VwGH vom 20.06.1995, 92/13/0023

VwGH vom 20.06.1995, 92/13/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der I-GmbH in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld (Berufungssenat III) vom , Zl 6/2 - 2403/88-10, betreffend Körperschaftsteuer 1984 und 1985 sowie Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund des Beschlusses der Generalversammlung der Beschwerdeführerin vom sowie des Verschmelzungsvertrages vom gleichen Tag wurde die F GmbH (übertragende Gesellschaft) mit der Beschwerdeführerin (übernehmende Gesellschaft) unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Strukturverbesserungsgesetzes zum Stichtag verschmolzen. Eine Erhöhung des Stammkapitals der Beschwerdeführerin unterblieb, weil sie bereits alle Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft besessen hatte.

Bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Körperschaftsteuer 1983 (Bilanzstichtag 30. April) wurden Verluste der übertragenden Gesellschaft in Höhe von rund S 12 Mio in Abzug gebracht, für nachfolgende Vortragszeiträume verblieb ein Restverlust in Höhe von rund S 9,26 Mio. Betreffend Gewerbesteuer verblieb nach der Veranlagung für 1983 ein Fehlbetrag aus 1982 in Höhe von rund S 4,35 Mio. Die Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1983 erwuchsen in Rechtskraft.

Im Jahresabschluß der Beschwerdeführerin vom wird ein Verschmelzungsverlust aus der Übernahme der F GmbH im Betrag von rund S 11,75 Mio und ein Sanierungsgewinn betreffend dieselbe Gesellschaft im Betrag von rund S 12,20 Mio ausgewiesen.

Bei Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1984 wurde vom Gesamtbetrag der Einkünfte (entsprach den Einkünften aus Gewerbebetrieb) der restliche Verlustabzug berücksichtigt und vom sich daraus ergebenden Einkommen von rund S 4,5 Mio der gleiche Betrag als Sanierungsgewinn abgezogen (zu versteuerndes Einkommen 0). Dementsprechend standen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1985 Verlustvorträge nicht mehr zur Verfügung.

Bei der Veranlagung zur Gewerbesteuer 1984 wurden vom Gewerbeertrag die restlichen Gewerbesteuerfehlbeträge aus 1982 und in der Folge ein Sanierungsgewinn in Höhe von rund S 10,67 Mio (verbleibender Gewerbeertrag 0) abgezogen. Dementsprechend standen auch bei der Veranlagung der Gewerbesteuer für 1985 keine Fehlbeträge mehr zur Verfügung.

In den gegen diese Bescheide eingebrachten Berufungen wurde beantragt, für 1984 vom Gesamtbetrag der Einkünfte zunächst den Sanierungsgewinn in Abzug zu bringen, wodurch für 1985 ein Verlustvortrag verbleibe. Auch bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1984 sei der Sanierungsgewinn so zu berücksichtigen, daß er (mit entsprechenden Folgen für 1985) nicht die Gewerbesteuerfehlbeträge aus Vorjahren kürze.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde ohne Durchführung einer mit gesondertem Schriftsatz beantragten mündlichen Verhandlung den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid 1984 dahingehend ab, daß ein Sanierungsgewinn nicht berücksichtigt wurde. Für die Körperschaft- und Gewerbesteuer 1985 ergab sich daraus keine Auswirkung. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß sich aus der Rückwirkensfiktion des Art I § 1 Abs 4 StruktVG ergebe, daß nach dem Verschmelzungsstichtag von der übertragenden Gesellschaft durchgeführte Rechtsgeschäfte bereits der aufnehmenden Gesellschaft zuzurechnen seien. Unter Bezugnahme auf eine Vorhaltsbeantwortung der Beschwerdeführerin, wonach "erstmals am mit kaufmännischer Vorsicht die Verbuchung der erfolgten Sanierung der ehemaligen F GmbH erfolgen konnte, und somit alle Maßnahmen die Gewinnermittlung 1984 betreffen mußten", ging die belangte Behörde davon aus, daß die strittigen Maßnahmen bei der Beschwerdeführerin und nicht bei der F GmbH zu erfassen gewesen seien, weshalb bei der Beschwerdeführerin und nicht bei der F GmbH zu prüfen sei, ob diese Maßnahmen die für den Sanierungsgewinn entscheidenden Tatbestandsmerkmale erfüllten. Dies verneinte die belangte Behörde in der Folge unter Hinweis auf die infolge laufend erzielter Gewinne mangelnde Sanierungsbedürftigkeit. Auch sei das Verhalten der Gläubiger nicht darauf gerichtet gewesen, die Beschwerdeführerin zu sanieren; sämtliche Maßnahmen hätten unbestrittenermaßen die F GmbH betroffen. Die Voraussetzungen "für den Sanierungsgewinn" seien also bei der Beschwerdeführerin nicht erfüllt. Überdies leitete die belangte Behörde aus der Bilanz zum (die Beschwerdeführerin ging 1985 zu diesem Bilanzstichtag über) eine mangelnde Sanierungsfähigkeit ab, weil darin für die nunmehr als Betriebsstätte geführte ehemalige F GmbH "Verluste" in Höhe von mehr als S 21 Mio ausgewiesen gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf "richtige Errechnung der Körperschaftsteuer 1984 und 1985 und auf richtige Erstellung der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1984 und 1985, insbesondere - im Sinn der Beschwerdebegründung - im Recht auf richtige Errechnung des (anzurechnenden) Verschmelzungsverlustes und des anzuerkennenden (anzurechnenden) Sanierungsgewinnes" sowie in ihrem Recht auf ein "ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren (mit Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung)" verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art I § 1 Abs 4 StruktVG muß die einer Verschmelzung oder Einbringung im Sinne des Abs 1 und 2 zugrunde zu legende Bilanz der übertragenden Gesellschaft auf einen Zeitpunkt aufgestellt sein, der höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung oder Einbringung zur Eintragung im Handelsregister liegt und zu dem ein Jahresabschluß aufgestellt wurde. Das Einkommen und das Vermögen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft sind so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wären, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer. Der von der belangten Behörde zu dieser gesetzlichen Bestimmung zu Recht vertretenen Ansicht, daß bei einer Verschmelzung nach dieser Norm die Steuerrechtssubjektivität der übertragenden Gesellschaft mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages endet und nach dem Verschmelzungsstichtag von der übertragenden Gesellschaft durchgeführte Rechtsgeschäfte bereits der aufnehmenden Gesellschaft zuzurechnen sind (vgl das hg Erkenntnis vom , 88/14/0183), hält die Beschwerdeführerin lediglich entgegen, daß Sachverhalte und vom Gesetz geforderte Voraussetzungen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt ihrer Verwirklichung zu prüfen sind und sich schon aus logischen, aber auch aus rechtlichen Gründen jeder rückbeziehenden Beurteilung zu einem "Umgründungsstichtag" entzögen. Insoweit habe das Strukturverbesserungsgesetz keinen rückwirkenden Regelungsinhalt.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Soweit die Beschwerdeführerin diese grundsätzliche Aussage auf die Frage des Sanierungsgewinnes bezieht, spricht sie nämlich nicht gegen, sondern für den angefochtenen Bescheid, weil die belangte Behörde durchaus im Sinn dieses Grundsatzes vorgegangen ist. Die belangte Behörde prüfte bezogen auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes, ob eine Vermehrung des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung enstanden ist. Daß sie diese Prüfung auf die Gesellschaft, nämlich die Beschwerdeführerin, bezogen hat, bei der zum entsprechenden Zeitpunkt die Vermehrung des Betriebsvermögens eingetreten ist, nicht aber auf eine zu diesem Zeitpunkt als Steuerrechtssubjekt gar nicht mehr existente Gesellschaft - die F GmbH -, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal die Beschwerdeführerin im Hinblick auf Art I § 1 Abs 4 StruktVG und den im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Sachverhalt zu Recht selbst nicht behauptet, daß die F GmbH zum Zeitpunkt der Erhöhung des Betriebsvermögens durch den Erlaß der Schulden noch existiert habe (vgl auch unten).

Soweit die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes die unrichtige "Errechnung des (anzurechnenden) Verschmelzungsverlustes und des anzuerkennenden (anzurechnenden) Sanierungsgewinnes" rügt, ist folgendes zu sagen: Die Beschwerdeführerin stützt ihre Annahme einer solchen ausschließlich darauf, daß der steuerlich neutral zu behandelnde Verschmelzungsverlust zur Gänze entfalle, WENN man die vor der Fusion "rechtlich vereinbarten Sanierungsmaßnahmen (so wie das Strukturverbesserungsgesetz die Fusion selbst auf den rückwirkend fingiert) dem wirtschaftlichen Zusammenhang und der zwingenden logischen Reihenfolge entsprechend ebenfalls zurückdatiert". Nun ändert jedoch der Umstand, daß die Sanierungsmaßnahmen behaupteterweise "vor der Fusion rechtlich vereinbart" worden seien, nichts daran, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren das Ergebnis dieser Vereinbarungen mit kaufmännischer Vorsicht erst nach dem verbucht werden hätte können und somit die Gewinnermittlung 1984 betreffen habe müssen. Damit hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren richtig erkannt, daß eine Schuld mindestens mit dem Betrag, den der Steuerpflichtige beim Eingehen der Schuld schuldig geworden ist, bewertet werden muß, solange nicht feststeht, daß sie ganz oder teilweise erloschen ist (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/15/0041). Es mag zutreffen, daß die "Sanierungsmaßnahmen" zumindest vor dem im September 1983 erfolgten Fusionsbeschluß initiiert wurden und zu diesem Zeitpunkt zumindest teilweise auch entsprechende, wenngleich von bestimmten Bedingungen abhängige Zusagen vorlagen. Eine "Rückdatierung" von Geschäftsvorfällen findet aber im Gesetz keine Deckung. Die Rückwirkensfiktion des Art I § 1 Abs 4 StruktVG hat ganz im Gegenteil den Inhalt, daß selbst kurz nach dem Verschmelzungsstichtag getätigte Geschäfte der übertragenden Gesellschaft steuerrechtlich als solche der übernehmenden Gesellschaft zu beurteilen sind. Da dementsprechend aber die "Sanierungsmaßnahmen" - jedenfalls hinsichtlich ihrer tatsächlichen Auswirkung - nicht auf den Verschmelzungsstichtag "zurückdatiert" werden können, ist die diesbezügliche Beschwerderüge verfehlt.

Da die Beschwerde nicht behauptet, daß die Voraussetzungen für die Annahme eines Sanierungsgewinnes bei der Beschwerdeführerin vorgelegen seien, erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, in welcher Reihenfolge ein allfälliger Sanierungsgewinn zu berücksichtigen gewesen wäre, aber auch, ob die belangte Behörde hinsichtlich des "Sanierungserfolges" - bezogen auf die F GmbH - vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Daher kann auch die Frage auf sich beruhen, ob die belangte Behörde bei Durchführung einer weder in der Berufung noch in einem allfälligen Vorlageantrag, sondern in einem anderen Schriftsatz und daher nicht rechtswirksam (vgl zB das hg Erkenntnis vom , 90/13/0071) beantragten mündlichen Berufungsverhandlung diesbezüglich von einem anderen Sachverhalt ausgehen hätte können.

Da sich die Beschwerde daher zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.