VwGH vom 20.03.1989, 88/10/0177
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde der C in G, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, Linzer Straße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 12.314/182-IC8/88, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Großraming, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Großraming vom , A.Zl. 616/1985 Le/VM, wurde unter Berufung auf näher angeführte Bestimmungen des Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975, LGBl. Nr. 22, eine über mehrere, näher bezeichnete Grundstücke (darunter auch das Grundstück Nr. 2041, das sich im Eigentum der Beschwerdeführerin befindet) führende Straße, zum Ortschaftsweg erklärt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr Land (BH) vom wurde der Gemeinde Großraming, der nunmehr mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, über ihren, u.a. mit einem Lageplan belegten, Antrag vom unter Berufung auf die §§ 17 bis 19 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, die Bewilligung zur Rodung von Teilflächen der Parz. Nr. 2041 und 2047, KG. X, im Ausmaß von je 100 m2, entsprechend dem vorgelegten Lageplan, der wie das Gutachten vom einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilde, zum Zwecke des Ausbaues des Ortschaftsweges Oberhagau-Kleinbachbauernhäusl erteilt.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) mit Bescheid vom Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 mit der Begründung, es bestünden erhebliche Zweifel an der ausreichenden Klärung des Sachverhaltes; insbesondere die Behauptung, dass die ausgepflockte Trasse (offensichtlich jene Trasse, für die eine Beitragsgemeinschaft gebildet worden sei) nicht mit jener Trasse übereinstimme, für die eine Rodungsbewilligung beantragt worden sei, spreche dafür. Die Notwendigkeit des geplanten Projektes bzw. insbesondere der geplanten Trassenführung und die Frage, ob der gewollte Zweck nicht allenfalls auch ohne die Inanspruchnahme von Waldflächen verwirklicht werden könne, seien wesentlich für die Interessenabwägung im Sinne des § 17 Abs. 2 Forstgesetz 1975.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , einer "Planberichtigung" durch die antragsteilende Gemeinde mit Schriftsatz vom hinsichtlich der Trassenführung des in Rede stehenden Ortschaftsweges und einer neuerlichen mündlichen Verhandlung am erließ die BH mit Datum einen neuerlichen Bescheid, mit dem unter Berufung auf die §§ 17 bis 19 des Forstgesetzes 1975, nunmehr in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576 (im folgenden kurz: FG), "über die Anträge der Gemeinde Großraming vom und vom ... die Bewilligung zur Rodung von Teilflächen der Parzellen Nr. 2041 und 2051/1, KG X, im Ausmaß von ca. 300 und 320 m2 entsprechend dem vorgelegten Lageplan, der wie die Verhandlungsschriften vom und vom einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, zum Zwecke des Ausbaues des Ortschaftsweges Oberhagau-Kleinbachbauernhäusl erteilt" wurde. An diese Bewilligung wurden Vorschreibungen geknüpft; weiters wurden in der Verhandlungsschrift vom enthaltene, näher zitierte Einwendungen der Beschwerdeführerin abgewiesen.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der LH mit Bescheid vom mit der Maßgabe keine Folge, dass weitere Nebenbestimmungen vorgeschrieben wurden.
Auch dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 17 Abs. 1 FG sei die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung könne eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiege. Gemäß Abs. 3 leg. cit. sei ein solches öffentliches Interesse u.a. im "öffentlichen Straßenverkehr" begründet. Eine Rodungsbewilligung dürfe daher nur erteilt werden, wenn ein für ein bestimmtes Rodungsvorhaben bestehendes öffentliches Interesse festgestellt worden sei, welches das gesetzlich festgelegte und somit permanent bestehende öffentliche Interesse an der Erhaltung von Waldflächen übersteige. Die zur Entscheidung zuständige Behörde habe also in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob öffentliche, für das Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht worden seien und ob solche tatsächlich bestünden. Treffe dies zu, habe sie diese Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald abzuwägen und die so gewonnene Entscheidung zu begründen. Die Behörde habe also selbst dann, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung einer Fläche denn als Wald, z.B. für die Trassenführung eines Zufahrtsweges, bestehe, im Rahmen der durch das Gesetz vorgeschriebenen Interessenabwägung zu untersuchen, ob es sich dabei um ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse handle. In diesem Zusammenhang sei die Behörde - unabhängig von einer allfälligen Flächenwidmung oder eines anderen geeigneten Nachweises für ein bestehendes öffentliches Interesse - auch aus eigenem berechtigt zu beurteilen, ob ein bestimmtes Vorhaben, für das die Rodung beantragt werde, nicht auch auf andere Weise, nämlich ohne Inanspruchnahme von Waldflächen, verwirklicht werden könne. Im gegenständlichen Fall sei das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Waldfläche durch die Verordnung der "Gemeinde Großraming vom , Zl. 616/1985-Le/VM," dokumentiert. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Großraming vom sei für die Herstellung des Ortschaftsweges "Oberhagau - Kleinbachbauernhäusl" eine Beitrittsgemeinschaft gebildet und die Beschwerdeführerin in diese Beitrittsgemeinschaft einbezogen worden. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin keine Einwendungen gegen das Projekt bzw. ihre Einbeziehung in die Beitrittsgemeinschaft erhoben. Eine dagegen erhobene Berufung sei vom Gemeinderat der Gemeinde Großraming abgewiesen, ebenso sei einer diesbezüglichen Vorstellung keine Folge gegeben worden. Im nunmehr anhängigen forstrechtlichen Verfahren sei ausschließlich die Frage, inwieweit durch das gegenständliche Projekt Waldflächen beansprucht würden, zu klären und zu beurteilen, ob das bestehende öffentliche Interesse an der Errichtung des Ortschaftsweges das öffentliche Interesse an der Erhaltung der beanspruchten Waldflächen überwiege. Darüber hinaus bestehe jedoch keine Möglichkeit der Forstbehörde, in das gesamte Projekt gestaltend einzugreifen bzw. solche Grundflächen, die außerhalb der beanspruchten Waldflächen für die Errichtung des Ortschaftsweges vorgesehen seien, in das Rodungsverfahren einzubeziehen. Im Rahmen der gesetzlich festgelegten Interessenabwägung habe die Forstbehörde allerdings zu prüfen, ob bestehende Alternativen - auch ohne Inanspruchnahme von Waldflächen - geeignet seien, den gewünschten Zweck zu verwirklichen. Diesbezüglich sei von den im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren beigezogenen forsttechnischen Amtssachverständigen ausführlich dargelegt worden, aus welchen Gründen die gegenständliche Trassenführung - trotz Eingriff in die Waldsubstanz - aus technischer Sicht gegenüber einer möglichen Alternativtrasse eher geeignet sei, den gewünschten Zweck eines Zufahrtsweges bestmöglich zu verwirklichen. Demgegenüber beschränke sich die Beschwerdeführerin auf allgemeine Ausführungen über das mangelnde Fachwissen der beigezogenen Sachverständigen, ohne jedoch der Stichhaltigkeit der forsttechnischen Gutachten auf fachlicher Ebene entgegenzutreten. Im Bescheid des LH sei ausführlich dargelegt worden, weshalb den Ausführungen der Sachverständigen und nicht den Einwendungen der Beschwerdeführerin gefolgt werde und das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Errichtung des Zufahrtsweges gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung als gegeben anzunehmen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was zunächst die Möglichkeit der Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid anlangt, so ist dies schon aus ihrer Stellung als Eigentümerin einer zur Rodung beantragten Grundfläche, die Wald ist, abzuleiten. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 10 835/A, und vom , Zl. 82/07/0222) hat nämlich der Eigentümer einer Grundfläche, die Wald ist oder als solcher gilt, ein subjektives Recht darauf, dass diese Grundfläche die Waldeigenschaft nicht gegen seinen Willen auf gesetzwidrige Weise verliert.
Aus dem im Instanzenzug ergangenen Spruch des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass die Rodungsbewilligung "zum Zwecke des Ausbaues des Ortschaftsweges Oberhagau - Kleinbachbauernhäusl" erteilt wurde. Die Begründung des angefochtenen Bescheides nimmt darauf insbesondere mit der Wendung Bezug, dass das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Waldfläche durch die zitierte Verordnung der "Gemeinde Großraming vom (richtig: des Gemeinderates Großraming vom ) "dokumentiert" werde.
Die belangte Behörde hat somit das öffentliche Interesse, das ihrer Ansicht nach das öffentliche Interesse an der Erhaltung der in Rede stehenden Fläche als Wald überwiegt (vgl. § 17 Abs. 2 FG), darin erblickt, dass diese Fläche zum "Ausbau" des den Gegenstand der erwähnten Verordnung vom bildenden Ortschaftsweges verwendet werden soll.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu teilen, die Errichtung (bzw. der Ausbau) des erwähnten Ortschaftsweges sei nicht im öffentlichen Interesse gelegen. Auf Grund der Erklärung zu einer öffentlichen Straße (hier zum Ortschaftsweg, vgl. § 1 Abs. 1,§ 2,§ 5 und § 9 Abs. 3 des Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975) besteht nämlich ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung dieses Vorhabens (vgl. dazu sinngemäß zur Festlegung eines Flächenwidmungsplanes in Verbindung mit einem im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesse etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/07/0055). Allerdings geht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof vom Gemeindeamt Großraming beigeschafften Plan, welcher der Verordnung vom zugrundelag (vgl. deren § 1) und der die Trassenführung des Ortschaftsweges enthält (vgl. § 2) - ein solcher Plan war in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten -, hervor, dass diese Trassenführung nicht mit jener ident ist, welche die Grundlage für die Rodungsbewilligung gebildet hat. Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich des Planes zur Verordnung vom mit jenem, der zum Bestandteil des Spruches des Bescheides der BH vom erklärt wurde und sohin im Instanzenzug auch Teil des Spruches des angefochtenen Bescheides ist, dass die Trasse laut Plan zur Verordnung allenfalls nur geringfügig auf der zur Rodung bewilligten Fläche verläuft (wenn sie nicht überhaupt nur "tangential" zu dieser festgelegt wurde), wogegen im erwähnten Plan zur Rodungsbewilligung die Trassenführung geradezu inmitten der Rodungsfläche eingezeichnet ist.
Daraus folgt, dass die belangte Behörde offenbar in Unkenntnis des normativen Gehaltes der Verordnung vom in Hinsicht auf die Trassenführung des in Rede stehenden Ortschaftsweges und damit in Verkennung der Rechtslage ein öffentliches Interesse an der Rodung von einem Umstand - nämlich der örtlichen Lage des Ortschaftsweges - abgeleitet hat, der in dieser Form gar nicht besteht. Damit ist auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung inhaltlich rechtswidrig.
Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ohne dass in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am