VwGH vom 15.03.1994, 92/11/0278
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in J, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIb2-K-2562/6-1992, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorübergehend entzogen und ausgesprochen, daß ihm für die Zeit von vier Monaten, gerechnet ab dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (das war der ) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt die bekämpfte Entziehungsmaßnahme darauf, daß der Beschwerdeführer am um ca. 22.30 Uhr seinen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Beschädigung eines Telefonmastes samt Telefonleitung der Post- und Telegraphenverwaltung verschuldet habe. Der Beschwerdeführer hätte angegeben, daß er vor Antritt der Fahrt zwei Schnäpse und ein kleines Bier getrunken habe, als Nachtrunk seien zwei große Bier behauptet worden. Die am um 1.50 Uhr und 1.52 Uhr beim Gendarmerieposten Schwaz durchgeführte Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomaten habe Werte von 1,07 und 1,10 mg/l Atemluftalkoholgehalt ergeben. Laut dem eingeholten Gutachten eines Amtsarztes habe sich daraus und unter Berücksichtigung der Nachtrunkverantwortung des Beschwerdeführers eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 %o zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls ergeben. Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers sah die belangte Behörde als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 an. Sie billigte die von der Erstbehörde vorgenommene Wertung, daß das vom Beschwerdeführer begangene Alkoholdelikt als besonders gefährlich und verwerflich zu beurteilen sei, sodaß es der gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 festgesetzten Zeit von vier Monaten bedürfe, damit der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit wieder erlange.
Der Beschwerdeführer führt demgegenüber ins Treffen, daß er den durch den Unfall entstandenen Schaden vorerst nicht habe erkennen können, seinen beschädigten Pkw neben der Fahrbahn stehengelassen und sich nach Hause begeben habe, wo er - da er mit Ermittlungen der Gendarmerie nicht habe rechnen müssen - einen Nachtrunk zu sich genommen habe, von dem er schätze, daß es "ca. fünf Bier und ca. fünf Cognac" gewesen seien. Der Gendarmerie gegenüber habe er von "ein paar Bier" gesprochen, "den Cognac" habe er vorerst verschwiegen. Die Menge des konsumierten Alkohols habe von ihm nur annähernd angegeben werden können. Die belangte Behörde sei auf seine Verantwortung jedoch nicht eingegangen. Die belangte Behörde habe auch die Unfallzeit nicht verifiziert. Ebenso bleibe unklar, weshalb die Behörde dem Sachverständigen als Prämisse für sein Gutachten aufgetragen habe, daß der Beschwerdeführer den Nachtrunk zwischen 23.30 Uhr und 24.00 Uhr in Form von zwei Bier zu sich genommen habe. Von diesem Zeitraum sei nie die Rede gewesen.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen:
Die belangte Behörde hat die maßgebliche Feststellung, daß sich der Beschwerdeführer zur Tatzeit (Unfallzeitpunkt, den der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom selbst mit 22.30 Uhr zugestanden hatte) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, vor allem auf das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom gestützt, aus dem sich ergibt, daß der Beschwerdeführer, auch unter Annahme eines Nachtrunks, im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 alkoholbeeinträchtigt gewesen ist. Der Beschwerdeführer bekämpft die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens an sich nicht, rügt jedoch, daß darin "nur" ein Nachtrunk von zwei großen Bier berücksichtigt worden sei. Aber auch dieser Umstand begegnet keinen Bedenken: Auf Grund der Anzeige im Zusammenhalt mit der Aussage des als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten D ergibt sich, daß der Beschwerdeführer bei seiner ersten Einvernahme als Nachtrunk "zwei große Bier" geltend gemacht hat.
Der Beschwerdeführer hatte im Zuge des Verfahrens seine Trinkverantwortung hinsichtlich des Nachtrunks wiederholt geändert und in seiner schriftlichen Stellungnahme vom behauptet, daß er dem Gendarmeriebeamten gegenüber von "ein paar Bier" gesprochen habe. Zudem habe er Cognac konsumiert, was er der Gendarmerie gegenüber verschwiegen habe. Die genaue Menge sei ihm nicht mehr erinnerlich. Jedenfalls habe er vor dem Unfall lediglich zwei Schnäpse und ein kleines Bier getrunken. Schließlich legte sich der Beschwerdeführer (in der Beschwerde) darauf fest, daß er seinen Alkoholkonsum beim Nachtrunk auf "ca. fünf Bier und ca. fünf Cognac" schätze. Damit vermag er aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wenn die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Erstbehörde der vom nunmehr anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer behaupteten Menge des Nachtrunks von "ein paar Bier" und Cognac im nicht näher bezeichneten Ausmaß keinen Glauben geschenkt hat, so vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu finden, daß insoweit der belangten Behörde ein relevanter Verfahrensmangel vorzuwerfen ist. Der Beschwerdeführer hat bei seiner ersten Befragung durch den Gendarmeriebeamten am Tatort, bei welcher Gelegenheit in der Regel am ehesten richtige Angaben gemacht werden (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/03/0266), als er nämlich nach einer zwischenzeitigen Anwesenheit zu Hause wieder an den Unfallort zurückgekehrt war, um sein Fahrzeug abschleppen zu lassen, gegenüber dem Gendarmeriebeamten als Nachtrunk zu Hause "zwei große Bier" angegeben und nicht die geringste Andeutung betreffend eines weiters konsumierten Cognacs gemacht. Dagegen vermögen auch die Argumente der Beschwerde nicht zu überzeugen. Im übrigen ergibt sich weder auf Grund des Beschwerdevorbringens noch aus dem Akteninhalt, daß die angenommene Zeit des Nachtrunks - kurz nach dem Unfall - nicht den Tatsachen entspreche oder sich zu Lasten des Beschwerdeführers auswirken könnte. Der Beschwerdeführer hätte bereits im Verwaltungsverfahren seine diesbezügliche Zurückhaltung aufgeben und im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht konkrete Angaben dazu machen müssen, zu welcher anderen Zeit er den Alkohol zu sich nahm, was er jedoch unterließ.
Auch der von der belangten Behörde - unter Bezug auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - geäußerten Rechtsansicht, daß derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols KONKRET zu behaupten und zu beweisen hat, begegnen keine Bedenken (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/02/0346).
Ebenso ist die Feststellung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer bei seiner Fahrt in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall verschuldet habe, unbedenklich. Die belangte Behörde hat hiezu ein umfassendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und stützt sich diesbezüglich auf das verkehrstechnische Gutachten eines Kraftfahrzeug-Sachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung vom , welcher auch einen Ortsaugenschein durchgeführt hatte. Daraus ergibt sich, daß der vom Beschwerdeführer geschilderte Unfallablauf - er hatte die Kollision mit dem Telefonmast nicht bestritten, sich jedoch damit verantwortet, daß sein Fahrzeug von einem anderen überholt und dabei "geschnitten" worden war, wodurch er ins Schleudern geraten sei - nicht nachvollziehbar ist. Bei der Prüfung der Beweiswürdigung der belangten Behörde sind dem Verwaltungsgerichtshof insofern Grenzen gesetzt, als sich seine Kontrollbefugnis nur darauf beschränkt, die Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit und auf ihre Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut sowie daraufhin zu prüfen, ob der Sachverhalt vollständig erhoben worden ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053). Die belangte Behörde hat ausführlich dargelegt, warum sie der Verantwortung des Beschwerdeführers, der das Verschulden an dem Unfall einem anderen - unbekannten - Fahrzeuglenker zuordnen wollte, nicht Glauben geschenkt hat. Daran vermochte auch der Umstand nichts zu ändern, daß der durch den Unfall entstandene Schaden für den Beschwerdeführer vorerst nicht erkennbar war.
Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.