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VwGH vom 18.03.1992, 88/14/0028

VwGH vom 18.03.1992, 88/14/0028

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

88/14/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der R-GmbH. in X, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom , Zl. 30.814-3/83, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1978 und 1979 sowie gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.270-4/87, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 1978 und 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand laut Gesellschaftsvertrag das Kaufen, Tauschen, Bewerten, Bebauen, Vermitteln und Verwalten von Grundstücken und Baulichkeiten jeder Art, das Planen und Finanzieren solcher Vorhaben sowie ihre technische Durchführung und Überwachung ist. Bei der für die Jahre 1978 bis 1981 vorgenommenen Betriebsprüfung vertraten der Prüfer und ihm folgend das Finanzamt die Ansicht, daß die dem Dr. Z, dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, zugeflossenen Provisionen für Kreditvermittlung sowie Zinsen und Wertsicherungen für ein Treuhanddarlehen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu betrachten seien.

Gegen den Wiederaufnahmebescheid sowie die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheide brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein und machte dabei geltend, daß die in den Jahren 1978 in der Höhe von S 875.000,-- und 1979 in der Höhe von S 260.000,-- an Dr. Z bezahlten Kreditvermittlungsprovisionen keinesfalls verdeckte Gewinnausschüttungen darstellten, sondern ein Entgelt für tatsächlich erbrachte Leistungen. Die Feststellungen im Prüfungsbericht, wonach Dr. Z über die Ermittlung dieser Provisionen keinen Aufschluß geben könne, seien unzutreffend. Unrichtig sei weiters, daß Dr. Z eine mehr als angemessene Geschäftsführervergütung erhalten habe. Im Jahre 1978 habe er nämlich keine bezogen. Die Dr. Z im Jahre 1978 gewährte Provision sei für eine von ihm persönlich erbrachte Leistung der Kreditvermittlung bezahlt worden, für die die Beschwerdeführerin schließlich den Betrag von S 1.270.266,-- an Vermittlungsgebühren einnehmen habe können. Was das Jahr 1979 betreffe, habe Dr. Z für alle mit dem Betrieb der Beschwerdeführerin zusammenhängenden Tätigkeiten wie Geschäftsführung, Management, Buchhaltung etc. ab ein Bruttogehalt von S 20.000,-- monatlich erhalten, über dessen Angemessenheit kein Zweifel bestehen könne. Für die im Jahre 1979 erhaltenen Kreditvermittlungsprovisionen in der Höhe von S 553.296,-- habe die Beschwerdeführerin an Dr. Z, der alleine diese Einnahmen bewirkt habe, den Betrag von S 260.000,-- weitergeleitet. Die mit der Berufung vorgelegten Ablichtungen könnten diese Tatsache bestätigen.

Nach Auskunft von Dr. Z habe dieser sehr wohl eine Berechnung der Zinsen- und Wertsicherungsbeträge vorgelegt. Die Treuhanddarlehen seien in den Vorjahren der Beschwerdeführerin nachweislich zur Verfügung gestellt worden. Es entspreche durchaus den wirtschaftlichen Gepflogenheiten, für hingegebene Darlehen Zinsen und Wertsicherungsbeträge zu erhalten, sodaß insofern eine verdeckte Gewinnausschüttung bestritten werde.

Mit Berufungsvorentscheidung hat das Finanzamt die Berufung gegen (die nichtverfahrensgegenständliche Festsetzung der Körperschaftsteuer und gegen) die Haftungsbescheide für die Kapitalertragsteuer abgewiesen und dazu ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in den Jahren 1978 und 1979 Kreditvermittlungsprovisionen von den Firmen R, K und W in Höhe von S 1.270.266,-- bzw. S 553.296,-- erhalten habe. Diesen Erlösen seien Provisionen an Dr. Z im Jahr 1978 von S 875.000,-- und 1979 von S 260.000,-- gegenübergestanden. Über die Berechung der Provisionen habe zwischen der Beschwerdeführerin und Dr. Z keine Vereinbarung bestanden. Es sei lediglich festzustellen gewesen, daß Dr. Z seit Februar 1975 allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen sei, wofür er ab monatlich eine Vergütung von S 20.000,-- erhalten habe. Es sei auch festgestellt worden, daß beispielsweise Provisionen, die ihren Ursprung bei der R gehabt hätten, von keinerlei Tätigkeit der Beschwerdeführerin oder des Dr. Z abhängig gewesen seien. Diese Zahlungen der R an die Beschwerdeführerin seien nur auf Weisung von Dr. Z erfolgt, der in all jenen, Provisionen zahlenden Firmen maßgeblichen Einfluß als Geschäftsführer oder Gesellschafter gehabt habe. Die Vorgangsweise von Dr. Z habe den ausschließlichen Zweck gehabt, die Einnahmen auf möglichst viele der von ihm beherrschten Firmen zu verteilen, ohne daß hiefür sachliche Gründe vorgelegen seien. Durch diese Vorgangsweise habe Dr. Z einen Großteil seiner Einnahmen der Besteuerung durch einen längeren Zeitraum entziehen können.

Die im Rahmen der Berufung vorgelegten Unterlagen hätten sich im übrigen nicht auf die strittigen Provisionszahlungen bezogen.

Bei der Bezahlung von Zinsen und Wertsicherungsbeträgen habe es sich um Zahlungen für sogenannte Treuhandgelder gehandelt. Weder die Treuhandgeber noch die Empfänger hätte Dr. Z benennen können. Dr. Z habe die genannten Gelder selbst einbezahlt und die Zinsen auch selbst behoben. Belege der Empfänger seien nicht vorhanden.

Nach Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat die belangte Behörde mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden die Berufung gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen sowie der Berufung gegen die Bescheide betreffend Haftung für die Kapitalertragsteuer teilweise stattgegeben und die Kapitalertragsteuer für 1978 mit S 189.312,-- und für 1979 in der Höhe von S 52.000,-- festgesetzt. Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufung gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens, die die Beschwerdeführerin entgegen den Bestimmungen des § 250 BAO nicht begründet hatte, damit, erst im Zuge der im Jahre 1982 durchgeführten Betriebsprüfung sei festgestellt worden, daß die in Rede stehenden, als Betriebsausgabe der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beträge an den Geschäftsführer geflossen und somit als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln seien. Zur verdeckten Gewinnausschüttung zeigte die belangte Behörde zunächst die beherrschende Stellung des Dr. Z bei der Beschwerdeführerin auf und wies auf die Geschäftsführerfunktionen des Dr. Z bei den einzelnen, Provisionen zahlenden Unternehmen hin.

Wie Dr. Z die erhaltenen Provisionen berechnet und für welche Leistungen er diese bezogen habe, sei unaufgeklärt geblieben. Eine Erklärung könne auch nicht den der Berufung beigelegten Berechnungsbögen entnommen werden, da sich diese nicht auf die strittigen Provisionszahlungen bezogen hätten. Die belangte Behörde vertrete daher die Ansicht, daß die an den Geschäftsführer und mittelbar alleinigen Gesellschafter der Beschwerdeführerin ausbezahlten Provisionen nur auf Grund seiner bestimmenden Stellung in der Gesellschaft erfolgt sei und keinesfalls einer dritten, der Körperschaft fremd gegenüberstehenden Person gewährt worden wären.

In teilweiser Stattgabe der Berufung hat die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin an Dr. Z ausbezahlten Zinsen nicht als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen. Die Wertsicherung in Höhe von S 71.558,-- sei nur im Jahre 1978 und nicht auch in den folgenden Jahren beansprucht worden, obwohl die Verzinsung der Treuhanddarlehen in derselben üblichen Zinshöhe erfolgt sei, sodaß die belangte Behörde darin einen unangemessenen, nur aus dem Gesellschaftsverhältnis erklärlichen Vorteil gesehen habe, der als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren gewesen sei.

Gegen diese Bescheide, nämlich die Berufungsentscheidung hinsichtlich Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1978 und 1979 und die Berufungsentscheidung betreffend Kapitalertragsteuer 1978 und 1979, richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung der Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde gegen die in Rede stehenden Bescheide beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens macht die Beschwerdeführerin geltend, daß Tatsachen oder Beweismittel nur dann "neu hervorgekommen" seien, wenn die Behörde als solche, also die "Gesamtorganisation", von diesen keine Kenntnis gehabt habe. Wenn eine Stelle der Behörde von einem bestimmten Sachverhalt wisse, eine andere nach der Geschäftsverteilung zuständige Stelle hievon aber keine Kenntnis habe, so könne sich die das Verfahren wiederaufnehmende Behörde nicht mit Recht auf den Tatbestand der "neu hervorgekommen Tatsache" stützen. Tatsächlich habe die Behörde bereits zum Zeitpunkt der Erlassung der Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1978 und 1979 Kenntnis vom gesamten Sachverhalt gehabt, da Dr. Z die fraglichen Beträge in seiner Steuererklärung seinem Finanzamt erklärt habe. Somit liege lediglich eine nunmehr anders geartete rechtliche Beurteilung des schon bekannt gewesenen Sachverhaltes vor, sodaß der behördliche Eingriff in die Rechtskraft nicht gerechtfertigt sei. Soll eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung zulässig sein, dann müßte aktenmäßig erkennbar sein, daß dem Finanzamt nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht wurden, von denen es nicht schon Kenntnis gehabt habe. Eine nachträglich geänderte Würdigung des schon bekannten Sachverhaltes sei nicht ausreichend. Da jedoch die Gesamtorganisation von den nunmehr angeführten Tatsachen für die Wiederaufnahme bereits vor ursprünglicher Bescheiderlassung Kenntnis gehabt habe, sei die Wiederaufnahme des Verfahrens in rechtswidriger Anwendung der Bestimmungen des § 304 Abs. 4 BAO erfolgt.

Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften machte die Beschwerdeführerin geltend, weil ihr Recht auf Parteiengehör mehrfach verletzt worden sei. Wie schwerwiegend diese Verletzung des rechtlichen Gehörs tatsächlich wiege, gehe auch aus der angefochtenen Berufungsentscheidung hervor, wenn die belangte Behörde ausführt,

"Wie Dr. Z diese Provisionen berechnete und für welche Leistungen im einzelnen diese bezogen wurden, blieb bis heute unaufgeklärt".

Eine ergänzende Einvernahme des Dr. Z bzw. auch des nunmehrigen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin hätte diesen Sachverhalt sehr wohl aufgeklärt und in weiterer Folge auch zu einem anderen Ergebnis geführt. Somit bedürfe der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Im übrigen werde der Inhalt der Berufung auch zum Inhalt dieser Beschwerde erhoben.

Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist unter anderem nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl. hg. Erkenntnis vom , 89/15/0005).

Davon kann aber, ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren entgegen den Bestimmungen des § 250 BAO ihre Berufung hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht begründet hat, im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin Dr. Z hat in seinen beim Finanzamt eingebrachten Steuererklärungen betreffend die Jahre 1978 und 1979 zwar Provisionen aus Kreditvermittlungen erklärt, in diesen Erklärungen scheint jedoch nicht auf, von wem diese Provisionen stammen.

Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist der ihr gemäß § 119 Abs. 1 BAO obliegenden Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht nachgekommen, obwohl sie im Verfahren mehrmals die Möglichkeit zur Aufklärung des Sachverhaltes gehabt hätte. Die Abgabenbehörde trifft nach § 115 Abs. 1 BAO die Verpflichtung, die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Dieser amtswegigen Ermittlungspflicht ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und mit dem vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwand in ausreichendem Maße nachgekommen.

Im Hinblick darauf, daß die Festsetzung der Kapitalertragsteuer nur mit dem Hinweis auf die Ausführungen der Beschwerde zur Wiederaufnahme des Verfahrens bekämpft wird, erübrigt sich unter Hinweis auf die vorangeführten Feststellungen ein weiteres Eingehen auf diesen Beschwerdepunkt.

Da sich die angefochtenen Bescheide demnach nicht als mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweisen, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Der Vorlageaufwand war der belangten Behörde jedoch nur einfach zuzuerkennen.