VwGH 24.10.2002, 2001/06/0016
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Der Nachbar kann im Bauverfahren in der Regel nicht die Entscheidungspflicht geltend machen, solange über ein Bauansuchen oder im Zusammenhang damit stehende Einwendungen eines Nachbarn kein Bescheid ergangen ist. Vor der Entscheidung der Behörde erster Instanz kann somit nur der Bauwerber die Entscheidungspflicht geltend machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des Nachbarn ist nämlich im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn eine Baubewilligung erteilt wurde (vgl. die E vom , Zl. 92/05/0268, und vom , Zl. 93/06/0176). Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, auf Grund des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin (Nachbarin) inhaltlich zu entscheiden; sie hätte vielmehr den Devolutionsantrag zurückzuweisen gehabt (vgl. das E vom , Zl. 96/06/0016, m. w.N.). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S in P, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Gaisbergstraße 46, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde Puch, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG wird der Devolutionsantrag vom als unzulässig zurückgewiesen.
Die Gemeinde Puch hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 635,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wurde den Ehegatten E und HW als Eigentümer der an das Grundstück der Beschwerdeführerin angrenzenden Liegenschaft U-Straße 179 in P die Baubewilligung für diverse Umbaumaßnahmen erteilt. Im Zuge der Bauausführung machte die Beschwerdeführerin die Baubehörde erster Instanz auf nicht konsensgemäß durchgeführte Baumaßnahmen aufmerksam. Mit Eingabe vom suchten die Ehegatten W (unter Anschluss von Planunterlagen) sodann um Bewilligung der "Unterschreitung des Mindestabstandes der Terrassenplatte (Dachplatte - Garage) mit Terrassengeländer im Bereich der Grundgrenze S I" an, da eine behördliche Überprüfung ergeben habe, dass der Mindestabstand von 4,0 m nicht eingehalten worden sei. Über diese Anträge fand am eine mündliche Verhandlung statt. Im Rahmen dieser Verhandlung, deren Gegenstand der Antrag auf Abänderung der Baubewilligung vom unter gleichzeitiger Einbeziehung des Antrags auf Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes war, machte die Beschwerdeführerin die Verletzung der Vorschrift des § 25 Abs. 3 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz geltend.
Am stellte die Beschwerdeführerin einen mit datierten Devolutionsantrag bei der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde. Darin nahm sie auf die "Bauverhandlung vom " Bezug und "ersuchte", alle in einer näher genannten Überprüfung "aufgezeichneten Überschreitungen" in das Verfahren miteinzubeziehen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 96/06/0016, der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch zugestellt am , wurde - auf Grund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Säumnisbeschwerde - ihr Devolutionsantrag vom gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG i.V.m. § 73 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Den Ehegatten W wurde sodann von der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch mit Bescheid vom über das Ansuchen vom die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Terrasse nach Maßgabe der eingereichten Planunterlagen sowie eine Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen des § 25 Abs. 3 gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes erteilt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Vorstellung an die Salzburger Landesregierung.
Auf Grund dieser Vorstellung hob die Salzburger Landesregierung den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch vom mit Bescheid vom mit der Begründung auf, dass die Gemeindevertretung Puch zur Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig gewesen sei. Der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet gewesen, einen Zuständigkeitsübergang vom Bürgermeister zur Gemeindevertretung zu bewirken, weil der Nachbar im Bauverfahren die Entscheidungspflicht nicht geltend machen könne, wenn über das Bauansuchen noch kein Bescheid ergangen sei. Die Vorstellungsbehörde verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Puch zurück.
Am langte bei der Gemeinde Puch ein an die Gemeindevertretung gerichteter, mit datierter Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin ein. Darin stellte sie unter Hinweis auf den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom den Antrag, die Gemeindevertretung "möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in der Sache selbst, insbesondere über alle verfahrensgegenständlichen Anträge, vor allem die Anträge in der mündlichen Verhandlung vom , umgehend entscheiden".
Am erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende Säumnisbeschwerde und beantragte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Devolutionsantrag vom .
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Die Säumnisbeschwerde ist zulässig.
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war (nachdem die oberste im Verwaltungsverfahren anrufbare Verwaltungsbehörde oder der Unabhängige Verwaltungssenat angerufen wurde; § 27 VwGG). Jede Partei hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung vorliegen. Die vorliegende Säumnisbeschwerde bezieht sich auf die Säumnis der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch hinsichtlich des am bei der Gemeinde eingelangten Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin vom . Diesbezüglich bestand die Entscheidungspflicht der belangten Behörde, gleichgültig in welcher Form über den Antrag zu entscheiden war (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9458/A).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss nämlich ausgesprochen hat, ist gemäß Art. 132 B-VG ein Antragsteller beschwerdeberechtigt, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann.
Der Verwaltungsgerichtshof ist daher - da eine Entscheidung der belangten Behörde über den Devolutionsantrag auch nach Einbringung der Beschwerde nicht ergangen ist - zuständig, in der (Verwaltungs-)Sache über diesen Devolutionsantrag zu entscheiden.
Der Devolutionsantrag ist unzulässig, da der Nachbar - wie die Salzburger Landesregierung richtig erkannte - im Bauverfahren in der Regel nicht die Entscheidungspflicht geltend machen kann, solange über ein Bauansuchen oder im Zusammenhang damit stehende Einwendungen eines Nachbarn kein Bescheid ergangen ist. Vor der Entscheidung der Behörde erster Instanz kann somit nur der Bauwerber die Entscheidungspflicht geltend machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des Nachbarn ist nämlich im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn eine Baubewilligung erteilt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/05/0268, und vom , Zl. 93/06/0176). Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, auf Grund des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin in der Verwaltungssache inhaltlich zu entscheiden; sie hätte vielmehr den Devolutionsantrag zurückzuweisen gehabt (vgl. zum Ganzen das bereits angeführte, im Beschwerdefall ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/06/0016, m.w.N.).
Auf Grund der zulässigerweise erhobenen Säumnisbeschwerde ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag gemäß § 27 in Verbindung mit § 42 Abs. 4 VwGG auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Es war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - die Zurückweisung des Devolutionsantrages vom auszusprechen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf § 47 in Verbindung mit § 55 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Baurecht Nachbar Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Besondere Rechtsgebiete Baurecht Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2002:2001060016.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-36903