VwGH vom 26.09.2002, 2001/06/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde
1. des Dr. G A und 2. der H A, beide in S, vertreten durch Dr. Hans Rieger, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Wiesingerstraße 18, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/23349/2001/5 (BBK/3/2001), betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 4 Sbg. AStEG (mitbeteiligte Partei: Mag. E S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,--binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom war gemäß § 3 Abs. 4 des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes (AStEG) festgestellt worden, dass das im Miteigentum der Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei zu je einem Drittel stehende Gebäude in Salzburg, W-Straße 25 (mit Ausnahme des im Hof an der Grundgrenze situierten eingeschossigen Schuppens), für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und das Stadtgefüge von Bedeutung sei.
Unbestritten ist, dass das beschwerdegegenständliche Objekt in der Schutzzone II im Sinne des § 2 Abs. 1 AStEG liegt.
Gegen diesen Bescheid hatten die Beschwerdeführer Berufung erhoben, der mit Bescheid der belangten Behörde vom Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben worden war.
Mit (Ersatz-)Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom wurde neuerlich nach Verfahrensergänzungen unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 4 des AStEG festgestellt, dass das Objekt W-Straße 25 (Hauptgebäude) auf dem Grundstück Nr. KG Salzburg, Abteilung Innere Stadt, EZ., für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und das Stadtgefüge von Bedeutung sei.
Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde, in der sie (u. a.) geltend machten, die in Art. II Abs. 4 der AStEG-Novelle 1995 für Feststellungen nach § 3 Abs. 4 AStEG vorgesehene Frist sei bei Bescheiderlassung bereits abgelaufen gewesen, die verspätet getroffene Feststellung sei präkludiert und somit rechtswidrig erfolgt. In der Sache selbst bestritten sie die (noch immer bestehende) Bedeutung für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und das Stadtgefüge.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde - soweit dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Relevanz ist - begründend aus, es treffe zwar zu, dass die in Art. II Abs. 4 der AStEG-Novelle 1995 festgelegte Frist zumindest im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Ersatzbescheides bereits verstrichen gewesen sei, dies führe aber noch nicht zur Unzulässigkeit der amtswegigen Feststellung nach § 3 Abs. 4 AStEG. Die Novelle 1995 sei mit in Kraft getreten. In Hinblick darauf, dass durch die Erweiterung des Schutzgebietes eine große Zahl von Bauten betroffen gewesen sei, nämlich zumindest 620 Objekte, habe der Gesetzgeber eine Übergangsregelung getroffen, wonach bis die Feststellungen nach § 3 Abs. 4 AStEG hätten getroffen worden sein sollen, bis seien diese Feststellungen aber jedenfalls zu treffen gewesen. Für eine gewisse Anzahl von Bauten sei relativ klar gewesen, dass sie keinesfalls in Betracht kämen, weshalb diesbezügliche Feststellungen bis längsten hätten getroffen worden sein sollen. Im Beschwerdefall könne dahingestellt bleiben, dass/ ob allenfalls nach Ablauf der mit festgelegten Frist die in Art. II Abs. 4 AStEG-Novelle 1995 genannte gesetzliche Vermutung des Vorliegens eines charakteristischen Baus auch (noch) nach dem anwendbar gewesen oder ab diesem Stichtag vom Nichtvorliegen eines charakteristischen Baus auszugehen gewesen wäre. Es handle sich bei dieser Frist nämlich lediglich um eine Ordnungsvorschrift, zumal eine andere Auslegung dem Schutzgedanken des AStEG zuwiderliefe und damit "sachwidrig", wenn nicht gar willkürlich und gleichheitswidrig wäre. Auch sei das (amtswegige) Feststellungsverfahren bereits im Jahr 1998 eingeleitet worden, die Verzögerung habe sich durch die offenkundige Arbeitsüberlastung der involvierten Sachverständigen ergeben. Keinesfalls könne aber ein "rechtskräftiger" Abspruch über das Vorliegen eines charakteristischen Baus gemeint sein. Die Beschwerdeführer hätten die Überschreitung der Frist auch im ersten Rechtsgang nicht gerügt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus dem Grunde der inhaltlichen Rechtswidrigkeit, lediglich "hilfsweise" aus dem der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde.
Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf "Anwendung der Bestimmung des Art. II der Salzburger Altdstadterhaltungsgesetz-Novelle 1995, LGBl. Nr. 77/1995, wonach Feststellungen gemäß § 3 Abs. 4 erster Satz des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes 1980 für alle in der Schutzzone II gelegenen Bauten jedenfalls bis zu treffen waren", insofern verletzt, als eine ihr "Wohnhaus betreffende Feststellung gemäß § 3 Abs. 4 AStEG 1980 nach Ablauf der in Art. II Abs. 4 der AStEG-Novelle 1995 normierten Präklusivfrist getroffen wurde". Aufgrund des Ablaufs dieser Präklusivfrist sei ihnen ein Recht darauf erwachsen, dass eine Festsstellung gemäß § 3 Abs. 4 AStEG ihr Wohnhaus betreffend unterbleibe, weshalb sie sich des Weiteren in diesem Recht verletzt erachten, weil sie aufgrund der bekämpften Feststellung Beschränkungen unterworfen seien, die bei Beachtung der Ausschlussfrist nicht zur Anwendung kämen.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes 1980, LGBl. Nr. 50/1980, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 39/1997 (AStEG), ist historisch bedeutsam und erhaltenswürdig außerhalb der Altstadt von Salzburg (siehe Abs. 1 leg. cit.) das durch die Bebauung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Gründerzeit) und aus den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts charakterisierte Gebiet.
Nach § 2 Abs. 1 AStEG, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 77/1995, gliedert sich das Schutzgebiet in die im § 1 Abs. 1 beschriebene Altstadt (Schutzzone I) und die im § 1 Abs. 2 beschriebenen Gründerzeitgebiete (Schutzzone II).
Der § 3 AStEG 1980 lautet:
"(1) Im Schutzgebiet haben die Liegenschaftseigentümer die Bauten, die für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge von Bedeutung sind (charakteristische Bauten), in ihrer äußeren Gestalt zu erhalten. Insbesondere ist, soweit dies allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint, der Abbruch solcher Bauten aus anderen als aus Gründen der Einsturzgefahr oder der technischen Unmöglichkeit der Behebung der Baufälligkeit unzulässig. Weiters sind die bisherigen Baulinien, Baufluchtlinien und Bauhöhen zu wahren und die Vorder- und Rückfassaden einschließlich der Durchhäuser, Passagen und Höfe sowie die charakteristischen Dachformen in ihrem originalen Bestand zu erhalten, soweit dies technisch möglich und allgemein wirtschaftlich vertretbar ist.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 schließen nicht aus, dass Beeinträchtigungen des Stadtbildes oder Stadtgefüges, die von bestimmten Teilen oder Einzelheiten des charakteristischen Baues ausgehen, insbesondere solche, die durch frühere Änderungen der äußeren Gestalt des Baues bewirkt wurden, behoben werden können. Im übrigen sind Änderungen an charakteristischen Bauten nur insoweit zulässig, als sie oder die von ihnen erfassten Bauteile oder Einzelheiten des Baues einschließlich der Bauhöhe und Proportionen für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und das Stadtgefüge ohne Bedeutung sind und sie sich in die äußere Gestalt des charakteristischen Baues und in das Stadtbild und Stadtgefüge harmonisch einfügen.
(3) Bei charakteristischen Bauten dürfen im Gebäudeinneren nur solche bauliche Änderungen vorgenommen werden, die das Zusammenwirken und die Entsprechung der äußeren Gestalt des Baues mit seiner wesentlichen inneren Gliederung und den baulichen Innenanlagen (Vorhäuser, Stiegenhäuser, Stiegen, Gewölbe sowie sonstige Bauelemente u. dgl.) sowie die im Gebäudeinneren gegebene historisch wertvolle Baustruktur und Bausubstanz (Marmorböden, Steinbrunnen, schmiedeeiserne Gitter, schmuckvoll gestaltete Türen, Holz-, Stuck- und ähnlich gestaltete Decken, sonstige bauliche Schmuckelemente, besondere Dachstuhlkonstruktionen u. dgl.) nicht beeinträchtigen. In diesem Umfang erstreckt sich die Erhaltungsverpflichtung gemäß Abs. 1 auch auf das Innere des Baues.
(4) Ob ein Bau für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge von Bedeutung ist (Abs. 1), hat die Baubehörde für sämtliche im Schutzgebiet gelegenen Bauten von Amts wegen durch Bescheid festzustellen. Liegt für einen Bau, der Gegenstand eines baubehördlichen Verfahrens ist, eine Feststellung, ob er ein charakteristischer Bau ist, noch nicht vor, so ist sie vor Durchführung dieses Verfahrens zu treffen. Bei Vorliegen wissenschaftlicher Forschungsergebnisse kann von Amts wegen ein neuerliches Verfahren zum Zweck der Feststellung als charakteristischer Bau durchgeführt werden."
Der Artikel II Abs. 4 der Altstadterhaltungsgesetz-Novelle 1995, LGBl. Nr. 77 lautet:
"Die Feststellungen gemäß § 3 Abs. 4 erster Satz sollen für alle in der Schutzzone II gelegenen Bauten bis getroffen werden; sie sind aber jedenfalls bis zu treffen. Bis zu der den Bau betreffenden Feststellung gilt dieser als charakteristischer Bau. Die Baubehörde hat jedoch für solche Bauten auf Antrag des Grundeigentümers ein Feststellungsverfahren einzuleiten; sie kann ein solches aus Anlass eines sonstigen baupolizeilichen Verfahrens oder auch ohne ein solches von amtswegen einleiten. Für Bauten, für die eine Feststellung als charakteristischer Bau keinesfalls in Betracht kommt, ist diese Feststellung bis längstens zu treffen. Feststellungen, die für bisher in der Schutzzone I, nunmehr aber in der Schutzzone II gelegene Bauten getroffen sind, gelten als Feststellungen im Sinne des § 3 Abs. 4 erster Satz weiter."
Auch im öffentlichen Recht ist bei der Interpretation einer gesetzlichen Bestimmung nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. Nach § 6 ABGB darf Gesetzen in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Diese Bestimmung verweist somit zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB I3 Rz 1 zu § 6).
Die Verwendung des Wortes "sollen" im ersten Halbsatz des Art. II Abs. 4 der AStEG-Novelle 1995 macht deutlich, dass der Landesgesetzgeber die dort normierte Befristung als Wunschvorstellung betrachtet hat, wonach im Idealfall bis zum hinsichtlich aller in der Schutzzone II gelegenen in Betracht kommenden Bauten die Feststellungen nach § 3 Abs. 4 AStEG getroffen werden sollen, ohne die vorgenommene Befristung aber im Falle ihres Verstreichens mit einer Sanktion zu versehen. Anders scheint es sich im zweiten Halbsatz des ersten Satzes in Art II Abs. 4 der AStEG-Novelle 1995 zu verhalten: hier normiert der Gesetzgeber imperativ, die zu treffenden Feststellungen "sind" aber "jedenfalls" bis zu treffen. Auch hier fehlt aber eine ausdrückliche Sanktion, etwa die ausdrückliche Unzulässigkeitserklärung oder das Vorsehen von Nichtigkeit eines außerhalb der Frist erlassenen Feststellungsbescheides. Im Zusammenhang zu lesen ist überdies auch der darauf folgende Satz, der normiert, dass "bis zu der den Bau betreffenden Feststellung ...dieser als charakteristischer Bau" zu gelten habe. Das bedeutet nichts anderes, als dass jene in der Schutzzone II gelegenen betroffenen Bauten bis zu einer bescheidmäßigen Feststellung ihrer charakteristischen Bedeutung jedenfalls als "von Bedeutung" anzusehen sind. Dies erscheint auch sachgerecht, da mit den zur Altstadterhaltung ergangenen Gesetzen die Gefährdung, Veränderung und/oder Zerstörung der für das Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge charakteristischen Bauten hintan gehalten werden sollen und dies nicht durch Säumigkeit der Behörden oder die Dauer des Behördenverfahrens in Frage gestellt werden soll. Auch ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass es dem Gleichheitsgrundsatz widerspräche, wollte man die Feststellung nach § 3 Abs. 4 AStEG, die in ihren rechtseinschränkenden Folgen konstitutiv wirkt, von der (zufälligen) Arbeitsbelastung der Behörden bzw. der involvierten Sachverständigen abhängig machen. Daher scheint zwar aus der vom Gesetzgeber verwendeten Wortwahl eine Unterscheidung zwischen erstem und zweitem Halbsatz der Bestimmung des Art. II Abs. 4 erster Satz der AStEG-Novelle 1995 zu Tage zu treten, doch kann es sich aus den dargelegten Gründen bei dieser (zweiten) Befristung - wie dies die belangte Behörde bereits zutreffend dargelegt hat - ebenfalls nur um eine bloße Ordnungsvorschrift handeln. Damit erweist sich aber die außerhalb der genannten Frist erfolgte Erlassung des gegenständlichen Feststellungsbescheides als nicht rechtswidrig, weshalb die Beschwerdeführer in jenen von ihnen als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 2 Z. 4 VwGG) genannten Rechten nicht verletzt sind.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am