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VwGH vom 19.03.1990, 88/12/0103

VwGH vom 19.03.1990, 88/12/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 33 3200/1-VI/3/88, betreffend Rufbereitschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/12/0064, verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde auf Grund der Anträge des Beschwerdeführers vom 16. Jänner und vom sowie vom neuerlich fest, daß die Vollziehung der für die Zeit vom


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12.
bis von 15.30 Uhr bis 24.00 Uhr, vom
17.
bis von 8.00 Uhr bis 24.00 Uhr und vom
27.
bis von 15.30 Uhr bis 24.00 Uhr angeordneten Rufbereitschaft gemäß § 50 Abs. 3 BDG 1979 zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers zähle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Danach erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Zulässigkeitserfordernisse nach § 50 Abs. 3 BDG 1979 zu einer Rufbereitschaft herangezogen zu werden, sowie in seinem Recht darauf, daß über den von ihm gestellten Antrag die Unzulässigkeit des dienstlichen Auftrages zur Leistung einer solchen Rufbereitschaft festgestellt werde (im Sinne einer Feststellung, daß die Befolgung entsprechender Dienstaufträge nicht zu seinen Dienstpflichten zähle), durch unrichtige Anwendung der zitierten Norm verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin brachte sie unter anderem vor, daß der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom zur Zollwachabteilung A versetzt und gleichzeitig zum Leiter dieser Dienststelle bestellt worden sei. Aus diesem Grunde gingen die Ausführungen über den laufenden Dienstbetrieb in der Abteilung für Strafsachen des Zollamtes B und die fallweise Anordnung einer Rufbereitschaft mit den persönlichen Konsequenzen für ihn ins Leere. Für die strittigen Zeiten sei nach Ansicht der belangten Behörde zu Recht Rufbereitschaft angeordnet, vom Beschwerdeführer auch vollzogen und nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften des Gehaltsgesetzes 1956 abgegolten worden. Der Beschwerde sei zu entnehmen, daß es dem Beschwerdeführer weniger um die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Rufbereitschaft im Dezember 1983, sondern vielmehr um die jetzige Diensteinteilung in der Abteilung für Strafsachen des Zollamtes B gehe. Für solche Feststellungen könne kein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers erblickt werden.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 8 VwGG zur Äußerung aufgefordert, ob es richtig sei, daß er seit Leiter der Zollwachabteilung A sei und ob in diesem Fall im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am noch ein für einen Feststellungsbescheid erforderliches rechtliches Interesse (das eine Klarstellung für die Zukunft einschließe) an der begehrten Feststellung bestanden habe.

In seiner Äußerung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei richtig, daß er seit Leiter der Zollwachabteilung A sei. Er habe jedoch die Absicht, sich um einen freiwerdenden Posten der Zollfahndung beim Zollamt B zu bewerben. Abgesehen davon sei das rechtliche Interesse an der Entscheidung seines Erachtens weiterhin gegeben. Sei nämlich die gegenständliche Weisung gesetzwidrig erteilt worden und habe ihre Befolgung nicht zu seinen Dienstpflichten gezählt, so könne dies Auswirkungen sowohl auf Fragen des Amtshaftungsrechtes als auch sogar der Grundrechte (Art. 4 MRK) haben. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß die Entscheidungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes richtunggebende Funktion habe. In concreto wäre einerseits der Aufwand für ein insgesamt unterdessen bereits siebenjähriges Verfahren umsonst gewesen, während andererseits zahlreiche Kollegen auf die Entscheidung in der Sache warteten. Es sei dem Beschwerdeführer bewußt, daß solche Überlegungen nicht unmittelbar rechtlich ausschlaggebend sein könnten, aus den vorgenannten Gründen sei jedoch seines Erachtens auch aus den unmittelbar maßgeblichen rechtlichen Überlegungen die Sachentscheidung geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Verwaltungsbehörden sind berechtigt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn diese entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegen und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Ein solches Interesse besteht dann nicht, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, zu dem auch ein Disziplinarverfahren gehört, oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist. Im übrigen ist ein rechtliches Interesse der Partei nur dann zu bejahen, wenn der Feststellungsantrag im konkreten Fall als geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung angesehen werden kann. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich auch die Notwendigkeit, das Element der Klarstellung für die Zukunft als Voraussetzung für die Erlassung eines Feststellungsbescheides anzuerkennen, weil der Feststellungsbescheid zur Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung Rechte oder Rechtsverhältnisse klarstellen soll. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse kann hingegen einen Feststellungsbescheid nicht rechtfertigen. Nur dort, wo eine Klarstellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses eine Rechtsgefährdung des Antragstellers beseitigen kann, kommt der Klarstellung für die Zukunft rechtliche Bedeutung zu (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 65/78, Slg. Nr. 9662/A, und vom , Zl. 82/12/0011).

Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so ergibt sich daraus, daß (jedenfalls) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Feststellungsanspruch des Beschwerdeführers (mehr) gegeben war. Zwar stellt die Tatsache allein, daß die konkreten Auswirkungen eines Dienstauftrages der Vergangenheit angehören, noch kein Hindernis für die Erlassung eines Feststellungsbescheides dar (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 948/70, Slg. Nr. 7961/A, und vom , Zl. 848/71, Slg. Nr. 8143/A); nach den obigen Ausführungen muß aber die an ein abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (vgl. außer den beiden zuletzt zitierten Erkenntnissen die Beschlüsse vom , Zl. 1667/72, und vom , Zl. 83/12/0085, Slg. Nr. 11393/A, und die Erkenntnisse vom , Zl. 1828/72, vom , Zl. 1926/77, vom , Zl. 65/78, Slg. Nr. 9662/A, und vom , Zl. 82/12/0011). Die bloße Absicht des Beschwerdeführers, sich um einen freiwerdenden Posten seiner früheren Dienststelle zu bewerben, vermag keine derartige zukünftige Rechtsgefährdung aufzuzeigen. Worin die angesprochenen Auswirkungen auf Fragen des Amtshaftungsrechtes und der Grundrechte konkret bestehen sollen, hat der Beschwerdeführer nicht ausgeführt. Abgesehen davon wären jene des Amtshaftungsrechtes im bezüglichen gerichtlichen Verfahren zu entscheiden und wäre schon deshalb nach den obigen Ausführungen ein Feststellungsbescheid unzulässig. Ähnliches gilt für die behaupteten möglichen Auswirkungen auf die Grundrechte. Daß angeblich Kollegen des Beschwerdeführers auf die Entscheidung des Gerichtshofes in der Sache warten, vermag kein konkretes Interesse des Beschwerdeführers zu begründen. Was schließlich den Hinweis auf den vergeblichen Verfahrensaufwand betrifft, ist zu bemerken, daß es sich dabei um eine notwendige Konsequenz des durch die Änderung der Sachlage eingetretenen Wegfalls des Feststellungsinteresses handelt.

Da somit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Voraussetzungen für die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides nicht mehr vorlagen (und auch kein öffentliches Interesse an der Erlassung des Bescheides bestand), hätte die belangte Behörde die bezüglichen Anträge des Beschwerdeführers zurückweisen müssen. Da sie dies nicht getan hat, war der angefochtene Bescheid - wegen Klarstellung der Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 82/12/0011).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Hinsichtlich der zitierten, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.