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VwGH vom 08.11.1988, 88/11/0152

VwGH vom 08.11.1988, 88/11/0152

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des WS in W, vertreten durch Dr. Helmut König, Rechtsanwalt in Wien XIX, Gymnasiumstraße 52, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70-8/57/88, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 "in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950" die Lenkerberechtigung für die im einzelnen bezeichneten Gruppen entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer für die Dauer der körperlichen und geistigen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. In der Begründung wurde abschließend ausgeführt, die Behörde sei berechtigt gewesen, "da Gefahr im Verzug vorlag - Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit - diese unaufschiebbare Maßnahme zu setzen und gegenständlichen Bescheid ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen (§ 57 Abs. 1 zweiter Halbsatz AVG 1950)". Die Rechtsmittelbelehrung wies ausdrücklich darauf hin, daß dagegen das Rechtsmittel der Vorstellung offen stehe, diese aber gemäß § 57 Abs. 2 AVG 1950 keine aufschiebende Wirkung habe.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter, innerhalb der zweiwöchigen Frist ein als "Berufung" bezeichnetes Rechtsmittel ein. Darin leitete der Beschwerdeführer, der sich selbst als "Berufungswerber" bezeichnete, die Rechtsmittelausführungen mit

der Wendung ein: "Innerhalb offener Frist erstatte ich ... gegen

den genannten Bescheid die nachstehende Berufung:". Abschließend wurden die "Berufungsanträge" auf Abänderung des angefochtenen Bescheides im Sinne einer Erteilung der Lenkerberechtigung, in eventu "auf Aufhebung und Rückverweisung an die erste Instanz zur Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens" gestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieses von der belangten Behörde als Berufung gewertete Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen. Das Rechtsmittel sei nicht nur falsch bezeichnet, sondern rufe darüber hinaus auch eine unzuständige Behörde an.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein dessen Unzulässigkeit nicht begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen läßt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Für die Qualifikation eines Rechtsmittels als Vorstellung muß jedenfalls gefordert werden, daß das Rechtsmittel nicht so abgefaßt ist, daß aus allen seinen Einzelheiten nichts anderes als das Begehren nach einer Berufungsentscheidung durch die im Instanzenzug übergeordnete Behörde hervorgeht. Dies insbesondere dann, wenn schon auf Grund der Begründung und Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides von Anfang an kein Zweifel aufkommen konnte, daß es sich um einen Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG 1950 handelt. Es kann nicht genügen, daß der Rechtsmittelwerber mit seinem Rechtsmittel die Überprüfung und Beseitigung des erstinstanzlichen Bescheides angestrebt hat und darin sein Rechtsmittelinteresse gelegen ist, sondern der Inhalt dieses Begehrens und damit auch die im Rechtsmittel zum Ausdruck kommende Erklärung ist dafür maßgebend, wer darüber entscheiden soll und welches Rechtsmittel tatsächlich ergriffen wurde (siehe zum Ganzen die Erkenntnisse vom , Zl. 82/11/0255, vom , Zl. 85/11/0035, und vom , Zl. 85/11/0257).

Im Lichte dieser Rechtsprechung, an der der Verwaltungsgerichtshof festhält, hat die belangte Behörde das Rechtsmittel des Beschwerdeführers zu Recht als unzulässige Berufung gewertet und zurückgewiesen. Der im Rechtsmittelschriftsatz zum Ausdruck kommende Wille des Beschwerdeführers war darauf gerichtet, eine "Berufung" zu erheben. Das zeigen nicht nur die zweimalige Verwendung dieses Wortes im Rechtsmittelschriftsatz, sondern auch die Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Berufungswerber" sowie der Rechtsmittelanträge als "Berufungsanträge" und das ausdrückliche, wenn auch eventualiter gestellte Begehren auf "Rückverweisung an die erste Instanz". Eine Umdeutung des Rechtsmittels als Vorstellung, über die nach dem Begehren des Beschwerdeführers die Behörde erster Instanz neuerlich zu entscheiden hätte, wäre daher unzulässig gewesen.

Die in der Beschwerde vorgetragenen Einwände gegen die angefochtene Entscheidung sind nicht berechtigt:

Zunächst ist es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers für die Oualifikation des Bescheides vom als Mandatsbescheid ohne Belang, daß ihm ein Ermittlungsverfahren vorangegangen ist. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/11/0142, vermag seinen Standpunkt nicht zu stützen. Diesem Erkenntnis lag ein insofern anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, als damals begründete Zweifel bestanden, ob die Erstbehörde ihren Bescheid auf § 57 AVG 1950 gestützt hatte. Solche Zweifel bestehen im vorliegenden Fall nicht. Hier hat die Erstbehörde nämlich - ganz im Sinne dieses Erkenntnisses - unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie von der Möglichkeit des § 57 AVG 1950 Gebrauch gemacht hat, und dies auch ausdrücklich mit "Gefahr im Verzug" begründet. Inwiefern das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/17/0217, den Standpunkt des Beschwerdeführers stützen könnte, hat er selbst nicht dargetan und ist auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen.

Verfehlt ist die Meinung des Beschwerdeführers, es müsse analog dem § 49 Abs. 2 VStG 1950 auch im Mandatsverfahren eine Berufung anstelle einer Vorstellung "sinnvollerweise jedenfalls dann zulässig sein, wenn nicht die Unterlassung des Ermittlungsverfahrens, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung der ersten Instanz Gegenstand des Rechtsmittels ist". Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel vorwiegend Mängel des Ermittlungsverfahrens, insbesondere das Nichtgewähren des rechtlichen Gehörs, gerügt hat, normiert § 57 Abs. 2 AVG 1950 unmißverständlich die Vorstellung als das gegen einen Bescheid nach Abs. 1 vorgesehene Rechtsmittel. Eine Wahlmöglichkeit im Falle der Erlassung eines Mandatsbescheides zwischen der Einbringung einer Vorstellung und der Erhebung einer Berufung läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/11/0255). Eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 2 VStG 1950, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt, kommt schon wegen des Fehlens einer Regelungslücke nicht in Betracht.

Für den Beschwerdeführer ist auch mit dem Vorbringen nichts zu gewinnen, es sei seinem als Berufung bezeichneten Rechtsmittel "klar zu entnehmen, welche Entscheidung in welcher Weise geändert bzw. aufgehoben werden sollte", das Rechtsmittel sei "primär auf die Abänderung des Bescheides im Sinne einer Erteilung der Lenkerberechtigung gerichtet" gewesen und es habe "nur als Eventualbegehren einen Antrag an die Behörde zweiter Instanz auf Aufhebung und Rückverweisung an die erste Instanz" enthalten, das Rechtsmittel sei ferner bei der zuständigen Behörde eingebracht worden, und es hätte die Behörde von Amts wegen das Rechtsmittel "an die zuständige Behörde weiterzuleiten". All dies vermag nichts daran zu ändern, daß das Rechtsmittel des Beschwerdeführers, wie oben dargetan, als an die belangte Behörde gerichtete Berufung anzusehen ist und die vom Beschwerdeführer vermißte "Weiterleitung" schon deshalb nicht in Frage kam, weil allein die belangte Behörde die zur Entscheidung über diese Berufung "zuständige Behörde" war.

Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am