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VwGH vom 20.10.1992, 88/14/0178

VwGH vom 20.10.1992, 88/14/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der G in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 3-3/83, betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für das Jahr 1980, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1927 geborene Beschwerdeführerin ist Dentistin. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1978 bis 1980 vertrat der Prüfer unter anderem die Auffassung, daß ein von der Beschwerdeführerin im Jahr 1980 um ca. S 1,3 Millionen für Wohnzwecke ihrer Ordinationsgehilfin angeschaffter Bungalow mit ca. 80 m2 Nutzfläche einschließlich Einrichtung nicht zum Betriebsvermögen gerechnet werden könne. Aufwendungen in derart außergewöhnlicher Art und Höhe seien nämlich absolut unüblich. Auch stehe der Aufwand, der von der Beschwerdeführerin zusätzlich zum normalen Arbeitslohn ihrer Ordinationsgehilfin getragen worden sei, in keinem Verhältnis zu deren Arbeitsleistung.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Die Abgabenbehörde sei nicht berechtigt, einen betrieblichen Aufwand hinsichtlich seiner Angemessenheit und Notwendigkeit zu überprüfen. Lediglich eine Aufwandsabgrenzung zur Privatsphäre des Abgabepflichtigen sei zulässig. Die Ordinationsgehilfin stehe in keinem Verwandtschaftsverhältnis zur Beschwerdeführerin. Die Anschaffung des Bungalows könne daher nicht als privat, sondern nur als betrieblich veranlaßt angesehen werden.

Der Prüfer wies in einer Stellungnahme zur Berufung darauf hin, daß die Ordinationsgehilfin bei der Beschwerdeführerin 35 bis 40 Wochenstunden beschäftigt sei. Sie reinige die Instrumente, assistiere bei der Patientenbehandlung und führe die Kartei. Für diese Tätigkeit habe sie einen Bruttolohn von jährlich ca. S 124.000,-- (1978), S 134.000,-- (1979) und S 144.000,-- (1980) erhalten. Der Bungalow liege in einer Feriensiedlung und sei nach diversen Umbauten komplett eingerichtet (Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer, Einbauküche, Wäsche, Geschirr, Ziergegenstände, Radio, Farbfernsehgerät, Gartenmöbel) der 1955 geborenen Ordinationsgehilfin (und deren 8-jähriger Tochter) bei gleichbleibender Arbeitsleistung als Wohnung zur Verfügung gestellt worden. Dem im Betrieb tätigen Zahntechniker stehe hingegen nur ein Raum (Technikvorraum) in einem von der Beschwerdeführerin angemieteten Objekt als Wohnmöglichkeit zur Verfügung.

Für die Einrichtung, Gartengestaltung sowie Kaufvertrags- und Vermittlungskosten sei ein Betrag in der Höhe von ca. S 460.000,- aufgewendet und über das betriebliche Girokonto der Beschwerdeführerin finanziert worden. Der Hauskauf selbst sei mit Hilfe eines Kredites von S 1,3 Millionen erfolgt. Die Rückzahlungsraten betrügen monatlich S 16.500,--.

Zu dem Hauskauf sei es gekommen, weil die Ordinationsgehilfin, die aus persönlichen Gründen nicht mehr im Haushalt ihrer Eltern wohnen konnte, beabsichtigt habe, mit ihrem Kind nach Wien zu ziehen. Aus diesem Grund habe sie das Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin aufgekündigt. Während der Kündigungsfrist habe sich die Beschwerdeführerin bemüht, eine Wohnmöglichkeit für ihre Ordinationsgehilfin zu finden, der es nicht zuzumuten gewesen wäre, allein mit ihrem Kind in die Großstadt zu ziehen ("das zuzulassen wäre unmenschlich"). Da der Ordinationsgehilfin der Bungalow als Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt worden sei, habe sie die Kündigung rückgängig gemacht.

Der Prüfer schloß aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin, daß dafür in erster Linie die Lösung menschlicher Probleme und nicht betriebliche Erwägungen maßgebend gewesen seien, zumal die hohen Aufwendungen für den Bungalow den Betrieb der Beschwerdeführerin "an die Grenze der Ertragslage bringen". Schließlich sei zu beachten, daß mit der Ordinationsgehilfin auch in der Freizeit persönliche Kontakte bestanden hätten. So sei des öfteren der Urlaub (z.B. in Gran Canaria) gemeinsam verbracht worden, wobei die Beschwerdeführerin für die Hälfte der Kosten ihrer Angestellten aufgekommen sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Es begründete dies damit, daß für den Ankauf des Bungalows nicht betriebliche, sondern private Gründe, nämlich die Lösung menschlicher Probleme ausschlaggebend gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Im Zuge des Berufungsverfahrens gab die Beschwerdeführerin niederschriftlich an, sie sei an einem guten Betriebsklima interessiert, suche sich daher ihre Arbeitnehmer sorgfältig aus und beschäftige sie nachweislich viele Jahre hindurch. Mit ihrer Ordinationsgehilfin sei sie äußerst zufrieden. Sie sei daher bestrebt gewesen, diese Arbeitskraft, die bereits gekündigt und eine Wohnmöglichkeit sowie einen Arbeitsplatz in Wien gefunden hatte, zu halten. Eine günstige Wohnung im Nahebereich der Ordination habe trotz intensiven Suchens nicht gefunden werden können. Der schließlich angekaufte Bungalow hätte zwar auch gemietet werden können; die Miete hätte jedoch S 7.000,-- monatlich betragen. Unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes einer Vermögensanlage sei der Erwerb des Bungalows zweckmäßig gewesen. Ein Mietvertrag mit der Ordinationsgehilfin bestehe nicht. Dem Nutzungswert der Wohnung werde mit einem Sachbezugswert von S 2.500,-- monatlich Rechnung getragen.

Im Jahr 1985 habe die Ordinationsgehilfin eine Eigentumswohnung erworben und sei aus dem Bungalow ausgezogen. Seither werde der Bungalow für allfällige Wohnzwecke anderer Dienstnehmer der Beschwerdeführerin frei gehalten. Fallweise werde der Bungalow seit November 1985 auch vom psychisch kranken Sohn der Beschwerdeführerin bewohnt. Der angestellte Zahntechniker verfüge über eine eigene Wohnung. Nur aus witterungsbedingten Gründen übernachte er manchmal im Technikvorraum.

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin vor, daß sich zwar zwischen der Beschwerdeführerin und ihre Ordinationsgehilfin im Laufe der Zeit freundschaftliche Beziehungen entwickelt hätten, daß aber der Grund für den Ankauf des Bungalows darin bestanden habe, die Zusammenarbeit mit der bereits langjährig beschäftigten und entsprechend ausgebildeten Ordinationsgehilfin aufrecht zu erhalten. Dafür sei auch ausschlaggebend gewesen, daß die Beschwerdeführerin bereits im

62. Lebensjahr stehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung insoweit ab, als sie - dem Finanzamt folgend - den Bungalow nicht als Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin anerkannte (andere Streitpunkte, über die in der Berufungsentscheidung ebenfalls entschieden wurde, sind nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wiewohl der angefochtene Bescheid Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1978 bis 1980 betrifft, bezeichnet die Beschwerde als einzig strittigen Punkt, ob die Aufwendungen für den im Jahr 1980 angeschafften Bungalow betrieblich veranlaßt waren oder nicht. Gegenstand der Beschwerde sind somit lediglich Umsatzsteuer und Einkommensteuer für das Jahr 1980.

Der belangten Behörde ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn sie im angefochtenen Bescheid sinngemäß zum Ausdruck bringt, es sei ungewöhnlich, daß eine Dentistin einen Bungalow um ca. S 1,3 Millionen erwerbe und diesen mit einem weiteren Aufwand von ca. S 460.000,-- adaptiere und einrichte, um ihn anschließend ihrer Ordinationsgehilfin als Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen. Dessenungeachtet kann auch ein ungewöhnlicher Aufwand, der der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes nicht erwächst, betrieblich veranlaßt sein. Die betriebliche Veranlassung erblickt die Beschwerdeführerin in ihrem Bestreben, die langjährige Ordinationsgehilfin, mit deren Leistungen sie sehr zufrieden war, die aber im Hinblick auf den Verlust ihrer bisherigen Wohnmöglichkeit das Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin bereits aufgekündigt hatte, weiterhin an ihren Betrieb zu binden. Auch die belangte Behörde ist in ihrer Sachverhaltsannahme von diesem Beweggrund ausgegangen. So wird z. B. auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides ausgeführt:

"Nach den aktenkundigen Ermittlungsergebnissen ... bewog die Beschwerdeführerin die Angestellte mit dem Anerbieten, für sie eine Wohnung zu mieten oder notfalls auch zu kaufen, dazu, von der Kündigung wieder Abstand zu nehmen."

Auf Seite 7 wird das "offensichtlich zwischenmenschliche Interesse" erwähnt, "die Ordinationshilfe nach eingereichter Kündigung festzuhalten".

Die belangte Behörde vertritt aber offensichtlich die Auffassung, daß der dargelegte Beweggrund der Beschwerdeführerin zu einem unangemessen hohen Aufwand geführt habe und daß letzterer deswegen nicht als betrieblich veranlaßt anzusehen sei. So wird im angefochtenen Bescheid von einem "schier kostenmißachtenden Geldeinsatz" und von einer Wohnmöglichkeit gesprochen, "wie sie allenthalben in Managementkreisen anzutreffen ist". Die belangte Behörde übersieht, daß es der Abgabenbehörde grundsätzlich nicht zusteht, die Angemessenheit eines Aufwandes im betrieblichen Bereich bzw. seine Eignung zur Erzielung eines entsprechenden betrieblichen Erfolges zu überprüfen und die steuerliche Abzugsfähigkeit eines Aufwandes als Betriebsausgabe vom Ergebnis dieser Prüfung abhängig zu machen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnig, Einkommensteuerhandbuch2 Seite 100, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Es kann zwar die Unangemessenheit oder Unzweckmäßigkeit eines Aufwandes Anlaß zu Zweifel geben, ob der Aufwand betrieblich veranlaßt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0160); solche Zweifel müssen aber durch entsprechende Beweisaufnahme und Beweiswürdigung schlüssig zu der Sachverhaltsannahme führen, daß der betreffende Aufwand (zumindest überwiegend) nicht betrieblich veranlaßt war. Eine derartige Beweiswürdigung läßt der angefochtene Bescheid vermissen. Zunächst bezieht sich die belangte Behörde auf eine Äußerung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, wonach ihrer Ordinationsgehilfin eine Übersiedlung nach Wien nicht zuzumuten gewesen sei. Sie erblickt darin einen Beweggrund, der zeige, daß es der Beschwerdeführerin "um das private Wohl der Ordinationsgehilfin gegangen ist". Gleichzeitig bezeichnet sie diesen Beweggrund als "das Einfließen ... (einer) geradezu ängstlichen Überlegung", die im Hinblick "auf die weitläufige Abwanderung in (Groß)Städte allein doch nicht erschreckend gewesen sein" kann. Damit wird das eben erst aufgezeigte außerbetriebliche Motiv (privates Wohl der Ordinationsgehilfin) von der belangten Behörde selbst als unberechtigt in Zweifel gezogen.

In der Folge wird das Beschaffen einer Wohnmöglichkeit für die Ordinationsgehilfin von der belangten Behörde wiederum als "Mildtätigkeit" bezeichnet, die nicht jeder fremden Arbeitskraft gegenüber festzustellen gewesen sei. Die belangte Behörde nimmt damit konkret auf den angestellten Zahntechniker Bezug und berücksichtigt nicht, daß dieser über eine eigene Wohnung verfügte und grundsätzlich täglich von dieser Wohnung zum Arbeitsplatz und wiederum zurückgefahren ist. Nur bei Schlechtwetter soll es fallweise vorgekommen sein, daß der Zahntechniker im "Technikvorraum" genächtigt hat. Ein vergleichbarer Wohnungsbedarf wie bei der Ordinationsgehilfin lag daher nicht vor.

Unschlüssig ist weiters die Feststellung auf Seite 9 des angefochtenen Bescheides, wonach die "Überredung zum Kündigungswiderruf und die anschließende Vorgangsweise der Beschwerdeführerin" erkennen lassen, "daß die Ursache des Hauskaufes nicht im betrieblichen Erfordernis einer GENERELLEN Unterkunftsbeschaffung für ihre Dienstnehmer lag, sondern vor allem in der Person der Ordinationsgehilfin". Wieso die Überredung zum Kündigungswiderruf nicht aus betrieblichen Gründen erfolgt sein soll und warum die Beschwerdeführerin "generell" allen Angestellten eine Wohnmöglichkeit beschaffen hätte müssen (auch jenen, die keinen derartigen Bedarf hatten), um eine entsprechende betriebliche Veranlassung glaubhaft zu machen, wird von der belangten Behörde nicht dargetan.

Schließlich hat sich die belangte Behörde auch nicht ausreichend mit dem Argument der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, die Entscheidung, den als Dienstwohnung angeschafften Bungalow nicht um S 7.000,-- monatlich zu mieten, sondern zu erwerben, sei aus wirtschaftlichen Gründen getroffen worden, weil auf lange Sicht betrachtet der Erwerb von (wertbeständigem) Eigentum zweckmäßiger erschien, als ein laufender Aufwand, dem keine Vermehrung des Betriebsvermögens gegenüber gestanden wäre. Vielmehr ist die belangte Behörde, ohne diesen wesentlichen Aspekt in ihre Erwägungen einzubeziehen, von einem übermäßigen Lohnaufwand für die Ordinationsgehilfin ausgegangen, weil die monatliche Annuität für die Schuldentilgung (S 16.500,--) "mehr als das Doppelte dessen ausmachte, was für ein vorübergehendes Anmieten des Bungalows (S 7.000,--) zu berappen gewesen wäre".

Bemerkt wird abschließend, daß der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht von seiner Arbeitnehmerwohnraum bei Klein- und Mittelbetrieben betreffenden Rechtsprechung abrückt, wie sie etwa im Erkenntnis vom , 88/14/0204, ihren Niederschlag fand. Der Gerichtshof hält nämlich im vorliegenden Beschwerdefall einen besonderen betrieblichen Anlaß für die Wohnraumanschaffung, wie er auch in jenem Beschwerdefall beispielhaft hinsichtlich der Nachtdienstquartiere von Apotheken anerkannt wurde, dadurch für möglich, daß die Beschwerdeführerin in einem ländlichen Gebiet, in dem qualifizierte Arbeitskräfte nicht ohne weiteres ersetzbar sind, mit der Wohnraumschaffung die bereits erfolgte Kündigung einer bewährten Arbeitskraft wieder rückgängig machen wollte (und konnte).

Aus den aufgezeigten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als mangelhaft und unschlüssig begründet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur in der gesetzlich vorgesehenen Höhe bzw. nur für solche Beilagen zu ersetzen, zu deren Vorlage der Beschwerdeführer verhalten ist.