VwGH vom 25.09.2002, 2000/13/0108
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2002/13/0030 E
2002/13/0010 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der D-AG in W, vertreten durch KPMG Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1090 Wien, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom , GZ. RV/285- 11/01/95 und GZ. RV/333-11/01/91, betreffend Einheitswert, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft betreibt ein Versicherungsunternehmen, das auch als Rückversicherer ausländischer Versicherungsunternehmen tätig ist.
In ihren Erklärungen zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögen zum jeweils bis 1993 hat die Beschwerdeführerin die "Forderungen aus der aktiven Rückversicherung an ausländische Versicherungsunternehmen" unter Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 4 BewG 1955 lediglich mit 85 % ihres Nennwertes angesetzt. Über diese Kürzung geht der Streit vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die Ansicht des Finanzamtes, wonach die begünstigende Bestimmung des § 68 Abs. 4 BewG 1955 auf die gegenständlichen Forderungen nicht anwendbar sei und der Forderungsansatz daher zum vollen Nennwert erfolgen müsse. § 68 Abs. 4 BewG habe (in der im Beschwerdefall einzig in Betracht kommenden Fallkonstellation) nämlich zur Voraussetzung, dass die Leistung im Ausland erbracht werde. Dies treffe im Beschwerdefall auf die Forderungen aus folgenden Gründen nicht zu:
Bei der Rückversicherung handle es sich um eine Versicherung, bei der die vom Erstversicherer getragene Gefahr (das so genannte Originalrisiko) den wesentlichen Gegenstand des Versicherungsvertrages bilde. Dazu könnten noch andere Gefahrenelemente, wie z.B. Währungs- und Transferrisken mitversichert werden. Vertragspartner könne nur ein anderer Versicherer sein. Rechtsbeziehungen zwischen dem Rückversicherer und den Versicherungsnehmern bestünden nicht - in diesem Punkt unterscheide sich die Rückversicherung auch von der so genannten Mitversicherung. Die sekundäre Risikoverteilung trete dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht hervor. Sie erfolge gleichsam auf zweiter Stufe und vollziehe sich intern zwischen dem Erstversicherer (Zedent) und einem oder mehreren Rückversicherern. Auch würden Rückversicherungsgesellschaften ihre Verträge unmittelbar am Gesellschaftssitz - ohne Einschaltung einer Außendienstorganisation - abschließen. Das Versicherungsunternehmen garantiere bei Eintritt des Haftungsfalles jeweils bis zu dem in der Rückversicherung festgelegten Höchstbetrag.
Die vom Rückversicherer erbrachte Leistung bestehe somit grundsätzlich in der Gewährung des Versicherungsschutzes, d.h. in der Übernahme des Wagnisses und der Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalles. Insoweit unterscheide sich die Leistung nicht von direkten Versicherungsgeschäften. Diesbezüglich habe der Verwaltungsgerichtshof aber in seinem Erkenntnis vom , 2040/77, klargestellt, dass es für den Leistungsort unerheblich sei, wo sich das versicherte Risiko befinde. Maßgeblich sei, wo die entscheidenden Bedingungen für den Erfolg gesetzt würden, sich also das den Versicherungsschutz gewährende Unternehmen befinde; gegenständlich sei dies im Inland der Fall.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 4 BewG in der Fassung vor dem Bundesgesetz, BGBl. Nr. 402/1988, bzw. § 68 Abs. 4 Z. 1 BewG in der Fassung nach dieser Gesetzesänderung sind Forderungen aus Ausfuhrumsätzen mit 85 vH des Nennwertes anzusetzen, sofern nicht besondere Umstände gemäß § 14 einen geringeren Wert begründen. Als Ausfuhrumsätze gelten Umsätze gemäß § 6 Z. 1 bis 3 UStG 1972 sowie Leistungen, die im Ausland an ausländische Abnehmer (§ 7 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972) erbracht werden.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob es sich bei der Übernahme der Rückversicherung von ausländischen Erstversicherern um Leistungen handelt, die im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1972 im Ausland erbracht werden.
Nach § 3 Abs. 11 UStG 1972 wird eine sonstige Leistung im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum überwiegenden Teil im Inland tätig wird oder wenn der Unternehmer eine Handlung im Inland oder einen Zustand im Inland duldet oder eine Handlung im Inland unterlässt.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihre Tätigkeit als Rückversicherer erschöpfe sich zumeist in der Wahrnehmung von Kontroll- und Prüfungsrechten. Die Rückversicherungsabrechnungen würden vom Zedenten im Ausland erstellt, die ausländischen Erstversicherer nähmen auch die Schadensliquidierung und das Prämieninkasso vor. Die Tätigkeit des Rückversicherers bestünde darin, sich am Risiko des ausländischen Zedenten zu beteiligen. Die Übernahme der Rückversicherung komme somit "in die Nähe einer Duldungsleistung". Mit dem Abschluss eines Rückversicherungsvertrages dulde die Beschwerdeführerin die Inanspruchnahme durch den Erstversicherer. Das "Risiko ereigne sich beim Erstversicherer" im Ausland.
Als Hauptleistung des Versicherers steht die Gewährung des Versicherungsschutzes im Vordergrund. Sie umfasst die Übernahme des vereinbarten Wagnisses und die bei Eintritt des Versicherungsfalles zu erbringende Versicherungsleistung (vgl. in diesem Sinne das im angefochtenen Bescheid angeführte hg. Erkenntnis vom , 2040/77). Das wesentliche einer Versicherungsleistung ist das "Versicherthalten" des Vertragspartners, was sich darin zeigt, dass das Entgelt regelmäßig auch dann geschuldet wird, wenn es zu einer Inanspruchnahme durch den Vertragspartner (etwa mangels Schadenseintrittes) gar nicht kommt. Die damit verbundenen, für Versicherungsunternehmen typischen Tätigkeiten bestehen in der Berechnung von Reserven und deren Anlagen. Dass im Falle der Rückversicherung nicht auch die Erbringung des Versicherungsschutzes als bestimmendes Leistungselement anzusehen wäre, lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen.
Es mag sein, dass die für die Gewährung des Versicherungsschutzes notwendigen Vorkehrungen im Falle von Direktversicherungen umfangreicher und vielfältiger sind als im Falle von Rückversicherungen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Rückversicherer sein Entgelt nicht für die vom Erstversicherer (wo auch immer erbrachten) Leistungen erhält, sondern für die eigene gegenüber dem Erstversicherer erbrachte, in der Gewährung des Versicherungsschutzes diesem gegenüber bestehende Leistung. Die Überlegungen der Beschwerdeführerin zum Überwiegen der von den ausländischen Erstversicherern im Ausland gesetzten Aktivitäten vermengen in unzulässiger Weise die Leistungen von Erst- und Rückversicherer.
Eine "andere Auslegung der Bestimmung des § 68 Abs. 4 BewG" gebietet auch nicht der von der Beschwerdeführerin angestellte Vergleich der von Versicherungsunternehmen erbrachten Leistungen mit jenen von Banken, die Kredite an ausländische Kunden gewähren und für die daraus resultierenden Zinsforderungen die gegenständliche Begünstigung in Anspruch nehmen könnten. Gegenstand der Darlehensgewährung ist das Dulden der Kapitalnutzung gegen Entgelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 215/78, Slg. 5526/F), während Versicherungsleistungen - wie schon ausgeführt - nicht im Dulden des Schadenseintrittes (oder der Schadensregulierung durch den Erstversicherer) bestehen, sondern im aktiven Gewähren des Versicherungsschutzes, wofür sich der Leistungsort iSd § 3 Abs. 11 UStG 1972 im Inland befindet.
Die Beschwerde rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften fehlende Erhebungen zur "Tätigkeit eines Rückversicherers". Welche weiteren Ermittlungen die belangte Behörde hätte anstellen müssen, um vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rechtslage zu einem anders lautenden Bescheid zu gelangen, zeigt die Beschwerde allerdings nicht auf.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am