermeidung findet; es ist dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll

erscheint, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 91/14/0154; vom , 89/13/0272-0275 und vom , 87/13/01200123).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die Vermietung der Volksschulturnhalle an die Hauptschulgemeinde ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts ist, um die Vorsteuer aus den Errichtungs- und Betriebskosten der Volksschulturnhalle geltend machen zu können. Die belangte Behörde bejaht dies vornehmlich mit der Begründung, die wechselseitige Überlassung (Beschwerdeführerin mietet Hauptschulturnsaal; Hauptschulgemeinde mietet Volksschulturnhalle) erfolge nur deshalb, weil die Durchführung des Turnunterrichts eine hoheitliche Tätigkeit sei und für diesbezügliche Aufwendungen kein Vorsteuerabzug zustehe. Die Beschwerdeführerin hält dieser Ansicht entgegen, daß für die Vermietung an die Hauptschulgemeinde nicht steuerliche, sondern wirtschaftliche Gründe (Hauptschulgemeinde besitzt veralteten und kleinen Turnsaal; Beschwerdeführerin hat moderne und große Turnhalle; durch Errichtung des Volksschulturnsaales an das Hauptschulgebäude blieb ein großer Turnplatz im Freien erhalten) ausschlaggebend waren.

Die von der Beschwerdeführerin genannten Gründe sind stichhaltig. Wie der Betriebsprüfer ausführt, ist der Hauptschulturnsaal ("kleiner Turnsaal") kleiner als die Turnhalle der Beschwerdeführerin. In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der im Jahre 1960 gebaute Hauptschulturnsaal sei bereits veraltet und den Turnansprüchen der meist körperlich großen Hauptschüler nicht mehr gewachsen gewesen. Die Direktion und der Elternverein der Hauptschulgemeinde seien daher an die Beschwerdeführerin mit der Bitte herangetreten, gegen Entgelt im modernen Volksschulturnsaal turnen zu dürfen. Da, die Stundeneinteilung im Turnsaal der Beschwerdeführerin immer schwieriger wurde, habe sich die Direktion der Beschwerdeführerin bereit erklärt, den Hauptschulturnsaal, der den Ansprüchen der noch kleinen Kinder vollauf genügt, anzumieten. Aus diesen Sachverhaltselementen, denen die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist, ergibt sich, daß die vorliegende Vertragsgestaltung deshalb gewählt wurde, um eine optimale Raumausnützung der beiden Turnsäle zu gewährleisten. Die entgeltliche Benützung der größeren Turnhalle der Beschwerdeführerin durch die körperlich größeren Hauptschüler und die Miete der kleineren Hauptschulturnhalle durch die Beschwerdeführerin sind jedenfalls beachtliche Beweggründe, die außerhalb abgabenrechtlicher Erwägungen liegen. Es erübrigte sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Ungewöhnlichkeit oder Unangemessenheit der Vorgangsweise überhaupt zu bejahen gewesen wäre.

Da die belangte Behörde die Rechtslage jedenfalls verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren wird aus prozeßökonomischen Gründen festgestellt, daß der Beschwerdeführerin der Vorsteuerabzug aus den Errichtungs- und Betriebskosten nur insoweit zusteht, als damit eine unternehmerische Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1972 verbunden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits berücksichtigt. Da die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Z. 3 GebG von der Entrichtung der Eingaben- und Beilagengebühr befreit ist, konnte der diesbezüglich geltend gemachte Aufwand nicht zugesprochen werden.

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