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VwGH vom 25.02.2004, 2000/13/0102

VwGH vom 25.02.2004, 2000/13/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI b) vom , Zl. RV/111-11/13/96, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1991 und 1992 (mitbeteiligte Partei: Land Burgenland, vertreten durch Dkfm. Wilhelm M. Kelemen, Wirtschaftsprüfer in 7000 Eisenstadt, Kaiserallee 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Zuge einer bei dem mitbeteiligten Land durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass die Vertragsbediensteten des Landes im Falle eines stationären Aufenthaltes in einer Landeskrankenanstalt (ohne dass von ihnen eine Zuzahlung zu leisten wäre) als so genannte "Sonderklassepatienten" behandelt würden. Soweit dieser Vorteil im Unternehmensbereich des Landes beschäftigten Vertragsbediensteten gewährt werde, liege ein tauschähnlicher Umsatz vor, wobei als Bemessungsgrundlage die vom Land geleisteten Zuschüsse zu den Behandlungskosten angesetzt werden könnten. Die mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden Umsätze des Jahres 1991 seien aus diesem Grund um 2,919.486,20 S und jene des Jahres 1992 um 3,220.439,18 S zu erhöhen.

Das Finanzamt schloss sich der Rechtsansicht des Prüfers an und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte das mitbeteiligte Land vor, der Vorteil werde den Vertragsbediensteten sowie deren Angehörigen ohne Verankerung in den entsprechenden Dienstverträgen gewährt. Es handle sich somit um eine freiwillige Sozialleistung, die eingeführt worden sei, um die Qualitätsunterschiede zwischen der Versicherung der Vertragsbediensten einerseits und der Versicherung der pragmatisierten Beamten andererseits auszugleichen. Die Möglichkeit einer Unterbringung in der Sonderklasse einer Landeskrankenanstalt werde zwar allen Vertragsbediensteten angeboten, jedoch von einem Großteil der Dienstnehmer gar nicht in Anspruch genommen. Solcherart liege keine Wechselbeziehung zwischen Arbeits- und Sachleistung und damit kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Das Bereitstellen eines "betriebseigenen" Spitalbettes stelle einen freiwilligen Sozialaufwand dar. Im Übrigen habe das mitbeteiligte Land den Sachverhalt im Jahr 1978 an das Bundesministerium für Finanzen herangetragen und die Auskunft erhalten, es lägen steuerfreie Zuschüsse vor.

In einer Stellungnahme zur Berufung erläuterte der Prüfer, das mitbeteiligte Land gewähre seinen Landesvertragsbediensteten auf Grund eines Landtagsbeschlusses vom im Falle einer stationären Behandlung in einer Landeskrankenanstalt die Unterbringung in der Sonderklasse gegen Übernahme der entsprechenden Kosten. Die gewährte Sonderklassebehandlung sei als Sachzuwendung steuerpflichtig. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bereits wiederholt mit der Frage befasst, ob Sachzuwendungen an Arbeitnehmer einen tauschähnlichen Umsatz darstellen würden. In allen Entscheidungen sei diese Frage bejaht worden. Im vorliegenden Fall übernehme das mitbeteiligte Land einen Aufwand, der sonst vom Arbeitnehmer selbst zu tragen wäre. Diesfalls würde das vom Arbeitnehmer als Spitalspatient und somit Empfänger der Leistung hiefür entrichtete Entgelt unstrittig der Umsatzsteuer unterzogen. Ein Vergleich mit Personen, die eine Sonderklassebehandlung im Krankenhaus nur gegen gesondert vereinbartes Entgelt in Anspruch nehmen könnten, lasse die Umsatzsteuerbarkeit der Gewährung dieser Leistung an die Dienstnehmer klar erkennen. Für das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes sei es unerheblich, ob Leistungen freiwillig gewährt würden oder darauf ein Rechtsanspruch bestünde. Der innere Zusammenhang zwischen den Sachleistungen des Arbeitgebers (des mitbeteiligten Landes) und den Arbeitsleistungen ergebe sich im Beschwerdefall bereits aus dem Umstand, dass das mitbeteiligte Land die Sonderklassebehandlung nur wegen der zu erwartenden Arbeitsleistungen gewähre. Von einer Leistung im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftseinrichtung könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die Landeskrankenhäuser nicht nur den Vertragsbediensteten des mitbeteiligten Landes und deren Angehörigen zur Verfügung stünden, wie dies für betriebliche Gemeinschaftseinrichtungen typisch sei. Was die in der Berufung angesprochene Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen anlange, existiere darüber nur ein vom mitbeteiligten Land angefertigter Aktenvermerk. Aus diesem gehe überdies hervor, dass nicht alle für die steuerliche Würdigung wesentlichen Teile des Sachverhaltes vorgetragen worden seien.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Das mitbeteiligte Land beschäftige zum einen Beamte, die bei der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten krankenversichert seien und im Falle stationärer Aufnahme in einem Landeskrankenhaus berechtigt seien, eine gegenüber den bei der Gebietskrankenkasse Versicherten "bessere Behandlung bzw. Unterbringung" zu erhalten. Zum anderen beschäftige das Land in seinem Unternehmensbereich Vertragsbedienstete, die bei Inanspruchnahme der Leistungen eines Krankenhauses auf Grund ihrer dienstrechtlichen Stellung grundsätzlich nur die Leistungen der Gebietskrankenkasse beanspruchen könnten. Diese Leistungen erreichten nicht jenes Niveau, das die Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten den bei ihr versicherten Beamten biete. Auf Grund dieses Qualitätsunterschiedes "in der medizinischen Versorgung" ihrer Beschäftigten habe das mitbeteiligte Land im Jahr 1978 beschlossen, den Vertragsbediensteten bei stationärer Behandlung in einer der Landeskrankenanstalten eine Zusatzkrankenfürsorge zum Ausgleich dieser Differenz zu gewähren. Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich bei dieser "Niveauangleichung" um eine Leistung des Dienstgebers, die dieser im Rahmen des freiwilligen Sozialaufwandes an seine Dienstnehmer erbringe. Der dadurch ermöglichten besseren Behandlung und Versorgung im Krankheitsfalle stehe keine Gegenleistung des Dienstnehmers gegenüber. Von den Dienstnehmern werde auch ohne Besserstellung im Krankheitsfall dieselbe Arbeitsleistung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erbracht. Es fehle an einem erkennbaren Leistungsaustausch. Auch sei infolge der Prüferfeststellung diese den Vertragsbediensteten gewährte Leistung gestrichen worden, ohne dass die betroffenen Vertragsbediensteten dafür einen Lohnausgleich erhalten hätten. Dennoch schuldeten sie ihre Arbeitsleistung im selben Umfang, wie vor der ersatzlosen Streichung der Zusatzkrankenfürsorge. Überdies sei es im Interesse des mitbeteiligten Landes als Arbeitgeber gelegen, die Unzufriedenheit der Vertragsbediensteten hinsichtlich dieser Ungleichbehandlung zu beseitigen. Auch habe die "soziale Besserstellung" dem mitbeteiligten Land bis zur abgabenbehördlichen Prüfung keine wesentlichen Kosten verursacht, da das Land als Erhalter der Landeskrankenanstalten ohnedies für deren Abgang aufzukommen gehabt habe. In diesem Zusammenhang gewinne auch die Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen Bedeutung, wonach der Zuschuss des Landes umsatzsteuerfrei bleiben könne, da kein Zuschuss von dritter Seite vorliege, sondern nur Budgetmittel umgeschichtet würden. Solcherart berufe sich das mitbeteiligte Land zu Recht auf diese ihm erteilte Auskunft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom beschwerdeführenden Präsidenten gemäß § 292 BAO idF vor der Änderung durch das AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 des bis zum Ablauf des Jahres 1994 in Geltung gestandenen Umsatzsteuergesetzes 1972 unterlagen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

§ 3 UStG 1972 war mit "Lieferung, sonstige Leistung" überschrieben, definierte in seinem ersten Absatz grundsätzlich den Begriff der Lieferung, in seinem Abs. 9 den Begriff der sonstigen Leistungen und normierte in seinem Abs. 14 in der für Zeiträume ab dem Jahr 1990 durch BGBl. Nr. 281/1990 gestalteten Fassung Folgendes:

"Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht.

Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder in einer sonstigen Leistung besteht. Die ohne ein besonders berechnetes Entgelt erfolgende Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragtes Beförderungsunternehmen sowie die ohne ein besonders berechnetes Entgelt erfolgende Verschaffung von Versicherungsschutz durch den Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer gelten nicht als tauschähnlicher Umsatz."

Im Anwendungsbereich des Umsatzsteuergesetzes 1972 hat der Gerichtshof (freiwillige) Leistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern wiederholt mit der Begründung als umsatzsteuerbar beurteilt, die solchen Leistungen des Arbeitgebers gegenüberstehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers begründe einen tauschähnlichen Umsatz (siehe die hg. Erkenntnisse vom , 82/15/0099, vom , 85/15/0071, Slg. Nr. 6.277/F, vom , 89/15/0036, Slg. Nr. 6.493/F, und 89/15/0073, Slg. Nr. 6.495/F). Bei den in der angeführten Rechtsprechung behandelten Sachleistungen handelte es sich durchwegs um solche, die in der verbilligten oder kostenlosen Unterkunft, Verpflegung und Beförderung von Dienstnehmern sowie der Überlassung von Garagenplätzen bestanden.

Im Beschwerdefall geht es um Leistungen, die eine Gebietskörperschaft, somit eine Körperschaft öffentlichen Rechts, als Arbeitgeberin bestimmten Dienstnehmern ohne besonders berechnetes Entgelt erbracht hat. Bei Körperschaften öffentlichen Rechts wird der Unternehmensbereich durch die Gesamtheit ihrer Betriebe gewerblicher Art gebildet. Steuersubjekt der Umsatzsteuer ist nicht der einzelne Betrieb gewerblicher Art, sondern die Trägerkörperschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/15/0113, und die dort angeführte Literatur).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darin überein, dass die Landeskrankenanstalten, die die strittigen Leistungen an die Vertragsbediensteten des Landes erbracht haben, in den Streitjahren als Betriebe gewerblicher Art dem Unternehmensbereich des Landes zuzurechnen waren. Nach der Gegenschrift des mitbeteiligten Landes handelte es sich bei den gegenständlichen Leistungen um solche, die "nur im Krankheitsfalle eines Vertragsbediensteten, nur bei Behandlung in einem der Landeskrankenhäuser, nur bei freier Kapazität von Sonderklassebetten und nur auf ausdrücklichen Wunsch der Patienten" erbracht worden seien. Dadurch werde für die Vertragsbediensteten "ein Ausgleich der Qualitätsunterschiede zwischen der Versicherung der Vertragsbediensteten bei der Gebietskrankenkasse und der Versicherung der Beamten bei der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten" ermöglicht.

Mit diesem Vorbringen tritt die mitbeteiligte Partei wie schon im Verwaltungsverfahren der Feststellung des Prüfers, andere bei der Gebietskrankenkasse versicherten Personen hätten eine Behandlung "in der Sonderklasse" nur bei entsprechender Zuzahlung in Anspruch nehmen können, nicht entgegen. Der Umstand, dass der Unternehmer (Arbeitgeber) die Vergünstigung aus freiem Entschluss oder aus sozialen Erwägungen gewährt, steht aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in den eingangs angeführten Erkenntnissen betont hat, der Beurteilung als Leistungsaustausch nicht entgegen. Soweit die mitbeteiligte Partei das "Bereitstellen eines betriebseigenen Spitalbettes" als freiwillige Sozialleistung bezeichnet, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht in Geld zu veranschlagende Vorteile von Arbeitnehmern auf Grund freiwilliger Sozialleistungen des Arbeitgebers auch dann den Arbeitsleistungen gegenüberzustellen sind, wenn den Leistungen des Arbeitgebers eine soziale Komponente innewohnt. Unabhängig von einer Äquivalenz dieser Leistungen begründen solche (in Geld zu veranschlagende) Arbeitgeberleistungen einen tauschähnlichen Umsatz (vgl. das schon angeführte Erkenntnis vom ).

Im Erkenntnis vom , 85/15/0216, wird ausgeführt, dass die vom Verwaltungsgerichtshof in der strittigen Rechtsfrage entwickelten Grundsätze eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Betrachtung einzelner Sachleistungen an Dienstnehmer, mit Ausnahme der durch das Gesetz selbst vorgenommenen Befreiungen, nicht zulassen.

Das von der belangten Behörde herangezogene Argument, der "besseren Behandlung und Versorgung im Krankheitsfall" stehe keine bestimmte Gegenleistung des Dienstnehmers gegenüber, hat der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen schon wiederholt als nicht geeignet beurteilt, das Vorliegen eines Leistungsaustausches zu verneinen. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers besteht in einem Teil seiner Arbeitsleistung. Dabei kommt es - wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in dem bereits erwähnten, die Überlassung von Garagenplätzen durch den Arbeitgeber an bestimmte Dienstnehmer betreffenden Erkenntnis vom , 89/15/0036, ausgeführt hat - nur auf den Zusammenhang zwischen den Sachleistungen des Arbeitgebers und den Arbeitsleistungen an, welcher sich aus dem Umstand ergibt, dass der Arbeitgeber die Leistung bestimmten Arbeitnehmern wegen der zu erwartenden Arbeitsleistungen überlässt. Dass die Vertragsbediensteten nach Wegfall der Begünstigung eine ungeschmälerte Arbeitsleistung schuldeten, ist im Übrigen keine Besonderheit der gegenständlichen Fallkonstellation, bezwecken freiwillige Leistungen des Arbeitgebers doch regelmäßig den Zweck, die Leistungsbereitschaft und Motivation der Dienstnehmer zu erhöhen sowie das Betriebsklima zu verbessern und solcherart auch die Arbeitsleistung der Dienstnehmer positiv zu beeinflussen, ohne dass der konkrete Umfang der von den Dienstnehmern geschuldeten Arbeitsleistung deshalb eine Änderung erfahren würde.

Auf das Vorliegen einer allfälligen die "Umsatzsteuerfreiheit" zusagenden Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen konnte sich die belangte Behörde schließlich schon auf Grund des von ihr zu beachtenden Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) nicht stützen.

Insgesamt sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher auch durch die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und jene der mitbeteiligten Partei in der von ihr erstatteten Gegenschrift nicht veranlasst, von seiner zum Umsatzsteuergesetz 1972 in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht abzugehen. Dass für den Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes 1994 unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EuGH eine andere Sichtweise geboten ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom , 98/13/0178, ausgesprochen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am