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VwGH vom 16.01.1990, 88/08/0309

VwGH vom 16.01.1990, 88/08/0309

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als

Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär

Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde

des Bundes gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl.123.389/4-7/88, betreffend Sozialversicherungspflicht (mitbeteiligte Parteien:


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1.
S, 2. Steiermärkische Gebietskrankenkasse,
3.
Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 4. Allgemeine

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der zweitmitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom wurde festgestellt, daß der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der N-Fakultät der Universität Graz ab dem nach den Vorschriften des § 1 Abs. 1 Z. 6 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (RAVG) in Verbindung mit Art. 1 Z. 3 des Bundesgesetzes vom , womit das Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 142, über die Überleitung zum österreichischen Sozialversicherungsrecht abgeändert und ergänzt wurde (7. Novelle zum Sozialversicherungsüberleitungsgesetz), BGBl. Nr. 190/1951, in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht unterlegen gewesen sei. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß eine amtliche Versicherungsanmeldung per wegen der bereits eingetretenen Verjährung im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG nicht vorgenommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch. Sie wandte sich gegen das Vorliegen der Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten ab . Auch der Erstmitbeteiligte brachte am einen Schriftsatz ein, in welchem die Berichtigung des Bescheides vom deshalb begehrt wurde, da in der Begründung dieses Bescheides unrichtigerweise ausgeführt worden sei, der Erstmitbeteiligte sei ab zur Pflichtversicherung gemeldet worden.

Mit Bescheid vom gab der Landeshauptmann von Steiermark dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei keine Folge. Der Schriftsatz des Erstmitbeteiligten wurde als Einspruch gewertet, ihm wurde insoweit stattgegeben, als der Spruch des Bescheides der zweitmitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom durch die Feststellung ergänzt wurde, daß für den Erstmitbeteiligten ab bis zum Ende des Wintersemesters 1964/65, sohin bis , auf Grund einer Lehrauftragstätigkeit an der N-Fakultät der Universität Graz Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG 1958 bestanden habe. Dies wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen damit begründet, daß gemäß den Bestimmungen des Art. I Z. 3 der 7. Novelle des Sozialversicherungsüberleitungsgesetzes vom , BGBl. Nr. 190, die mit wirksam wurden, eine von einem pragmatisierten Beamten nebenberuflich ausgeübte anderweitige Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliege. Es seien sohin Zeiten einer Tätigkeit als Lehrbeauftragter nicht, wie der beschwerdeführende Bund vermeine, erst mit Inkrafttreten des ASVG ab , sondern schon ab bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen als Zeiten der Pflichtversicherung anzuerkennen. Da gemäß § 5 Abs. 2 ASVG Geringfügigkeit in der Zeit vom bis dann gegeben sei, wenn dem Dienstnehmer monatlich kein höheres Entgelt als S 270,-- und in der Zeit vom bis kein höheres als S 390,-- gebühre, könne im Zeitraum vom bis nicht von Geringfügigkeit gesprochen werden. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, daß dem Erstmitbeteiligten nach seiner Ernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor mit Wirkung vom Tag X keine remunerierten Lehraufträge erteilt worden seien, da ihm in diesen Zeiträumen für die außerhalb seiner Lehrverpflichtung abgehaltenen Lehrveranstaltungen nach den damals relevanten Bestimmungen des Gehaltsgesetzes und des bereits außer Kraft getretenen Hochschul-Taxengesetzes 1953 das aus Studienbeiträgen eingegangene Kollegiengeld überlassen worden sei, gehe ins Leere, da die Art der Vergütung für den erteilten Lehrauftrag keine Bedeutung für die grundsätzliche Beurteilung der Versicherungspflicht und des Dienstverhältnisses habe. Daß dem Erstmitbeteiligten entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nach seiner Ernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor Lehraufträge erteilt worden seien, gehe unbestritten aus einem Erlaß des Bundesministers für Unterricht vom , Zl. 79587-I/1/65, hervor, in welchem festgestellt worden sei, daß dem Erstmitbeteiligten durch seine Ernennung zum Universitätsprofessor der ihm bis auf weiteres erteilte Lehrauftrag nicht erloschen sei. Dem Erstmitbeteiligten seien daher auf Grund seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der N-Fakultät der Universität Graz Zeiten ab dem bis zum als Zeiten der Pflichtversicherung anzuerkennen. Dieser sei weder vor dem noch nach dem auf Grund der oben angeführten Tätigkeiten zur Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht vom Dienstgeber angemeldet worden, weshalb dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei keine Folge zu geben und dem Einspruch des Erstmitbeteiligten auf Ergänzung des erstinstanzlichen Bescheides stattzugeben gewesen sei.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde, die mit dem angefochtenen Bescheid dieser Berufung keine Folge gab und den bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark aus seinen zutreffenden Gründen bestätigte.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift. Der Erstmitbeteiligte und die zweitmitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse erstatteten je eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zweitmitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse entschied in ihrem Bescheid vom nur über die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten in der Rentenversicherung nach den Vorschriften des § 1 Abs. 1 Z. 6 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (RAVG) in der Zeit vom bis . Daß über eine Versicherungspflicht nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes BGBl. Nr. 189/1955 (ASVG), also nach dem , abgesprochen wurde, geht aus dem Spruch dieses Bescheides nicht hervor. Auch aus der Begründung ergibt sich, daß der Erstmitbeteiligte die Feststellung seiner Versicherungspflicht in der Rentenversicherung vor dem beantragt habe.

Die beschwerdeführende Partei bestritt in ihrem Einspruch das Vorliegen der Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten ab ; auch der als Einspruch gewertete Schriftsatz des Erstmitbeteiligten war auf die Zeit nach dem gerichtet.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde, außer in dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Befugnis der Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckt sich nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also in bezug auf die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat, soweit der darüber ergangene Bescheid angefochten wurde (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 10.305/A, und vom , Zl. 07/1199/80).

Da über das Bestehen der Versicherungspflicht nach dem im beeinspruchten Bescheid nicht entschieden worden war, hätte der Landeshauptmann von Steiermark über die Versicherungspflicht in der Zeit nach dem nicht inhaltlich absprechen dürfen, sondern den Einspruch der beschwerdeführenden Partei zurückweisen müssen. Der Schriftsatz des Erstmitbeteiligten hätte nicht als Einspruch behandelt werden dürfen, weil er keinen begründeten Einspruchsantrag enthält (vgl. hiezu unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/17/0139, und vom , Zl. 89/08/0133). Die belangte Behörde hätte aufgrund der Berufung der beschwerdeführenden Partei den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom mit der Begründung aufheben müssen, daß dieser in der Sache selbst entschieden habe, anstatt den Einspruch zurückzuweisen. Dadurch, daß die belangte Behörde aber ebenfalls eine inhaltliche Entscheidung getroffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Fundstelle(n):
TAAAE-36849