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VwGH vom 21.10.1992, 92/10/0111

VwGH vom 21.10.1992, 92/10/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des L in U, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-12.397/2, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (im Spruchteil I) einer Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 6 Abs. 3 lit. b des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975 (in der Folge: NSchG), in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG für schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde dabei im Sinne des § 44a lit. a VStG wie folgt umschrieben:

"Der Beschuldigte L, Bürgermeister der Gemeinde U, hat es als Bürgermeister und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gemeinde U zu verantworten, daß am 6. und auf dem Gst. nn1, KG U, eine Schüttung zur Errichtung eines Parkplatzes im Ausmaß von ca. 30 m x 30 m ohne die notwendige naturschutzrechliche Ausnahmegenehmigung im Seenuferschutzbereich des P-Sees durchgeführt wurde."

Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 38 Abs. 1 NSchG eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen) verhängt.

Im Spruchpunkt II wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Strafverfahrens bis zum Abschluß des beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zl. 91/10/0182 anhängigen Verfahrens bzw. bis zum Abschluß des gerichtlichen Strafverfahrens abgewiesen.

Nach der Begründung habe die Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, die Bezirkshauptmannschaft mit Schriftsatz vom um Einleitung eines Strafverfahrens ersucht, da in der Gemeinde U im Seenschutzgebiet des P-Sees auf dem Grundstück nn1, KG U, eine Schüttung von ca. 30 x 30 m ohne die notwendige naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung getätigt worden sei. Am sei der Beschwerdeführer zum Vorwurf einer Übertretung des Naturschutzgesetzes 1975 einvernommen worden. Dabei habe dieser im wesentlichen angegeben, im August 1987 hätte im Beisein namhafter Sachverständiger eine Verhandlung stattgefunden, bei der eine Aufschüttung zum Zwecke der Schaffung von Parkplätzen unter gewissen Voraussetzungen für bewilligungsfähig erachtet worden sei. Am sei der Antrag auf Bewilligung dieses Vorhabens beim Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, eingebracht worden. Da seitens der genannten Abteilung ein halbes Jahr überhaupt keine Reaktion erfolgt sei, habe er den Beginn der Aufschüttung veranlaßt. Diese Maßnahme habe er im Vertrauen auf die anläßlich der Begehung im August 1987 gemachten Aussagen der Sachverständigen gesetzt. Er sei daher über die Einleitung eines Strafverfahrens überrascht.

Mit Schreiben vom habe die Gemeinde U mitgeteilt, die gegenständliche Schüttung sei am 6. und vorgenommen worden. Dem Schreiben seien entsprechende Rechnungen vom 7. November und der Firma S, Erdbewegung und Schneeräumung, in U angeschlossen gewesen.

In einer Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, ihm könne in der gegenständlichen Angelegenheit schon deshalb kein Vorwurf gemacht werden, weil ihm Landesrat F zugesichert habe, daß die Aufschüttungen seitens des Amtes der Tiroler Landesregierung eine Genehmigung erfahren würden. Außerdem sei Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Anschüttung zu Beginn des Jahres 1989 und teilweise auch schon 1988 durchgeführt worden seien. Die in den Rechnungen der Firma S aufscheinenden Ablagerungen beträfen nicht die in Rede stehenden Anschüttungen in Seeuferbereich. Zum Beweis dafür, daß dem Beschwerdeführer seinerzeit bereits zugesichert worden sei, im gegenständlichen Bereich könnten die Anschüttungen unverzüglich durchgeführt werden, sei die Einholung des Verwaltungsaktes und die Einvernahme von Landesrat F und des Sachverständigen Dr. B beantragt worden.

Mit Schreiben vom habe die Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, mitgeteilt, niemandem erklärt zu haben, die in Rede stehenden Aufschüttungen könnten unverzüglich durchgeführt werden.

Aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse sei die Erstbehörde (Bezirkshauptmannschaft) davon ausgegangen, daß die Aufschüttungen im Seeuferschutzbereich am 6. und ohne erfordliche naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung veranlaßt worden seien. Es sei auch nicht erwiesen, daß der Beschwerdeführer diesbezüglich mündliche Zusicherungen erhalten habe. Durch die Anschüttungen sei dem § 6 Abs. 3 lit. b NSchG zuwidergehandelt und folglich eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 lit. c leg. cit. begangen worden. Nach § 54 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 werde die Gemeinde durch den Bürgermeister nach außen vertreten. Gemäß § 9 VStG habe daher der Beschwerdeführer als Bürgermeister der Gemeinde die beschriebene Verwaltungsübertretung strafrechtlich zu verantworten. Am - also innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist - sei durch die Einvernahme des Beschwerdeführers eine entsprechende Verfolgungshandlung gesetzt worden. Verfolgungsverjährung liege daher nicht vor. Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung sei erheblich, da die Behörde bei unbewilligten Maßnahmen keine Möglichkeit habe, Eingriffe in den Naturhaushalt zu vermeiden bzw. durch entsprechende Nebenbestimmungen so gering wie möglich zu halten. Dem Beschwerdeführer sei dabei Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da er einerseits die Behauptung, bezüglich der geplanten Maßnahmen mündliche Zusicherungen erhalten zu haben, nicht habe glaubhaft machen können, und andererseits aufgrund seiner Arbeit im Verwaltungsbereich wissen müsse, daß bereits positive Stellungnahmen in einem anderen Verfahren keinen rechtskräfigten Bescheid ersetzen könnten. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen sei die ausgesprochene Strafe, die sich im unteren Bereich des Strafrahmens bewege, angemessen und auch erforderlich, um den Beschwerdeführer von weiteren Übertretungen abzuhalten.

In seiner gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer zunächst vorgebracht, in der gegenständlichen Angelegenheit seitens der Gemeinde mit keinerlei Anordnungen betraut gewesen zu sein. Diesbezüglich habe für die Gemeinde immer der vom Gemeinderat bestellte Wasserrechtsreferent gehandelt und auch die entsprechenden Anordnungen gegeben. Dem Beschwerdeführer seien die Maßnahmen erst nach deren Durchführung bekannt geworden. Die Anschüttungen seien auch bereits in der ersten Märzwoche des Jahres 1989 sowie im November 1988 gesetzt worden.

Diese Angaben seien jedoch unglaubwürdig, da sie im krassen Widerspruch zu den Aussagen des Beschwerdeführers bzw. den Angaben der Gemeinde stünden. So habe der Beschwerdeführer etwa anläßlich seiner Einvernahme am unter anderem erklärt, den Beginn der Aufschüttung veranlaßt zu haben. In Übereinstimmung damit habe die Gemeinde mit Schreiben vom mitgeteilt, daß die Schüttungen am 6. und erfolgt seien. Die Behauptung, die Schüttungen seien im März 1989 sowie im November 1988 durchgeführt worden, sei erstmals in der Stellungnahme vom gemacht und in der Berufung wiederholt worden. Die Behauptung, die gegenständliche Schüttung habe der Wasserreferent angeordnet, sei erstmals in der Berufung erhoben worden. Der Wasserreferent sei in der Aussage des Beschwerdeführers vom nicht einmal erwähnt worden. Nach Auffassung der belangten Behörde handle es sich daher bei diesem Vorbringen um reine Schutzbehauptungen, die für die gegenständliche Entscheidung nicht als Grundlage herangezogen werden könnten. Die Voraussetzungen für eine Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 und 2 VStG lägen daher nicht vor. Wenn der Beschwerdeführer die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (Wasserreferent) nach § 9 Abs. 4 VStG behaupte, so sei darauf zu erwidern, daß er weder dessen Namen genannt noch den Nachweis der erforderlichen Zustimmungserklärung vorgelegt habe. Aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer als Bürgermeister die gegenständlichen Anschüttungen veranlaßt habe.

Das Vorbringen, die Fläche, auf der die Anschüttungen vorgenommen worden seien, liege innerhalb der geschlossen Ortschaft sei unrichtig. Aufgrund der im naturschutzrechlichen Verfahren zur Zl. U-11.666 nachweislich verwendeten und unbekämpft gebliebenen Planunterlagen, die zudem durch einen Lokalaugenschein vom bestätigt worden seien, liege die gegenständliche Fläche nicht innerhalb der geschlossenen Ortschaft.

Dem Beschwerdeführer könne auch nicht gefolgt werden, wenn er eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin erblicke, daß Landesrat F und Dr. B nicht als Zeugen einvernommen worden seien. Im Beschwerdefall sei nur entscheidungswesentlich, daß ohne Vorliegen einer naturschutzrechlichen Ausnahmebewilligung außerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Seeuferbereich Aufschüttungen durchgeführt worden seien. Ob der Beschwerdeführer seitens des Landesrates die Zusicherung erhalten habe, die Aufschüttungen würden durch die Tiroler Landesregierung genehmigt werden, sei daher rechtlich ohne Belang. Wie die Erstbehörde richtigerweise festgestellt habe, könne eine solche Zusage niemals einen Bescheid ersetzen. Dr. B sei nur in den zu den Zlen. U-9.317 und U-11.005 geführten naturschutzrechlichen Verfahren als Sachverständiger tätig gewesen. Gegenstand dieser Verfahren seien Anträge auf Sicherung des Seeauslaufes, auf Erteilung der Genehmigung zum Ausbaggern des südlichen Teiles des P-Sees und zur Ausräumung des Abflusses, nicht aber die gegenständliche Aufschüttung gewesen. Im dem zur Zl. U-11.666 durchgeführten naturschutzrechlichen Verfahren bezüglich Parkplatzerrichtung sei Dr. B als Sachverständiger überhaupt nicht befaßt worden. Durch seine Einvernahme sei daher ein Beitrag zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes im gegenständlichen Verfahren nicht zu erwarten gewesen.

Der Beschwerdeführer bringe auch vor, daß aus demselben Ereignis beim Landesgericht Innsbruck ein Gerichtsverfahren anhängig sei. Aufgrund des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 605, sei im Falle eines gerichtlichen Strafverfahrens das anhängige Verwaltungsstrafverfahren zu unterbrechen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers enthalte jedoch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 keine Bestimmung, die die Aussetzung eines Verwaltungsstrafverfahrens anordne. Nach § 30 Abs. 2 VStG sei aber eine Tat von der Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde, und die Behörde habe, wenn es zweifelhaft sei, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden sei. Die gerichtliche Strafbarkeit einer Tat schließe nach § 30 Abs. 2 VStG die Zulässigkeit ihrer Ahndung als Verwaltungsübertretung nur in den Fällen aus, in denen das Gesetz ausdrücklich eine Einschränkung des im Verhältnis zwischen dem Justizstrafrecht und dem Verwaltungstrafrecht geltenden Kumulationsprinzip vorsehe. § 38 Abs. 1 lit. c NSchG sehe jedoch - im Gegensatz zur Rechtslage nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 1991 (vgl. dessen § 43 Abs. 1) - eine Ausnahme vom Kumulationsprinzp nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung gemäß § 30 Abs. 2 VStG lägen daher nicht vor.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich unter Hinweis darauf, daß gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-11.666/40 (Abweisung des Antrages auf naturschutzrechtliche Genehmigung der Errichtung eines Parkplatzes auf dem gegenständlichen Grundstück) beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde eingebracht worden sei, über die dieser noch nicht rechtskräftig entschieden habe, die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Verfahrens beantrage, so könne ihm auch dabei nicht gefolgt werden. Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 38 AVG sei, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmten, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie könne aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht werde. Die Vorfrage, ob sich die Fläche, auf der die Schüttungen vorgenommen worden seien, außerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Sinne des § 3 lit. a NSchG befinde, sei bereits durch den rechtskräftigen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom beantwortet worden. Eine Aussetzung aus diesem Grunde scheide daher aus. Daß gegen den genannten Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde eingebracht worden sei, bilde entsprechend den genannten Vorschriften keinen Aussetzungsgrund. Aus diesen Erwägungen sei die Berufung als unbegründet abzuweisen und die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, im Spruch des angefochtenen Bescheides sei ihm angelastet worden, daß er es als Bürgermeister und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gemeinde zu "verantworten" habe, daß Anschüttungen vorgenommen worden seien. Damit komme zum Ausdruck, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht als unmittelbaren Täter ansehe. Da die Ausführungsarbeiten von der Firma S vorgenommen worden seien, hätte der Beschwerdeführer als Anstifter (§ 7 VStG) zur Verantwortung gezogen werden müssen. Dem werde der Spruch des angefochtenen Bescheides jedoch nicht gerecht.

Diesen Ausführungen kommt auf dem Boden der, wie noch darzulegen sein wird, zutreffenden Anwendung des § 9 Abs. 1 VStG, keine Berechtigung zu:

Nach § 38 Abs. 1 lit. c NSchG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unter anderem einem Verbot nach § 6 Abs. 3 lit. b leg. cit. zuwider handelt; er ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- oder mit Arrest bis zu 16 Wochen zu bestrafen.

Nach § 6 Abs. 3 lit. b NSchG ist im Bereich eines 500 m breiten, vom Ufer landeinwärts zu rechnenden Geländestreifens der im Abs. 1 bezeichneten stehenden Gewässer unter anderem die Vornahme von Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter Hausgärten verboten. Nach § 6 Abs. 5 NSchG ist unter bestimmten Voraussetzungen (§ 13) eine Ausnahmebewilligung von den Verboten nach Abs. 3 zu erteilen. Die Entscheidung obliegt der Landesregierung.

§ 43 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, Anlage zur Kundmachung der Tiroler Landesregierung über die Wiederverlautbarung des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/1991, erklärt die Vornahme entsprechender Geländeaufschüttungen unter der Voraussetzung zur Verwaltungsübertretung, daß die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet; die Verwaltungsübertretung ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 176/1983 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die belangte Behörde hat festgestellt, daß der Beschwerdeführer in Ausübung seiner Funktion als Bürgermeister der Gemeinde U die Anschüttung des Grundstückes nn1 in der KG U veranlaßt hat. Diese Feststellung, die sich auf die Aussage des Beschwerdeführers vom und die Äußerung der Gemeinde vom gründet, wird von der Beschwerde nicht bestritten. Der Verwaltungsgerichtshof hegt im Rahmen der ihm obliegenden Kontrolle der Beweiswürdigung keine Bedenken gegen diese von der Behörde schlüssig begründete Feststellung. Aus dieser Feststellung folgt zwingend, daß die Behörde - mag auch eine AUSDRÜCKLICHE Feststellung dieses Inhaltes in der Begründung fehlen - weiters davon ausgegangen ist, daß die Gemeinde U gegen das Verbot des § 6 Abs. 3 lit. b NSchG verstoßen hat.

Gemeinden sind, sofern sie im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werden (vgl. dazu Art. 116 Abs. 2 B-VG), nicht anders als juristische Personen des Privatrechts verpflichtet, die Verwaltungsvorschriften (Art. VI Abs. 2 EGVG) einzuhalten. Dies erhellt nicht zuletzt daraus, daß die Gemeinden die in Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Bewilligungen, Ausnahmegenehmigungen und dgl. zu beantragen legitimiert und - um nicht gegen Verwaltungsvorschriften zu handeln - verpflichtet sind. So hat auch im Beschwerdefall die Gemeinde U einen, mit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung im engsten Zusammenhang stehenden Antrag nach § 6 Abs. 5 NSchG gestellt.

Sind somit Gemeinden in ihrer Privatwirtschaftsverwaltung an die Verwaltungsvorschriften gebunden, dann ist auf sie auch § 9 Abs. 1 VStG, der an die Verpflichtung zur Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen anknüpft und die strafrechtliche Verantwortlichkeit der zur Vertretung nach außen befugten Personen - abweichend vom allgmeinen Strafrecht - normiert, anzuwenden (so im Ergebnis schon HELLBLING, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, zweiter Band, Erläuterungen zu § 9 VStG; anderer Ansicht ohne nähere Begründung NEUHOFER, Handbuch des Gemeinderechts, Seite 66).

Die Bestimmungen über das Gemeindeaufsichtsrecht (Art. 119a B-VG und die darauf bezughabenden bundes- und landesgesetzlichen Regelungen) bieten keinen Anlaß, im Wege der Auslegung Gemeinden vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 VStG auszunehmen.

Gemäß § 54 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, ist zur Vertretung der Gemeinde nach außen der Bürgermeister berufen. Aus § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung mit dieser Bestimmung der Tiroler Gemeindeordnung ergibt sich, daß der Beschwerdeführer - unbeschadet der noch offenen Sachverhalts- und Rechtsfragen - für das der Gemeinde U zuzurechnende Zuwiderhandeln gegen das Verbot des § 6 Abs. 3 lit. b NSchG strafrechtlich verantwortlich ist.

Wäre § 9 Abs. 1 VStG auf Gemeinden nicht anzuwenden, dann hätte die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers nach den allgemeinen Bestimmungen des Strafrechtes zuordnen müssen. Dies ist offenbar der Ansatz einer Reihe von Ausführungen der Beschwerde, die zwar die Anwendung des § 9 Abs. 1 VStG durch die Behörde nicht bekämpft, deren Argumente aber auf dem Boden der, wie dargetan rechtlich zutreffend angenommenen, strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nach der zitierten Bestimmung ins Leere gehen. Dies gilt insbesondere auch für den Einwand, der Beschwerdeführer hätte als Anstifter im Sinne des § 7 VStG nicht als unmittelbarer Täter gehandelt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/10/0002).

Im Hinblick auf die Einvernahme des Beschwerdeführers am liegt auch keine Verfolgungsverjährung vor.

Wenn sich die Beschwerde ferner gegen die unterbliebene Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens richtet, so kommt ihr dabei allerdings im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach § 1 Abs. 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. richtet sich die Strafe einer Verwaltungsübertretung nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Wenn auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall fehlt, daß ein Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz nicht mehr strafbar ist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Täter in einem solchen Fall nicht mehr bestraft werden (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. 4275/A).

Das zur Zeit der Tat (Oktober 1989) geltende Tiroler Naturschutzgesetz LGBl. Nr. 15/1975 sah in seinem § 38 Abs. 1 Geldstrafen bis zu S 100.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 16 Wochen) vor. Nach dem zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz () geltenden Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 29/1991, kann hingegen eine Geldstrafe bis zu S 250.000,-- verhängt werden, dies allerdings mit der Einschränkung "sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet" (§ 43 Abs. 1).

Nach dieser Rechtslage könnte auch im Beschwerdefall der dem zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrunde liegende Fall gegeben sein, daß ein Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz überhaupt nicht mehr verwaltungsbehördllich strafbar ist; dies unter der Voraussetzung, daß die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung (vgl. etwa §§ 182 Abs. 2, 183 StGB) bildet. Nach dem Berufungsvorbringen behängt wegen der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Anschüttung ein Strafverfahren beim Landesgericht Innsbruck. Bis zur Entscheidung dieser Frage durch die ordentlichen Gerichte wäre daher das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen gewesen. Aufgrund ihrer verfehlten Rechtsansicht, daß im Beschwerdefall lediglich auf die Strafdrohung des Naturschutzgesetzes 1977 abzustellen sei, hat sich die belangte Behörde mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt. Bevor nicht entgültig geklärt ist, ob die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, erweist sich daher eine verwaltungsbehördliche Bestrafung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt I) als rechtswidrig.

Die belangte Behörde wird sich im fortgesetzten Verfahren auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Grundstück, auf dem die Anschüttungen vorgenommen worden sind, innerhalb geschlossener Ortschaft (§ 3 lit. a NSchG) liegt. Der Verweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren verwendeten Planunterlagen und einen dort abgehaltenen Lokalaugenschein enthebt die Behörde nicht von der Verpflichtung, den für die Ermittlung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen (§ 24 VStG iVm. § 37 AVG). Eine Bindung an die Feststellungen im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren, an dem der Beschwerdeführer nicht als Partei teilgenommen hat, besteht nicht.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da die Beschwerde nur zweifach einzubringen war, konnte als Stempelgebührenersatz nur ein Betrag in der Höhe von S 240,-- zugesprochen werden.