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VwGH vom 20.02.1992, 88/13/0099

VwGH vom 20.02.1992, 88/13/0099

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1992, 694;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des J P in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom , Zl. 6/1-1204/87, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb im Jahr 1977 von seinem Vater gegen Leibrente einen gastwirtschaftlichen Betrieb und wies in seiner Bilanz einen Firmenwert von S 220.000,-- aus. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob dieser Firmenwert ein abnutzbares Wirtschaftsgut darstellt (Auffassung des Beschwerdeführers) oder ob es sich dabei um ein nichtabnutzbares Wirtschaftsgut handelt (Auffassung der belangten Behörde).

Die belangte Behörde begründet die Nichtabnutzbarkeit des Firmenwertes im angefochtenen Bescheid damit, daß der Wert dieses Wirtschaftsgutes im Beschwerdefall überwiegend von der Standortkomponente bestimmt werde und daß diese keiner Abnutzung unterliege. Der gastwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers liege in unmittelbarer Nähe eines bekannten Fußballstadions und eines Bahnhofes. Zahlreiche Besucher des Stadions sowie Reisende sicherten dem Beschwerdeführer gute betriebliche Erfolge. Dies bestätige auch die Umsatzentwicklung. Demgegenüber trete die persönliche Leistung des Betriebsvorgängers als Wertkomponente des Firmenwertes in den Hintergrund. Es sei zwar richtig, daß der Firmenwert eines gastwirtschaftlichen Betriebes von der Qualität der gereichten Speisen und Getränke abhänge und daß sich ein Firmenwert "schnell und endgültig verflüchtigen" werde, wenn der Betriebsnachfolger die Qualität der Speisen und Getränke vernachlässige und den Gästen gegenüber kein entgegenkommendes Verhalten an den Tag lege. Im Beschwerdefall sei jedoch zu beachten, daß die betrieblichen Leistungen überwiegend von Angestellten erbracht würden, die der Beschwerdeführer anläßlich des Erwerbes des Betriebes mitübernommen habe. Weiters sei zu beachten, daß der Beschwerdeführer bereits vor dem Erwerb des Betriebes in diesem als Angestellter seines Vaters mitgearbeitet habe.

Der Beschwerdeführer bestreitet im wesentlichen das Vorhandensein eines Standortvorteiles. Dem unbestreitbar guten Besuch durch Stadionbesucher stehe das Ausbleiben anderer Gäste gegenüber, sodaß nur von einem "Austausch der Kunden" gesprochen werden könne. Die Nähe des Bahnhofes habe auch nachteilige Folgen für den Betrieb: Es stünden in der unmittelbaren Nähe keine Parkplätze für Gäste zur Verfügung, weil zahlreiche "in der Stadt arbeitende Menschen" ihr Kraftfahrzeug beim Bahnhof abstellten, um mit der U-Bahn weiterzufahren. Aus diesen Gründen werde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen hat, findet der gute Standort eines Betriebes regelmäßig im Wert der betrieblich genutzten Liegenschaft bzw. im Wert des Nutzungsrechtes an der betreffenden Liegenschaft (Mietrecht) seinen Niederschlag (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0195). Dies gilt auch für gastwirtschaftliche Betriebe.

Es trifft zwar zu, daß der Wert des Standortes auch branchenspezifische Aspekte aufweisen kann, weil die Lage einer betrieblich genutzten Liegenschaft nicht für jede Art von betrieblicher Tätigkeit die gleiche wertbestimmende Funktion hat. So kann etwa die unmittelbare Nähe von Sport- und Freizeitanlagen für einen gastwirtschaftlichen Betrieb von erheblich größerer wirtschaftlicher Bedeutung sein als für ein Elektroinstallationsunternehmen. Für ein Juweliergeschäft wird die Nähe einer Schule weniger von Bedeutung sein als für einen Eissalon. Derartige Überlegungen ändern aber nichts daran, daß die gute Lage einer Liegenschaft ihren Wert erhöht und gleiches für den entgeltlichen Erwerb von Bestandrechten an einem gut gelegenen Geschäftslokal gilt. Der Umstand, daß der wirtschaftliche Wert ein und desselben einheitlichen Wirtschaftsgutes für branchenverschiedene Unternehmer sehr unterschiedlich sein kann, führt nicht dazu, daß bei Ermittlung des Betriebsvermögens der Wert eines solchen Wirtschaftsgutes für steuerliche Zwecke dergestalt in zwei Wertkomponenten aufgespalten werden könnte, daß für das Wirtschaftsgut ein branchenunabhängiger objektiver Wert angesetzt wird und für einen darüber hinausgehenden betriebsspezifisch orientierten zusätzlichen Wert eine gesonderte Wertfeststellung und bilanzmäßige Erfassung erfolgt.

In den Bilanzen des Beschwerdeführers scheint weder ein Wertansatz für Betriebsgebäude noch ein solcher für erworbene Mietrechte auf. Vielmehr wurde offensichtlich die Differenz zwischen den Teilwerten des vom Vater sonst erworbenen Betriebsvermögens und den Anschaffungskosten (= kapitalisierter Wert der Leibrente) als Firmenwert ausgewiesen und gleichmäßig verteilt auf zehn Jahre abgeschrieben. Unterstellt man, wie die belangte Behörde, daß der Firmenwert überwiegend keinen anderen Wert repräsentiert als den Wert der guten Lage des gastwirtschaftlichen Betriebes, so wäre der Firmenwert im wesentlichen nichts anderes gewesen als die wertmäßige Erfassung der Möglichkeit bzw. Berechtigung des Beschwerdeführers, an diesem guten Standort über betrieblich genutzte Räumlichkeiten verfügen zu können. Da der Beschwerdeführer - wie aus seinen Bilanzen eindeutig hervorgeht - nicht Eigentümer der betreffenden Liegenschaft war, konnte diese Verfügungsmöglichkeit über die betrieblich genutzten Räumlichkeiten nur Ausfluß eines Miet- oder sonstigen Nutzungsrechtes sein, das anstelle des Firmenwertes in der Bilanz auszuweisen gewesen wäre. In Wahrheit handelt es sich daher bei dem Bilanzansatz "Firmenwert" lediglich um eine unrichtige Bezeichnung, die jedoch einer Absetzung für Abnutzung nicht entgegensteht.

Zur Verdeutlichung dieser Überlegungen sei der Fall ins Auge gefaßt, daß nicht der Beschwerdeführer, sondern ein branchenfemder Unternehmer, z.B. ein Sportartikelhändler, den gastwirtschaftlichen Betrieb erworben hätte. Da im Beschwerdefall nichts für die Annahme spricht, daß der Vater des Beschwerdeführers einem fremden Dritten den Betrieb zu einem (wesentlich) geringeren Preis überlassen hätte, und bei einem branchenfremden Erwerber davon ausgegangen werden müßte, daß dieser vornehmlich (oder auch ausschließlich) an der Nutzungsmöglichkeit der Betriebsräumlichkeiten interessiert gewesen wäre, hätte der Erwerber zweifellos den Aufwand für den Erwerb dieser Nutzungsmöglichkeit (dieses Nutzungsrechtes) zu aktivieren gehabt. Jedenfalls wäre im Hinblick auf die Branchenfremdheit der Ansatz eines Firmenwertes nicht in Betracht gekommen. Mit diesem Beispiel soll gezeigt werden, daß standortbezogenen Aufwandskomponenten nicht durch Ansatz eines Firmenwertes, sondern durch Ansatz eines Liegenschaftswertes bzw. eines Nutzungsrechtes an Liegenschaften Rechnung zu tragen ist.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.