VwGH 04.09.2001, 2001/05/0133
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §71; BauRallg; |
RS 1 | Die Erteilung einer Baubewilligung ist nach § 71 Wr BauO nur zulässig, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt (Hinweis E 1999/01/19, 98/05/0195). |
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RS 2 | Selbst ein tatsächlicher Bestand, auch durch Jahrzehnte, kann nicht bewirken, dass das Ermessen iSd § 71 Wr BauO unabhängig von der gegebenen Rechtslage und vom jeweils vorliegenden Sachverhalt stets positiv zu handhaben ist (Hinweis E 1992/05/12, 91/05/0221). |
Normen | BauO Wr §71; BauRallg; |
RS 3 | Auch der Umstand, dass von der gesetzlichen Bebaubarkeit wesentlich abgewichen wird, vermag eine Versagung der Baubewilligung nach § 71 Wr BauO zu begründen (Hinweis E 1992/05/12, 91/05/0221). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Rudolf Holzhacker und der Gertrude Holzhacker in Wien, beide vertreten durch Dr. Josef Olischar und Mag. Martin Kratky, Rechtsanwälte in Wien I, Museumstraße 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR-B XXII- 14/98, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer haben mit einem am bei der Behörde eingelangten Ansuchen die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von fünf Glashäusern in Wien XXII, Donaufelderstraße 164, beantragt. Das Ansuchen war mit der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom belegt, wonach näher bezeichnete Grundstücksteile in das öffentliche Gut zu übertragen seien. Demnach ist die Widmung Wohngebiet, die Bauklasse III, durch geschlossene Bauweise und teilweise die Bauklasse IV festgesetzt, wobei ein Teil des zu verbauenden Grundstückes gärtnerisch auszugestalten ist.
Die für Stadtteilplanung und Flächennutzung zuständige Magistratsabteilung 21C teilte der Baubehörde über deren Anfrage mit Schreiben vom mit, dass für die beiden nördlichsten, in den Plänen 1 und 2 dargestellten Bauvorhaben - zwei Glashäuser mit einer Fläche von 3390 m2 bzw. 1294 m2 - seitens der Magistratsabteilung 21C kein Einwand gegen eine Bewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien, befristet auf maximal 10 Jahre, bestehe.
Für die drei südlichen, im beiliegenden Plan 3 dargestellten Bauvorhaben könne seitens der Magistratsabteilung 21C einer Bewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien nicht zugestimmt werden. Zwischen den projektierten Glashäusern und der künftigen Josef-Baum-Gasse sei derzeit eine Bauplatzschaffung im Gange. In diesem Bereich solle bereits 1998 mit der baulichen Umsetzung des Leitprogrammes Kagran West begonnen werden und es könne daher für die direkt angrenzende Liegenschaft im Hinblick auf wechselweise Beeinträchtigungen auch einer zeitlich beschränkten Bewilligung für Bauten der gärtnerischen Nutzung nicht zugestimmt werden. Den Beschwerdeführern wurde diese Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.
In der über das Baugesuch durchgeführten Verhandlung vom führte die für Straßenverwaltung und Straßenausbau zuständige Magistratsabteilung 28 aus, für sämtliche Straßenzüge auf den gegenständlichen Grundflächen bestünde ein Ausbaubeschluss des Gemeinderates. Da die derzeit im Ausbau befindliche T. Straße von den Bauführungen nicht betroffen sei, bestehe kein Einwand gegen eine befristete Bewilligung auf 10 Jahre, da in diesem Bereich derzeit keine Grundflächeneinlösungen stattfänden. Den Beschwerdeführern wurde während der Verhandlung seitens des Verhandlungsleiters mitgeteilt, dass für die drei südlichen Glashäuser keine Möglichkeit bestehe, die Baubewilligung gemäß § 70 oder § 71 BO zu erteilen. Bei den beiden nördlichen Glashäusern bestehe die Möglichkeit einer Baubewilligung gemäß § 71 BO, befristet auf 10 Jahre. (Diese Glashäuser waren Gegenstand eines gesonderten Bescheides und sind hier nicht verfahrensgegenständlich.) Dazu führten die Beschwerdeführer aus, für den Fall, dass eine definitive Baubewilligung nicht möglich sein sollte, sollten in allen Fällen Bewilligungen gemäß § 71 BO, aber nicht befristet, sondern unbefristet gegen Widerruf erteilt werden. Die Ausbaubeschlüsse für die unbenannten Straßenzüge lägen bis dato nicht vor und die weitere widmungsgemäße Bebauung des Geländes liege in unbestimmter Zukunft, ein öffentliches Interesse an den Maßnahmen des WBSF existiere nicht, weil dieser rein privatwirtschaftlich agiere.
Mit Schreiben vom wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt, dass der straßenmäßige Ausbau der Verkehrsflächen mit den Codenummern 5864, 6272, 6298, 6311, 6312 einschließlich des "öffentlichen Durchganges" 6313 und 6314 im Bereich der Stadterweiterungsfläche Kagran West mit Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Umwelt und Verkehr vom genehmigt worden sei.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/22, vom wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 und § 71 der Bauordnung für Wien für drei Glashäuser versagt. Die Glashäuser stellten keine gemäß § 6 Abs. 6 BO (für Wohngebiete) zulässige Nutzung dar, ein Gebäude sei auf einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche situiert, überdies sei die erforderliche Grundabtretung (§ 17 BO) nicht durchgeführt worden. Anrainer hätten Einwendungen erhoben. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid, dass die Straßen mit den Codenummern 6272 und 6312 ausgebaut würden, seien unrichtig. Diese Straßen würden derzeit noch nicht ausgebaut. Auch ein diesbezüglicher Ausbaubeschluss des Gemeinderates liege nicht vor, sondern lediglich eine Genehmigung des Gemeinderatsausschusses für Umwelt und Verkehr. Es seien auch derzeit noch keine Anträge auf Abteilungsbewilligungen anhängig. Könne auch wegen allfälliger, in ferner Zukunft geplanter Bauvorhaben eine Bewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien nicht erteilt werden, so wäre jedenfalls eine Bewilligung nach § 71 BO zu erteilen gewesen. Es würden keine subjektiven Rechte von Anrainern im Sinne des § 71 BO verletzt. Im Rahmen einer befristeten Baubewilligung gemäß § 71 BO sei auch die bestimmungsgemäße Widmung der Grundfläche im Sinne des § 6 Abs. 6 BO entbehrlich, ebenso allfällige in § 79 BO normierte Bestimmungen, da auf sie nach der Lage des Falles im Bescheid der Behörde erster Instanz zu verzichten gewesen wäre.
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG den angefochtenen Bescheid insofern aufgehoben, als eine Baubewilligung gemäß § 70 BO versagt wurde. Im Übrigen (Versagung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO) wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, es sei kein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 BO mehr vorgelegen, weshalb die Versagung gemäß § 70 BO ersatzlos zu beheben gewesen sei. Aus dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen ergebe sich, dass die geplanten Glashäuser so errichtet werden sollten, dass sie nicht in die öffentlichen Verkehrsflächen mit den Codenummern 6312 und 6272 ragten, das nördlichste Glashaus sollte im Bereich der nach den Widmungs- und Bebauungsbestimmungen mit "Wohngebiet, Bauklasse III, geschlossen" festgesetzten Flächen auf einer gärtnerisch zu gestaltenden Fläche entstehen. Das mittlere Glashaus sei auf einer ebenfalls als Wohngebiet gewidmeten Fläche vorgesehen, für welche teilweise die Bauklasse III und teilweise die Bauklasse IV gelte. Auch diese Fläche sei geschlossen zu verbauen. Auf einer Fläche mit den gleichen Bebauungsbestimmungen solle südlich der Gasse mit der Codenummer 6272 das dritte Glashaus errichtet werden. Die Beschwerdeführer seien sich offensichtlich der Unvereinbarkeit der geplanten Baulichkeiten mit der Widmung "Wohngebiet" und der festgesetzten Bauklasse bewusst, weshalb sie von vornherein nur eine Bewilligung gemäß § 71 BO anstrebten. Nach dieser Bestimmung könne die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspreche, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Die Beschwerdeführer hätten weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Rechtsmittel dargetan, weshalb ihrer Meinung nach ein begründeter Ausnahmefall vorliege, der die Anwendung des § 71 BO rechtfertige. Einer dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entsprechenden Bebauung der Liegenschaft hätte die Schaffung von Bauplätzen und damit die Abtretung von Grundflächen in das öffentliche Gut zur Schaffung der vorgesehenen öffentlichen Verkehrsflächen Codenummer 6312 und 6272 voranzugehen. Würden die Abteilungsbewilligungen nicht beantragt und komme es daher nicht zur Grundabtretung, so müssten die zur Herstellung der öffentlichen Straßen notwendigen Grundflächen erforderlichenfalls enteignet werden. Die Enteignung sei gegenüber der Abtretung in das öffentliche Gut der aufwendigere Weg zur Erwerbung von Grundflächen für öffentliche Straßen. Es liege daher nicht im öffentlichen Interesse, durch die Erteilung von Baubewilligungen gemäß § 71 der Bauordnung für Wien den Anreiz zu vermindern, Grundabteilungen zu beantragen und die gewidmeten Verkehrsflächen in das öffentliche Gut zu übertragen. Sprächen schon die vorgenannten Erwägungen gegen eine positive Ermessensausübung und damit gegen die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO, so komme noch dazu, dass die Glashäuser offensichtlich einer wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden sollten, sodass die Bereitschaft der Grundeigentümer, die Flächen einer dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entsprechenden Bebauung zuzuführen, nachhaltig vermindert werde.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 2392/98-8, (nach Einholung des Verordnungsaktes) abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes gemäß § 71 BO verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen.
Die in der ergänzten Beschwerde vertretene Ansicht, der vom Gesetz geforderte begründete Ausnahmefall beziehe sich nicht auf Bauten, die (schon) deshalb nicht dauernd bestehen bleiben könnten, weil sie der Widmung des Grundstückes widersprechen, sondern nur auf solche Bauten, die aus anderen Gründen den Bestimmungen der BO für Wien widersprechen, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, ist die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 BO nur zulässig, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/05/0195, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).
Nach den Bebauungsbestimmungen wären an Stelle des eingereichten Projektes Gebäude in der Bauklasse III bzw. IV zulässig, an Stelle eines Glashauses wäre eine Grundfläche gärtnerisch auszugestalten, überdies wären Grundstücksteile in das öffentliche Gut abzutreten. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall seitens der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles nicht dargetan wurde. In der Beschwerde wird ausgeführt, das Interesse der Beschwerdeführer, ihre Liegenschaft für Zwecke ihres (bereits bestehenden) Gärtnereibetriebes solange betrieblich weiterzunutzen, bis die Bebauung der umliegenden Grundstücke eine tatsächlich widmungsgemäße Nutzung der nach den Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen für Verkehrsflächen reservierten Grundflächen erfordere, sei selbstverständlich und müsse nicht eigens behauptet werden. Dieses Vorbringen vermag an der geschilderten Beurteilung nichts zu ändern, weil der Gärtnereibetrieb auch bisher ohne die neu zu errichtenden Glashäuser geführt wurde.
Abgesehen vom Fehlen eines begründeten Ausnahmefalles hat der Verwaltungsgerichtshof auch wiederholt ausgesprochen, dass selbst ein tatsächlicher Bestand, auch durch Jahrzehnte, nicht bewirken könne, dass das Ermessen unabhängig von der gegebenen Rechtslage und vom jeweils vorliegenden Sachverhalt stets positiv zu handhaben wäre (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/05/0221). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, dass auch der Umstand, dass von der gesetzlichen Bebaubarkeit wesentlich abgewichen wird, eine Versagung der Baubewilligung nach § 71 BO zu begründen vermag. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
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Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Ermessen besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2001:2001050133.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-36395