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VwGH vom 26.05.1992, 88/05/0263

VwGH vom 26.05.1992, 88/05/0263

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler sowie Vizepräsident Dr. Jabloner und Hofrat DDr. Hauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des M Z in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-B-885, betreffend Übertretung der NÖ Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom erließ der Magistrat der Stadt Wr. Neustadt gegenüber der "Z-GmbH." einen bis spätestens zu erfüllenden baupolizeilichen Auftrag folgenden Inhaltes:


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"1.
Beim Kellerabgang und beim Dachbodenaufgang ist je ein entsprechender Handlauf zu montieren.
2.
Das Stiegengeländer ist auf seine Standfestigkeit überprüfen und gegebenenfalls instandsetzen zu lassen. Fehlende Gitterstäbe sind zu montieren, vorhandene scharfe Kanten und Spitzen zu entfernen.
3.
Die Holzdecke über dem 3. Stock ist von einer konzessionierten Fachfirma hinsichtlich deren Holzqualität untersuchen zu lassen.
4.
Die Dachfläche ist hinsichtlich deren Dichtheit von einer Fachfirma untersuchen zu lassen.
5.
Der hölzerne Sturz über der Hauseingangstüre ist gleichfalls von einem befugten Unternehmen überprüfen zu lassen und erforderlichenfalls durch eine Massivüberlage zu ersetzen.
6.
Die Sanitäranlagen sind überprüfen zu lassen.
7.
Das Stiegenhaus ist überprüfen zu lassen.
Der Baubehörde sind Gutachten bezüglich der in den Punkten 3 bis 7 aufgetragenen Überprüfungen vorzulegen. Auf Grund der Gutachten erfolgt die Terminsetzung über die erforderlichen Instandsetzungsarbeiten."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt vom wurde die Erfüllungsfrist bis zum verlängert. Ein Antrag auf weitere Fristerstreckung um neun Monate wurde mit Bescheid der genannten Behörde vom abgewiesen. Am gab die Abt. 4 der Abt. 1 des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt bekannt, eine Überprüfung am habe ergeben, daß der baupolizeiliche Auftrag in keinem Punkt erfüllt sei.

2. Nach einem erfolglosen Ladungsversuch des im Rechtshilfeweg zuständigen Magistrates der Stadt Wien vom wurden in einer von der genannten Behörde ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß § 40 Abs. 2 VStG 1950 vom - infolge eines Ausfertigungsfehlers - die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten in unvollständiger Weise wiedergegeben. Am nahm der Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht beim Magistratischen Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk und es wurde darüber eine Niederschrift folgenden Inhaltes aufgenommen:

"Mir wurde der Akteninhalt (Strafb.Tatbestand) vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht. Hinsichtlich des unpräzisen Vorwurfes durch das MBA 1/8 (es wurde übersehen, die im Rechtshilfersuchen mit <> gekennzeichnete Zeile auszuführen) verzichte ich ausdrücklich auf einen neuerlichen Besch.Ladungsbescheid. Binnen vier Wochen werde ich zum Vorwurf schriftlich Stellung nehmen. Vollmacht wird vorgelegt."

3. In der weiteren Folge erstattete der Beschwerdeführer eine beim Magistratischen Bezirksamt für den 7./8. Bezirk am protokollierte Rechtfertigung. In dieser vertritt er die Auffassung, der Aufforderung vom lasse sich nicht entnehmen, welchen Aufträgen der Beschuldigte bzw. die Z-GmbH nicht entsprochen hätte, wodurch dem Beschuldigten jede Verteidigungsmöglichkeit abgeschnitten werde. Weiters gründe sich der in der Aufforderung enthaltene Vorwurf auf eine "dienstliche Wahrnehmung von Organen des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt vom " und es sei dem Beschuldigten nicht bekannt, welche Organwalter diese Wahrnehmung gemacht haben, welcher Art diese Wahrnehmung war und wie die Organwalter diese Wahrnehmung der Behörde zur Kenntnis gebracht hätten. Es müsse dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, in diese Zeugenaussagen bzw. in diesen Wahrnehmungsbericht Einsicht zu nehmen, um sodann die Wahrnehmungsergebnisse zu widerlegen. Am nahm der Vertreter des Beschwerdeführers erneut Akteneinsicht und erstattete der Beschwerdeführer eine am protokollierte weitere Rechtfertigung. In dieser vertritt er die Meinung, daß die Aufforderung vom keine taugliche Verfolgungshandlung gewesen sei und das Verfahren daher wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung einzustellen sei.

4. Am erließ der Magistrat der Stadt Wr. Neustadt ein Straferkenntnis, nach dem es der Beschwerdeführer als zur Vertretung der Z-GmbH nach außen Berufener zu verantworten habe, daß die genannte Gesellschaft laut dienstlicher Wahrnehmung von Organen des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt vom den bis befristeten baupolizeilichen Auftrag vom , Zl. 4b/1047/76/Dr.St/R, für das Haus Wr. Neustadt, R-gasse 9, nicht erfüllt habe. Dadurch werde § 115 Abs. 1 Z. 6 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-4, verletzt. Gemäß § 115 Abs. 2 leg.cit. wurde eine Geldstrafe von S 3.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von drei Tagen verhängt. In der Begründung heißt es, daß der strafbare Sachverhalt durch die dienstliche Wahrnehmung von Organen des Bauamtes der Stadt Wr. Neustadt zweifelsfrei erwiesen sei. Das Argument des Beschuldigten, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, sei nicht zutreffend, da die ausgewiesene Vertreterin des Beschuldigten in der Niederschrift am und somit vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ausdrücklich erklärt habe, den Akteninhalt zur Kenntnis zu nehmen und auf einen neuerlichen Beschuldigten-Ladungsbescheid zu verzichten.

5. Eine dagegen erhobene Berufung begründete der Beschwerdeführer damit, daß der Aufforderung vom die richtige und vollständige Umschreibung der dem Beschuldigten in der Ladung zur Last gelegten Tat gefehlt habe. Eine taugliche Verfolgungshandlung seitens der Behörde habe nicht stattgefunden, eine Verfolgungsverjährung sei somit eingetreten. Unter Berufung auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, daß weder das Zur-Kenntnis-bringen des Akteninhaltes noch der Verzicht auf einen neuerlichen Beschuldigten-Ladungsbescheid als taugliche Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gewertet werden könnten. Im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung erübrige es sich, zum unbewiesenen, unrichtigen Sachverhalt Stellung zu nehmen.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis jedoch dahingehend abgeändert, daß die Umschreibung der Tat im Spruch zu lauten hat:

"Sie haben als zur Vertretung der Z-GmbH nach außen Berufener zu verantworten, daß der baupolizeiliche Auftrag des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt vom , Zl. 4b/1047/76/Dr.St/R, der bis zum zu erfüllen war, bis zum nicht erfüllt wurde, somit Baugebrechen und Bauordnungswidrigkeiten nicht beseitigt wurden."

Als Rechtsgrundlage des Berufungsbescheides sind § 115 Abs. 1 Z. 6 und Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-5, in Verbindung mit § 9 VStG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950 angegeben.

Begründend heißt es nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens insbesondere, daß der Beschwerdeführer als der gemäß § 9 VStG 1950 Verantwortliche der Z-GmbH ermittelt wurde. Der in der Berufung vertretenen Ansicht, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, wird das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/03/0112, VwSlg 11.525 A, entgegengehalten, wonach aus der mit dem Vertreter des Beschuldigten am vor der Behörde niederschriftlich aufgenommenen Erklärung geschlossen werden muß, daß der Vertreterin des Beschuldigten der Inhalt zur Kenntnis gebracht und sie zur Abgabe einer Rechtfertigung aufgefordert wurde, woraus sich die Absicht der Behörde ergibt, den Beschwerdeführer als Beschuldigten wegen der ihm zur Last gelegten Tat auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu verfolgen. Spätestens dieses Zur-Kenntnis-bringen des Akteninhaltes mit der Aufforderung zur Rechtfertigung stelle eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 dar.

Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, im Sinne des § 9 VStG 1950 als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der Gesellschaft m.b.H. verantwortlich zu sein. Er habe zwar im Schreiben vom behauptet, daß ein Hausverwalter als verantwortlicher Beauftragter bestellt worden sei, diese Behauptung aber nicht durch die Zustimmung des Beauftragten belegt (§ 9 Abs. 4 VStG 1950), sodaß diese Behauptung nicht dazu führen könne, daß er nicht bestraft werde.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Als Beschwerdepunkte werden geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Ablauf der Frist der Verfolgungsverjährung nicht belangt zu werden und darauf, daß der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat mit hinreichender Deutlichkeit zu enthalten hat. Begründend heißt es, daß gemäß § 44 a VStG 1950 der Spruch eines verurteilenden Erkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten habe. Der angefochtene Bescheid enthielte nur den Vorwurf, daß der Beschwerdeführer als "als zur Vertretung ... nach außen Berufener" einen Auftrag des Magistrates der Stadt Wr. Neustadt vom nicht erfüllt habe und "somit Baugebrechen und Bauordnungswidrigkeiten nicht beseitigt wurden". Damit sei aber dem genannten Erfordernis nicht entsprochen. Die Verwaltungsstrafbehörde hätte vielmehr den Inhalt des baupolizeilichen Auftrages nennen müssen, um die dem Beschwerdeführer angelastete Tat mit hinreichenden Individualisierungsmerkmalen zu beschreiben. Die Verweisung auf einen - nicht verfahrensgegenständlichen - Bescheidinhalt reiche jedenfalls nicht aus.

Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom sei keine taugliche Verfolgungshandlung gewesen, weil diesem behördlichen Schriftstück die vorgeworfene Tat nicht zu entnehmen war und die am erfolgte Akteneinsicht diesen bisher unterlaufenen Mangel nicht sanieren konnte.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, die Behörde habe innerhalb der nach § 31 Abs. 2 VStG 1950 bei Verwaltungsübertretungen grundsätzlich gegebenen Verjährungsfrist von sechs Monaten keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt, für unbegründet. Unbeschadet der Rechtswirkung des nicht zugestellten Ladungsbescheides vom wird nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dadurch, daß dem Beschuldigten der Akteninhalt, dem ein konkreter Vorwurf einer strafbaren Handlung des Beschuldigten zu entnehmen ist, mit der Aufforderung zur Rechtfertigung zur Kenntnis gebracht wird, eine Verfolgungshandlung gesetzt (vgl. primär das Erkenntnis eines verstärkten Senates VwSlg 11.525 A zum Thema der tauglichen Verfolgungshandlung; vgl. ferner das Erkentnis vom , Zl. 88/02/0107, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Verjährungsfrist beginnt im Bezug auf die für das gegenständliche Straferkenntnis wesentliche zeitliche Lage (d.h. unbeschadet dessen, daß bei einem Unterlassungsdelikt in der Form eines Dauerdeliktes die Verjährungsfrist erst mit der Nachholung der unterlassenen Handlung beginnt - vgl. die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, 1990,

S. 873 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes -, woraus sich ergibt, daß die zuständige Strafbehörde nach allfälliger Feststellung des aufrechten rechtswidrigen Zustandes neuerlich ein Strafverfahren einleiten könnte) mit Ablauf des und endet somit mit Ablauf des . Die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung - nicht auch in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes sind teilweise nicht einschlägig und beziehen sich zum anderen Teil darauf, daß der Vorwurf des strafbaren Verhaltens gegenüber der Beschuldigtenladung nicht ausgedehnt werden darf (VwSlg 9502 A) bzw. darauf, daß es bei der Zurkenntnisbringung des Akteninhaltes zum Ausdruck kommen muß, daß dem Beschuldigten alle im Akt genannten strafbaren Handlungen vorgeworfen werden (Erkenntnis vom , Zl. 2047/71, 2049/71). Die Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß jedenfalls zum Zeitpunkt der Aufnahme der Niederschrift vom - also eines Ereignisses innerhalb der Verjährungsfrist - der Akteninhalt die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben hat und somit spätestens dieses Zur-Kenntnis-bringen des Akteninhaltes mit der Aufforderung zur Rechtfertigung eine dem Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 darstellte, ist zutreffend.

3. Der Beschwerdeführer rügt aber zu Recht, daß die Umschreibung der Tat im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht den Formerfordernissen in § 44 a lit. a VStG 1950 entspricht: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 82/10/0029, und vom , Zl. 84/10/0076) sind die wesentlichen Tathandlungen entsprechend konkret anzuführen und nicht mit den Worten des Tatbestandes. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, daß der Beschwerdeführer dem Vorwurf, keinen der baupolizeilichen Aufträge erfüllt zu haben, konkret nichts entgegengesetzt hat. Es ist aber zu beachten, daß § 115 Abs. 1 Z. 6 der NÖ Bauordnung 1976 seinem Wortlaut nach nicht an den Tatbestand anknüpft, daß der Täter einem bescheidmäßigen Auftrag zuwidergehandelt hat. Vielmehr wird der Tatbestand mit den Worten umschrieben, daß eine Verwaltungsübertretung begeht, wer "als Eigentümer einer Baulichkeit oder als dessen Beauftragter Baugebrechen oder Bauordnungswidrigkeiten nicht beseitigt". Die Verweisung auf den baupolizeilichen Auftrag und noch weniger die Wiederholung der Formulierung des (abstrakten) Tatbestandes sind geeignet, das Formerfordernis der Angabe der konkreten Tathandlungen zu erfüllen. Hinzu kommt, daß der baupolizeiliche Auftrag vom zu einem Teil gar nicht die Beseitigung von Baugebrechen oder Bauordnungswidrigkeiten zu seinem Gegenstand hatte.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.