VwGH vom 14.06.1993, 92/10/0448
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der Mag. M in H, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom , Zl. 262.207/2-II/A/4/92, betreffend Feststellung der Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am ersuchte die Beschwerdeführerin (unter Hinweis auf das sie betreffende Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Apothekerkammer vom ) den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 14, um "Stellungnahme, ob bei diesem Sachverhalt die Verläßlichkeit gemäß § 3 Apothekengesetz ausgeschlossen wird". Zu dieser Anfrage der Beschwerdeführerin äußerte sich das von der angerufenen Behörde beigezogene Gesundheitsamt der Stadt Wien unter anderem dahin, daß die Beschwerdeführerin als Pächterin und verantwortliche Leiterin einer Apotheke an der illegalen Überlassung von suchtgifthältigen Medikamenten und Ersatzdrogen an Drogenabhängige in großen Mengen mitgewirkt und diese unterstützt und gefördert habe. Auf Grund der "geschilderten Vorkommnisse" könne nicht gesagt werden, daß die Beschwerdeführerin die Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke besitze.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich nach Vorhalt dieser Stellungnahme unter anderem dahin, daß ihre disziplinäre Verurteilung nur Verstöße gegen "Formvorschriften" betreffe und mehr als drei Jahre zurückliege; seither habe sie die von ihr gepachtete Apotheke ordnungsgemäß geführt. Es sei unrichtig, daß sie an der illegalen Überlassung von suchtgifthältigen Medikamenten und Ersatzdrogen mitgewirkt habe; das gegen sie eingeleitete Strafverfahren sei eingestellt worden. Da dies für ihre berufliche Zukunft unbedingt notwendig sei, beantrage sie die bescheidmäßige Feststellung, daß sie die Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke im Sinne des § 3 Apothekengesetz besitze.
Am erging eine als "Bescheid" bezeichnete, den Briefkopf "Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 14 - Sanitätsrechtsangelegenheiten und Sozialversicherung" tragende und "Für den Abteilungsleiter:
Dr. S. OMR" gefertigte Erledigung mit folgendem Spruch:
"Nach § 3 Abs. 1 Z. 6 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907 in der geltenden Fassung, wird festgestellt, daß bei ... (der Beschwerdeführerin) die Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke nicht besteht."
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen die als "Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 14" bezeichnete Erledigung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den (von ihr dem "Dr. S für den Abteilungsleiter im Amt der Wiener Landesregierung" zugerechneten) "Bescheid" gemäß § 66 Abs. 4 AVG als rechtswidrig auf und wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Verläßlichkeit gemäß § 3 Apothekengesetz als unzulässig zurück. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde zunächst die Auffassung, der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil nicht erkennbar sei, welche Behörde ihn erlassen habe. Nach dem Apothekengesetz käme die Prüfung der Verläßlichkeit sowohl durch den Landeshauptmann (im Rahmen eines Konzessionsverfahrens nach § 10 Apothekengesetz oder eines Pachtprüfungsverfahrens nach § 17 Apothekengesetz) als auch durch die Bezirksverwaltungsbehörde (nach den §§ 19, 20a und 55 Apothekengesetz) in Betracht. Eine gesonderte Feststellung des Vorliegens der Verläßlichkeit sei im Apothekengesetz nicht vorgesehen; im Verfahren nach den zuletzt zitierten Gesetzesstellen sei diese Frage als Vorfrage zu lösen. Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen sei, könne nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden. Es liege auch kein strittiges Recht oder Rechtsverhältnis vor, das einer bescheidmäßigen Feststellung zugänglich sei. Der bekämpfte Bescheid sei daher rechtswidrig; auch die belangte Behörde könne keinen solchen Feststellungsbescheid erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bezeichnung der Behörde in schriftlichen Bescheidausfertigungen (vgl. § 58 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 leg. cit.) wesentliche Bedeutung zu. Fehlt eine solche Bezeichnung, so kann das betreffende Schriftstück - mag es auch sonst die Merkmale eines Bescheides aufweisen - nicht als Bescheid angesehen werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/18/0149, und vom , Zl. 91/03/0247). Dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes (vgl. hiezu nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/18/0149) - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde; ist die bescheiderlassende Behörde nicht erkennbar (die Erledigung einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar), so liegt ein Bescheid nicht vor (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 91/18/0172, 0173, sowie Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 410 mwN). Die vorliegende erstinstanzliche Erledigung kann - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nach objektiven Gesichtspunkten keiner bestimmten Behörde zugerechnet werden. Das Amt der Landesregierung wird grundsätzlich als Hilfsapparat der Landesregierung bzw. in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung als Hilfsapparat des Landeshauptmannes tätig. Es kann aber auch von Gesetzes wegen als eigene behördliche Instanz berufen sein (vgl. Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 342, 345; Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 9287; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/09/0009).
Den Magistrat der Stadt Wien betreffend ist weiters darauf zu verweisen, daß diesem (ebenfalls) einerseits Behördenqualifikation, andererseits die Funktion eines Hilfsapparates zukommt (vgl. z.B. Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht7, Rz 910, 914 ff).
Im bereits zitierten Erkenntnis vom , Zl. 90/09/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, gerade die Vielfalt der Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereiche der Ämter der Landesregierungen mache es erforderlich, daß bei der Ausfertigung von Bescheiden jeweils klar und unmißverständlich zum Ausdruck komme, ob das Amt der Landesregierung als Hilfsapparat der Landesregierung oder des Landeshauptmannes oder aber als selbständige Behörde handle. Dabei genüge es nicht, daß die Berufungsbehörde in Korrektur des äußeren Anscheines des jeweils angefochtenen Bescheides aus dem rechtlichen Zusammenhang erschließen könne, welche Behörde den Bescheid erlassen habe.
Von diesen Grundsätzen ausgehend und im Hinblick darauf, daß im vorliegenden Fall neben der Bezeichnung "Amt der Landesregierung" ein (weitere Zurechnungsmöglichkeiten begründender) Hinweis auf den Magistrat der Stadt Wien enthalten ist, kann nicht davon die Rede sein, daß die mit "Amt der Wiener Landesregierung - Magistratsabteilung 14, Sanitätsrechtsangelegenheiten und Sozialversicherung" überschriebene, weder inhaltlich noch in der Fertigungsklausel einen Hinweis auf die bescheiderlassende Behörde enthaltende Erledigung aus objektiver Sicht einer bestimmten Behörde zugerechnet werden könnte; sie kann daher nicht als Bescheid qualifiziert werden.
Dies hat die belangte Behörde zutreffend erkannt; sie hat daraus jedoch nicht die gebotenen Konsequenzen gezogen: Wegen des fehlenden Bescheidcharakters der erstinstanzlichen Erledigung hätte die Berufungsbehörde mit Zurückweisung der Berufung vorgehen müssen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/09/0169, vom , Zl. 90/04/0278, und vom , Zl. 92/07/0173).
Die - im Beschwerdefall in der Aufhebung des bekämpften Bescheides und Zurückweisung des Feststellungsantrages bestehende - Sacherledigung der Berufung ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Aus Gründen der Prozeßökonomie ist auf folgendes hinzuweisen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 89/10/0117, und vom , Zl. 90/12/0239) sind Verwaltungsbehörden berechtigt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn diese entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse der Partei liegen und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen. Gegenstand eines derartigen Feststellungsbescheides kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein, nicht aber die Feststellung von Tatsachen, für die das Gesetz ausdrücklich eine solche Feststellung vorsehen müßte. Ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegener Anlaß zur Feststellung liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden kann.
Die "Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke" (§ 3 Abs. 1 Z. 6 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF (vor der Novelle BGBl. Nr. 96/1993, im folgenden ApG), deren bescheidmäßige Feststellung in bezug auf ihre Person die Beschwerdeführerin begehrt, ist eines jener Tatbestandsmerkmale, deren Vorliegen insgesamt die "persönliche Eignung" im Sinne des § 3 ApG ausmacht. Diese ist zur Erlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke erforderlich (§ 3 Abs. 1 erster Satz ApG) und somit u. a. Gegenstand der Verfahren über die Erteilung einer Apothekenkonzession (§ 9 ApG), über die Zurücknahme der Konzession (§ 19 Abs. 2 Z. 1 ApG) und die Genehmigung eines Pachtvertrages (§ 17 Abs. 3 Z. 1 ApG). Die "Verläßlichkeit" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 6 ApG ist weiters im Verfahren über die Genehmigung der Bestellung eines verantwortlichen bzw. stellvertretenden Leiters (§§ 17a und 17b ApG), die zeitweise Entfernung des Konzessionsinhabers von der Leitung der Apotheke (§ 18 Abs. 1 ApG), die Entfernung des Pächters, verantwortlichen Leiters oder Stellvertreters (§ 20 Abs. 1 ApG), und die vorläufige Enthebung von der Leitung bei Verdacht einer strafbaren Handlung (§ 20a Abs. 1 ApG) zu beurteilen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die begehrte Feststellung als unzulässig: Das Gesetz sieht eine solche Feststellung nicht ausdrücklich vor. Es handelt sich bei der "Verläßlichkeit in Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke" auch nicht um ein einer gesonderten bescheidmäßigen Feststellung zugängliches Recht oder Rechtsverhältnis, sondern um eine Frage, die von der nach dem Gegenstand des jeweiligen Verfahrens in der Hauptfrage örtlich und sachlich zuständigen Behörde zu lösen ist. Abgesehen davon lassen die Darlegungen der Beschwerdeführerin, daß ihr die gepachtete Apotheke zum Kauf angeboten worden sei, wobei die lange Dauer eines Konzessionsverfahrens berücksichtigt werden müsse, auch nicht erkennen, daß das (in einem solchen Fall durchzuführende) Verfahren zur Erwirkung einer neuen Konzession im Sinne des § 15 Abs. 1 ApG keinen zumutbaren Rechtsweg darstellte.