VwGH vom 19.07.2000, 97/13/0229
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der S - Co. Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch
Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 6-93/2357/10, betreffend Umsatzsteuer 1988 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen:
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Tochtergesellschaft der in der Schweiz ansässigen "Societe Generale de Surveillance S.A." (im Folgenden: SGS). In der Niederschrift vom zur Schlussbesprechung einer bei der Beschwerdeführerin im Jahr 1993 durchgeführten Betriebsprüfung ist zu lesen, die grundsätzliche Aufgabe des SGS-Konzerns und ihrer in zahlreichen Ländern errichteten Tochtergesellschaften bestehe in einer Inspektions- und Gutachtertätigkeit, nämlich darin, für eine unabhängige Feststellung der Menge und Qualität von Waren im internationalen Handel zu sorgen. Um politische als auch wirtschaftliche Risiken im Außenhandel, im Zusammenhang mit Kapitalflucht und Umgehung von Import- und Devisenkontrollmechanismen einzuschränken, sei vom SGS-Konzern ein umfassendes Einfuhrüberwachungssystem "CISS" (comprehensive import supervision scheme) entwickelt worden. Die Serviceleistungen basierten auf einer physischen Inspektion der Waren im Land des Lieferanten, um die Waren nach Menge, Qualität und Verpackung zu überprüfen. Danach erfolge die Überprüfung der Preise und der Zollberechnung. Auftraggeber seien in der Regel Zentralbanken, Finanzministerien und Zollbehörden, primär jene von Entwicklungsländern. Grundlage für die "CISS-Geschäfte" bildeten jeweils die Verträge, die zwischen der Konzernmutter und der jeweiligen Regierung oder einem ähnlichen Vertragspartner abgeschlossen würden. Als repräsentativer Sachverhalt sei der Auftrag des Staates Indonesien - vertreten durch die staatliche Gesellschaft SUCOFINDO - zu nennen, der betragsmäßig auch den größten Teil der beanstandeten Umsatzerlöse ausmache. Auf Grund von innerstaatlichen Vorschriften in Indonesien bestehe die Verpflichtung, dass bei Importen nach Indonesien eine Überprüfung der zur Lieferung vorgesehenen Güter hinsichtlich Menge, Qualität und sonstiger Spezifikationen bereits im Exportland zu erfolgen habe und Zahlungen an ausländische Lieferanten grundsätzlich vom Vorhandensein entsprechender Prüfzertifikate abhängig gemacht würden. Ein bevorstehender Import nach Indonesien werde der Beschwerdeführerin von den indonesischen Stellen über ein Koordinationsbüro in Genf avisiert und nach erfolgter Inspektion würden die Messprotokolle oder der "security label" von der Beschwerdeführerin direkt dem indonesischen Auftraggeber zugesandt. Die Abrechnung der weltweiten Leistungen der SGS-Gruppe erfolge durch die Koordinationsstelle der SGS-Genf. Die nationalen SGS-Gesellschaften - somit auch die Beschwerdeführerin - erhielten die Gutschrift von Genf. Die Bezahlung der CISS-Leistung werde entsprechend dem Vertrag durch die bevollmächtigte staatliche Organisation und nicht durch den indonesischen Importeur vorgenommen.
Zur steuerrechtlichen Beurteilung ging die Betriebsprüferin in der erwähnten Niederschrift davon aus, dass die Leistung der Beschwerdeführerin in Form eines positiven Tuns im Inland erbracht werde und damit grundsätzlich die Umsatzsteuerpflicht gegeben sei. Es handle sich auch nicht um eine handelsübliche Nebenleistung iSd § 9 Abs. 1 Z. 7 UStG 1972, weil die "CISS-Leistung" gegenüber einem Auftraggeber erbracht werde, der mit dem Auftraggeber der Hauptleistung iSd § 9 Abs. 1 Z. 1 bis 6 UStG 1972 nicht ident sei. Die bezughabenden Umsätze seien damit steuerpflichtig (in den Jahren 1988 bis 1991 handelte es sich um Umsätze von jährlich rd. 6 bis 10 Mio S).
Im in der Folge durchgeführten Berufungsverfahren (Berufung vom ) führte die Beschwerdeführerin in Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde mit Schriftsatz vom aus, zur Sachverhaltsdarstellung gelte grundsätzlich unverändert die in der Niederschrift vom wiedergegebene Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei im Wesentlichen eine kontrollierende Tätigkeit am Beginn einer Warenbewegung von Österreich ins Ausland. Die Tätigkeit werde im Inland im ausländischen Auftrag ausgeübt und bestehe aus der Überprüfung von "Mengen, Gewichten, Qualitäten, chemischen Zusammensetzungen, Verpackungen, etc. mittels Waagen, Sonden, Analysen, Zählungen, Abmessgeräten, Testläufen, Besichtigungen, etc". Es handle sich um an Dritte ausgelagerte Tätigkeiten im Zusammenhang mit internationalen Warenbewegungen, die ansonsten vom ausländischen Abnehmer selbst am Empfangsort vorgenommen werden müssten. Die Handelsüblichkeit solcher Leistungen werde zuletzt durch die EU-Verordnung Nr. 3287/94 des Rates vom "über Kontrollen vor dem Versand bei Ausfuhren aus der Gemeinschaft" dokumentiert, die u.a. zur Schaffung von Standards beim Export in Entwicklungsländer diene. Die Beschwerdeführerin erhalte den Auftrag zur Erbringung ihrer Leistungen von der SGS-Genf, die als Koordinationsstelle fungiere (zur Zeit koordiniere die SGS-Genf ähnliche Verträge mit 22 Ländern) und die Aufträge namens der ausländischen Institution, Importgesellschaft, Regierung etc. erteile. Die Überprüfungshandlungen würden im Inland im ausländischen Auftrag beim österreichischen Hersteller bzw. Exporteur durchgeführt. Die Rechnungslegung erfolge an die SGS-Genf, welche für das SGS-weltweite Netzwerk gegenüber dem ausländischen Kunden und Auftraggeber auftrete. Die Prüfungen seien vom ausländischen (z.B. indonesischen) Käufer zu veranlassen (weil dort vorgeschrieben) und entzögen sich der Einflussnahme des inländischen Exporteurs. Die Prüfungen durch die Beschwerdeführerin in Österreich seien dem Importeur vorgeschrieben und international üblich. Die Ergebnisse seien für die - beispielsweise - indonesischen Behörden (z.B. Zollbehörde) rechtlich nicht verbindlich (Abweichungen kämen daher vor). Die SGS-Gutachten würden etwa von der SUCOFINDO auf die erbrachte Leistung überprüft und zur Zahlung durch den indonesischen Staat an die Koordinationsstelle SGS-Genf angewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1991. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei den von der Beschwerdeführerin durchgeführten Leistungen nicht iSd § 9 Abs. 1 Z. 7 UStG 1972 um handelsrechtliche Nebenleistungen handle, die bei den unter Z. 1 bis 6 leg. cit. bezeichneten Leistungen vorkämen. § 9 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 nenne die Beförderung, den Umschlag und die Lagerung von Gegenständen im Zuge der Ausfuhr, der Durchfuhr und der Einfuhr. Mögen die Leistungen der Beschwerdeführerin - wirtschaftlich - auch handelsübliche Nebenleistungen zu Exportgeschäften sein, handle es sich doch nicht um Nebenleistungen etwa zur Beförderung (d.i. der Transport einer Ware zu einem bestimmten Ort durch den Unternehmer oder seinen unselbständigen Erfüllungsgehilfen) oder zum Umschlag (dem Be- und Entladen von Gütern am Beginn, während oder am Ende der Beförderung) einer Ware. Auch sei überdies die Umsatzsteuerfreiheit zu versagen, weil sich nur Leistungen an den selben ausländischen Abnehmer ergänzen könnten. Bei den in § 9 Abs. 1 Z. 1 bis 6 UStG 1972 genannten Leistungen handle es sich um solche, die eigentlich nur für den Empfänger der Hauptleistung in Frage kämen. Werde eine Nebenleistung für einen anderen als den Empfänger der Hauptleistung erbracht, stelle sie eine selbständige Leistung dar, die umsatzsteuerrechtlich unabhängig von der Hauptleistung zu beurteilen sei. Wenngleich die Leistungen der Beschwerdeführerin für den ausländischen Importeur der Ware notwendig seien, um die Importe durchführen zu können, könne dieser doch nicht als Auftraggeber für die Leistungen der Beschwerdeführerin betrachtet werden. Bei den Tätigkeiten der Beschwerdeführerin handle es sich um Kontrollmaßnahmen im Auftrag des Staates, in den die Waren exportiert würden. Der ausländische Abnehmer habe keine Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit der Beschwerdeführerin. Es bestehe mit ihm auch kein Vertragsverhältnis.
In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "Zuerkennung der Befreiung von der Umsatzsteuer für die von ihr erbrachten Leistungen an ausländische Abnehmer gemäß § 6 Z 3 iVm § 9 Abs 1 Z 7 in weiterer Verbindung mit § 9 Abs 1 Z 1 - 6 UStG 1972 verletzt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 6 Z. 3 UStG 1972 sind die im § 9 leg. cit. aufgezählten Leistungen an ausländische Auftraggeber steuerfrei. § 9 Abs. 1 Z. 7 UStG 1972 nennt die handelsüblichen Leistungen, die bei den unter Z. 1 bis 6 dieser Bestimmung bezeichneten Leistungen vorkommen. § 9 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 statuiert die Steuerfreiheit für die Beförderung, den Umschlag und die Lagerung von Gegenständen im Zuge der Ausfuhr, der Durchfuhr und der Einfuhr, die Besorgung dieser Leistungen sowie die Besorgung der Versicherung der bezeichneten Gegenstände. Die befreiten Leistungen, die taxativ aufgezählt sind, stehen in enger Verbindung mit dem grenzüberschreitenden Verkehr, zu dessen erleichterter Abwicklung sie beitragen sollen (vgl. Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zum UStG 1972, Anm. 2 zu § 9).
Die Beschwerdeführerin bestreitet an sich nicht, dass ihre Inspektions- und Gutachtertätigkeit zur Feststellung der Menge und Qualität von Waren im internationalen Handel vor allem mit so genannten Entwicklungsländern nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Warenbewegung im Zuge der Ausfuhr selbst (Beförderungs-, Umschlag- und Lagerleistungen) nach § 9 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 steht. Das "Prüfen, Zählen, Wiegen, Messen udgl." ist vielmehr im Vorfeld einer Exporttätigkeit überhaupt gelegen und - worauf auch in der Beschwerde hingewiesen wird - zum Zustandekommen des Exports notwendig. Damit handelte es sich aber nicht um Leistungen, die beim grenzüberschreitenden Verkehr selbst (der Güterbeförderung ieS) vorkommen oder sich in diesem Sinn auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen. Die belangte Behörde durfte damit zu Recht die Subsumtion der im ausländischen Auftrag im Inland bei den Exporteuren oder Herstellern ausgeübten Überprüfungstätigkeiten unter die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 7 UStG 1972 ablehnen.
Der Beschwerde ist auch nicht darin zu folgen, wenn sie die Ansicht vertritt, eine von der belangten Behörde vorgenommene Differenzierung zwischen handelsüblichen Nebenleistungen zur Beförderung von Gütern im Zuge der Ausfuhr einerseits und Nebenleistungen zu Exportgeschäften andererseits entspreche einer abzulehnenden Begriffsjurisprudenz, sei sachlich nicht gerechtfertigt und damit unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich. Bei dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass die im Umsatzsteuergesetz vorgesehene Befreiung für Ausfuhrlieferungen im § 6 Z. 1 (iVm § 7) UStG 1972, in deren Zusammenhang auch die Befreiung für Beförderungs-, Umschlag- und Lagerleistungen im Zuge der Ausfuhr nach § 9 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zu sehen ist, im Bestimmungslandprinzip seine Grundlage hat. Nach diesem Prinzip sollen die Leistungen nicht im Exportland, sondern im Bestimmungsland der Verbrauchs(Umsatz-)besteuerung unterliegen, wodurch ein entsprechender Grenzausgleich (mit einer Steuerbefreiung im Inland) erforderlich ist. Das bedeutet aber, dass nur in Hinblick auf die Warenlieferung selbst und in der Regel in den Warenwert (als Bemessungsgrundlage für die Verbrauchsbesteuerung im Bestimmungsort) einfließende Nebenleistungen (so Transport- oder Verpackungsleistungen; vgl. dazu auch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr nach § 5 UStG 1972) die Steuerbefreiung gerechtfertigt ist, nicht aber für nicht in den Warenwert Eingang findende selbständige sonstige Leistungen dritter Personen. Die von der Beschwerdeführerin gesehene unterschiedliche Behandlung gleicher Sachverhalte liegt somit nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin damit im Ergebnis nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am