VwGH vom 20.12.1993, 92/10/0108

VwGH vom 20.12.1993, 92/10/0108

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde 1. des Dr. H und 2. des Dr. A, beide in X, beide vertreten durch Dr. B jun., Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BM für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom , Zl. 262.178/1-II/A/4/92, betr Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Gnas (mP: Mag.pharm. M in X, vertr durch Dr. O, RA in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Berufung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, soweit damit die Berufung des Zweitbeschwerdeführers mangels Parteistellung zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Gnas (Bezirk Feldbach/Steiermark) mit dem Standort "Gebiet der Marktgemeinde Gnas". Die Bewerbung wurde am in der "Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark" verlautbart. Am wies der Landeshauptmann die Bezirkshauptmannschaft Feldbach unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/08/0259, an, den in Betracht kommenden hausapothekenführenden Ärzten Akteneinsicht zu gewähren und ihnen zur Abgabe einer allfälligen Stellungnahme eine Frist von 14 Tagen einzuräumen. Diese Parteienrechte sollten "aus verfahrensökonomischen Gründen" auch dem Zweitbeschwerdeführer, der als Nachfolger eines hausapothekenführenden Arztes in Gnas um die Bewilligung einer Hausapotheke angesucht habe, gewährt werden. Am 18. bzw. gingen bei der Bezirkshauptmannschaft Stellungnahmen der Beschwerdeführer ein, in denen diese erklärten, die Errichtung einer öffentlichen Apotheke in Gnas aus näher dargelegten Gründen, insbesondere wegen fehlenden Bedarfes, abzulehnen. Der Zweitbeschwerdeführer verwies darauf, daß er um die Bewilligung zur Führung einer Hausapotheke angesucht habe. Mit Bescheid vom wurde dem Zweitbeschwerdeführer die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erteilt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom wurde dem Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Gnas mit dem Standort "Gebiet der Marktgemeinde Gnas" erteilt. Begründend ging die Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage insgesamt davon aus, daß im 4 km-Bereich von Gnas zwar nur rund 3.300 Personen "vorhanden" seien, doch seien dem Versorgungsbereich noch mindestens rund 2.350 weitere Personen zuzurechnen. Die Behörde stützte sich dabei auf Befund und Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer, wonach die Anzahl der ständigen Bewohner im 4 km-Umkreis, die durchwegs von der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein würden, 3.311 betrage. Zusätzlich seien der neuen Apotheke gemäß § 10 Abs. 5 ApG mindestens weitere 2.349 zu versorgende Personen zuzurechnen. Dabei handle es sich um die nicht bereits innerhalb des 4 km-Polygons erfaßten restlichen 200 Einwohner der Gemeinde Gnas und restlichen 273 Einwohner der Gemeinde Poppendorf, jeweils die halbe Einwohnerzahl von Baumgarten bei Gnas (340), Maierdorf (232) und Krusdorf (223), je zwei Drittel der (außerhalb des 4 km-Polygons wohnenden) Einwohner von Grabersdorf (103) und der Einwohner von Aug-Radisch (208) je ein Drittel der Einwohner von Kohlberg (188), Perlsdorf (139) und Trautmannsdorf (293) sowie 150 Einwohner von Unterauersbach.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes. Die Berufung des Zweitbeschwerdeführers wurde "mangels Parteistellung gemäß Art. II der ApG-Nov 1990" zurückgewiesen. Begründend vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen folgende Auffassung:

Bei Gnas (1.787 Einwohner) handle es sich um ein wirtschaftliches Zentrum für die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes im ländlichen Gebiet im südöstlichen steirischen Hügelland. Gnas sei zwar zahlenmäßig gering bevölkert, weise aber im Verhältnis dazu die weitaus beste Infrastruktur im Vergleich zu den umgebenden ländlichen Gemeinden auf. Gnas sei als Schul- und Pfarrzentrum auch kultureller Mittelpunkt des Umlandes, was sich nicht nur im sonntäglichen Kirchenbesuch äußere, sondern in der häufigen Teilnahme an den gebotenen kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen. Die umgebenden Kleingemeinden mit ausschließlich ländlichem Charakter hätten keinerlei Infrastruktur und auch keine Ärzte. Alle Kinder der Umgebung gingen nach Gnas zur Schule. Alle Einwohner seien auf die Geschäfte, die medizinische Betreuung und die Arzneimittelversorgung in Gnas angewiesen. In den benachbarten Dörfern gebe es im wesentlichen nur Verarbeitungsbetriebe von landwirtschaftlichen Produkten. Auch die Einwohnerzahlen der Orte um Gnas zeigten ein deutliches Bild. Erst in den "entfernteren volkreicheren" Gemeinden wie Paldau im Norden, Jagerberg im Westen und St. Peter a.O. und Bierbaum im Südwesten sowie Straden im Südosten gebe es praktische Ärzte mit Hausapotheken. Verkehrsmäßig sei Gnas durch mehrere Buslinien und eine Lokalbahn gut erschlossen. Die Bevölkerung der Region sei ausreichend motorisiert und nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Im Gegensatz zu anderen Gebieten Österreichs spiele das religiöse Leben in der Pfarre eine wesentliche Rolle für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bewohner. Dieser Faktor sei sicherlich auch dafür bestimmend, daß für das Apothekenkonzessionsverfahren davon auszugehen sei, daß die Einwohner des Umlandes, das seien die Gemeinden Raning (856 Einwohner), Perlsdorf (415), Kohlberg (577) Maierdorf (605), Baumgarten (670), Unterauersbach (524), Poppendorf (753), Aug-Radisch (313), Grabersdorf (367) und Krusdorf (434) jedenfalls zum Einzugsgebiet einer öffentlichen Apotheke in Gnas zu zählen seien. Damit ergebe sich ein Versorgungspotential von 7.301 Einwohnern. Dazu käme, daß ein Höhenzug, der Gnas im Norden, Westen und Osten wie eine natürliche Grenze umgebe, verhindere, daß die Einwohner von Perlsdorf, Kohlberg oder Baumgarten die nördlich gelegene Hausapotheke in Paldau einer öffentlichen Apotheke in Gnas vorziehen würden. Überdies müsse hervorgehoben werden, daß die Funktion einer ärztlichen Hausapotheke der einer öffentlichen Apotheke nicht gleichwertig sei. Wenn auch die Einrichtung einer öffentlichen Apotheke in Gnas nicht zwangsläufig zur Folge habe, daß die Patienten der Ärzte in Paldau, Jagerberg, Bierbaum am Auersbach, St. Peter a.O. und Straden, die ärztliche Hausapotheken hielten und auch weiter halten würden, nun zu Gnaser Ärzten abwandern würden, so bedeute dies dennoch nicht, daß diese Patienten keinen Gewinn aus einer öffentlichen Apotheke in Gnas hätten. Eine öffentliche Apotheke sei auch die objektiv geeignetere Abgabestelle für Arzneimittel, einerseits auf Grund des weitaus größeren Warenlagers und Sortiments und der Möglichkeit selbst Arzneimittel herstellen zu können, andererseits auf Grund des besonders qualifizierten und speziell dafür ausgebildeten Personals. § 10 Abs. 5 ApG komme im vorliegenden Fall voll zum Tragen, da unzweifelhaft sei, daß die Einwohner der Umgebungsgemeinden von Gnas ohne Rücksicht, ob ihr Wohnhaus innerhalb des 4 km-Umkreises oder außerhalb desselben stehe, die zahlreichen Einrichtungen von Gnas in Anspruch nehmen würden. Da die Bevölkerungszahl des Einzugsgebietes weit mehr als 5.500 betrage, sei es auch unbeachtlich, wenn z.B. die 313 Einwohner von Aug-Radisch zur Arzneimittelversorgung ausschließlich die ärztliche Hausapotheke in Bierbaum aufsuchen wollten, obwohl dies in Anbetracht der Tatsache, daß die Hausapotheke eben nicht so gut ausgestattet sei, unwahrscheinlich sei. Die Berufung des Zweitbeschwerdeführers sei mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen, weil dieser im Verfahren erster Instanz nur zu einem solchen Zeitpunkt eine Äußerung abgegeben habe, als er noch nicht die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke gehabt habe und daher nicht betroffener Arzt im Sinne des § 29 Abs. 4 und 5 ApG gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

§ 10 ApG lautet auszugsweise:

"(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt.

...

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

...

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

Die Prüfung des Bedarfes nach der zitierten Vorschrift hat von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Unter den "in einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen" sind jene zu verstehen, die eine besondere räumliche Nahebeziehung (im 4 km-Umkreis) zur neuen Apotheke haben. Dazu zählen primär die ständigen, im 4 km-Umkreis von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen Apotheke wohnenden Personen, sofern sie auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der neuen Apotheke und nicht aus den schon bestehenden Apotheken und weiterbestehenden Hausapotheken decken werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 91/10/0214, und vom , Zl. 90/10/0072). Es kommt auf den 4 km-Umkreis an und nicht auf den Ort, in dem die künftige Betriebsstätte liegen soll (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0252). Zusätzlich zu den ständigen Einwohnern der 4 km-Zone sind im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG noch außerhalb des 4 km-Umkreises wohnende Personen zu berücksichtigen, die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet aus der neuen Apotheke zu versorgen sein werden (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0214). Die überwiegende Anzahl der potentiellen Kunden muß jedoch im 4 km-Umkreis der künftigen Betriebsstätte wohnen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0252).

Bei der Bedarfsprüfung hatte die Behörde somit zunächst die Zahl der ständigen Einwohner im 4 km-Umkreis zu ermitteln und festzustellen, wieviele dieser Einwohner auf Grund der örtlichen Verhältnisse ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der künftigen Apotheke und nicht aus bestehenden öffentlichen Apotheken oder weiterbestehenden Hausapotheken decken werden. Ergibt sich dabei, daß zwar die Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen nicht erreicht werde, aber wenigstens die - im Verhältnis zur genannten Zahl - "überwiegende Anzahl" zu versorgender Personen im 4 km-Umkreis ansässig ist, so hat die Behörde zu prüfen, ob dieses Mindestversorgungspotential auf Grund der Berücksichtigung von "Einflutern" aus Gebieten außerhalb des 4 km-Umkreises, die sich auf Grund der in § 10 Abs. 5 ApG genannten Umstände zur neuen Apotheke orientieren werden, erreicht wird.

Diesen Grundsätzen wird die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht. Die belangte Behörde begnügt sich mit der Feststellung eines - Einwohner aus dem Gebiet des 4 km-Umkreises und außerhalb desselben wohnende Personen nicht unterscheidenden - "Gesamtversorgungspotentials" von 7.301 Personen, das offenbar sämtliche Einwohner von Gnas und der im Bescheid bezeichneten "Umlandgemeinden" umfaßt. Sie hat es unterlassen, die Anzahl der im 4 km-Umkreis wohnenden, von der künftigen Apotheke aus zu versorgenden Einwohner festzustellen. Dies ist schon deshalb rechtswidrig, weil auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht überprüft werden kann, ob die "überwiegende Anzahl" zu versorgender Personen im 4 km-Umkreis der künftigen Betriebsstätte wohnt. Feststellungen, die erkennen lassen, wieviele der von der Behörde insgesamt zu den "von der öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG gezählten Einwohnern innerhalb und wieviele derselben außerhalb des 4 km-Umkreises wohnen, sind aber auch wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabes geboten: Ob bestimmte Einwohner "zu versorgende Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG sind, richtet sich bei im 4 km-Umkreis wohnenden Personen nach den in § 10 Abs. 3 genannten Voraussetzungen, bei außerhalb des 4 km-Umkreises wohnenden Personen hingegen nach § 10 Abs. 5 leg. cit. Dem angefochtenen Bescheid liegt insoweit offenbar die Auffassung zugrunde, Feststellungen über den 4 km-Umkreis seien deshalb entbehrlich gewesen, weil die Einwohner der "Umgebungsgemeinden von Gnas ohne Rücksicht, ob ihr Wohnhaus innerhalb des 4 km-Umkreises oder außerhalb desselben steht, die zahlreichen Einrichtungen von Gnas in Einspruch nehmen werden." Ob eine solche Vorgangsweise (abgesehen von der Frage der "überwiegenden Anzahl" der im 4 km-Umkreis wohnenden zu versorgenden Personen) im Einzelfall zulässig sein kann - etwa weil unter Gesichtspunkten der ärztlichen Versorgung und fehlender anderweitiger Möglichkeit der Heilmittelversorgung in Anbetracht der Entfernungsverhältnisse die Bewohner bestimmter außerhalb des 4 km-Umkreises gelegener Gebiete jedenfalls als im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG zu versorgende Personen anzusehen wären -, kann im Beschwerdefall auf sich beruhen, weil die im vorliegenden Zusammenhang von der belangten Behörde angestellten Überlegungen keine ordnungsgemäße Begründung des angefochtenen Bescheides darstellen.

Mit dem bereits im Berufungsverfahren erhobenen Einwand der Beschwerdeführer, die Einwohner der - offenbar durchwegs außerhalb des 4 km-Umkreises gelegenen - Gemeinden Unterauersbach, Aug-Radisch und Trabensdorf seien zur ärztlichen Hausapotheke in Bierbaum am Auersbach, die Einwohner der Gemeinden Kohlberg, Perlsdorf und Baumgarten zur ärztlichen Hausapotheke in Paldau orientiert, hat sich die belangte Behörde nicht hinreichend auseinandergesetzt. Der Hinweis des angefochtenen Bescheides auf die infrastrukturelle, kulturelle und seelsorgerische Zentrumsfunktion von Gnas stellt keine schlüssige Begründung für die Einbeziehung auch solcher Personen in das Versorgungspotential der künftigen Apotheke dar, deren Wohnorte im "Einzugsbereich" hausapothekenführender Ärzte liegen, deren Hausapotheken auch nach Inbetriebnahme der künftigen öffentlichen Apotheke weiterbestünden, wenn diese Personen ihren Arzneimittelbedarf in der Vergangenheit bei diesen Hausapotheken gedeckt haben; denn es besteht kein Erfahrungssatz des Inhaltes, daß solche Personen, die bisher ihren Arzneimittelbedarf in - insbesondere räumlich näher zu ihrem Wohnort gelegenen - Hausapotheken gedeckt haben, nach Inbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke in größerer Entfernung zu ihrem Wohnort - selbst wenn der Standortgemeinde "Zentrumsfunktion" (vgl. hiezu das Erkenntnis vom , Zl.88/08/0257) zukäme - bei dieser ihren Arzneimittelbedarf decken werden. Im Hinblick auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides ist jedenfalls in Betracht zu ziehen, daß die Differenz zwischen dem Mindestversorgungspotential und den aus dem Gesichtpunkt der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich zu versorgenden Personen aus der Gruppe der ständigen Einwohner im 4 km-Umkreis im Beschwerdefall relativ groß ist. Gerade in einem solchen Fall müssen dafür, daß durch Personen, die ständig außerhalb des 4 km-Umkreises wohnen, das erforderliche Versorgungspotential aufgefüllt werden wird, einigermaßen gesicherte Anhaltspunkte bestehen, weil der Gesetzgeber durch die Forderung nach dem Mindestversorgungspotential klar zu erkennen gibt, daß er erst ab der Erreichung einer solchen Anzahl zu versorgender Personen mit einer einwandfreien Heilmittelversorgung rechnet (vgl. hiezu nochmals das Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0257).

Selbst ausgehend von der (dem angefochtenen Bescheid offenbar zugrundeliegenden) Annahme, daß eine bestimmte Anzahl von Personen sich wegen des Vorliegens der in § 10 Abs. 5 ApG genannten Umstände nach Gnas orientieren werde, können diese nur dann als "zu versorgende Personen" im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG in Betracht gezogen werden, wenn nicht angenommen werden müßte, daß diese Personen ihren Heilmittelbedarf in (anderen öffentlichen Apotheken oder) weiterbestehenden Hausapotheken decken würden.

Eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung hätte im Hinblick auf das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen somit Feststellungen über die Entfernungs- und Verkehrsverhältnisse einerseits sowie Anzahl und Wohnorte jener Personen, die zu den Patienten der hausapothekenführenden Ärzte gehören, andererseits vorausgesetzt, auf deren Grundlage hätte beurteilt werden können, welche Bewohner von außerhalb des 4 km-Umkreises von der Betriebsstätte der künftigen Apotheke gelegenen Gebieten ihren Arzneimittelbedarf in dieser decken und welche Personen (weiterhin) bestehende Hausapotheken aufsuchen werden. Solche konkreten Sachverhaltsfeststellungen waren nicht schon im Hinblick auf die Darlegungen des angefochtenen Bescheides, daß eine öffentliche Apotheke die geeignetere Abgabestelle für Arzneimittel sei, das Personal besonders qualifiziert und ausgebildet und das Warenlager und Sortiment größer sei, entbehrlich. Eine solche Bedachtnahme auf allgemeine strukturelle Unterschiede zwischen öffentlichen Apotheken und Hausapotheken im vorliegenden Zusammenhang führte zum Ergebnis, daß bei der Beurteilung des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke auf den Umstand, daß bestimmte Personenkreise ihren Arzneimittelbedarf weiterhin in bestehenden Hausapotheken decken könnten, nicht Bedacht zu nehmen wäre; für eine solche generalisierende Betrachtungsweise bietet das Gesetz keine Grundlage.

Auch der Hinweis des angefochtenen Bescheides, daß ein "Höhenzug" in Form einer "natürlichen Grenze" verhindere, daß die Einwohner von Perlsdorf, Kohlberg oder Baumgarten die Hausapotheke in Paldau aufsuchten, stellt keine schlüssige Begründung im oben dargelegten Sinn dar, weil dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann, inwiefern der erwähnte "Höhenzug" für die Einwohner des in Rede stehenden Gebietes ein solches Hindernis für das Erreichen von Paldau (insbesondere mit Kraftfahrzeugen) darstellt, daß dem allenfalls längeren Weg nach Gnas unter diesem Gesichtspunkt und selbst unter Bedachtnahme auf sonstige, für die Wahl des praktischen Arztes ausschlaggebende Aspekte der Vorzug gegeben würde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher, soweit er die Berufung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet abweist, als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem - auf die Rechtslage nach der ApG-Nov1984, BGBl. Nr. 502 bezogenen - Erkenntnis vom , Zl. 87/08/0259 =

Slg. 13092/A, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß dem von der Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung bedrohten praktischen Arzt, dessen Ordination weniger als

4 Straßenkilometer von der künftigen Betriebssttätte der öffentlichen Apotheke entfernt ist, im Apothekenkonzessionsverfahren Parteistellung zukommt.

Gemäß § 51 Abs. 3 ApG in der Fassung der ApG-Nov 1990, BGBl. Nr. 362, steht gegen die Erteilung der Konzession (u.a.) denjenigen gemäß § 29 Abs. 4 und 5 betroffenen Ärzten, welche gemäß § 48 Abs. 2 rechtzeitig einen Einspruch erhoben haben, die Berufung zu.

Gemäß § 48 Abs. 2 ApG in der Fassung der ApG-Nov 1990 können (u.a.) gemäß § 29 Abs. 4 und 5 betroffene Ärzte, welche den Bedarf an der neuen öffentlichen Apotheke als nicht gegeben erachten, Einsprüche gegen die Neuerrichtung innerhalb längstens sechs Wochen, vom Tage der Verlautbarung an gerechnet, bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Standort der neuen öffentlichen Apotheke in Aussicht genommen ist, geltend machen; später einlangende Einsprüche werden nicht in Betracht gezogen.

Die genannten Vorschriften wurden im Hinblick auf die eingangs erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eingeführt (vgl. 1336 Blg. NR. XVII GP. 5).

Nach Art. II Abs. 1 ApG-Nov 1990 können die gemäß § 29 Abs. 4 und 5 betroffenen Ärzte, die nach dem und vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in einem Verfahren betreffend die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke nicht als Partei beigezogen waren, ihre Parteienrechte bis längstens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltend machen.

Die ApG-Nov 1990 ist mit in Kraft getreten.

In der Frage der Legitimation des Zweitbeschwerdeführers zur Erhebung der Berufung war zunächst zu untersuchen, ob dieser ein (von der Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke) gemäß § 29 Abs. 4 und 5 betroffener Arzt im Sinne des § 51 Abs. 3 ApG ist. Daß die Beurteilung hiebei - der allgemeinen Regel, wonach grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides abzustellen ist, folgend - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu erfolgen hatte, ist im Beschwerdefall ebensowenig zweifelhaft wie die "Betroffenheit" des Zweitbeschwerdeführers, dessen Hausapothekenbewilligung im Hinblick darauf, daß sein Berufssitz von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke des Mitbeteiligten weniger als 4 Straßenkilometer entfernt ist, im Sinne des § 29 Abs. 4 und 5 ApG mit dem Tag der Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke zurückzunehmen ist. Im Beschwerdefall hing die Berufungslegitimation des Zweitbeschwerdeführers somit noch davon ab, ob dieser gemäß § 48 Abs. 2 ApG rechtzeitig einen Einspruch erhoben hatte. Die belangte Behörde vertritt dazu im Ergebnis die Auffassung, die Äußerung des Zweitbeschwerdeführers (vom ) sei nicht zu beachten, weil er diese zu einem Zeitpunkt abgegeben habe, als er die Bewilligung zur Erhaltung einer ärztlichen Hausapotheke noch nicht gehabt habe.

Dieser Auffassung ist zu erwidern, daß den Behörden beider Verwaltungsinstanzen im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Bescheide eine (nicht zurückgewiesene), inhaltlich einen Einspruch darstellende Stellungnahme des Zweitbeschwerdeführers vorlag. Daß im Zeitpunkt ihrer Einbringung () die Einspruchslegitimation des Zweitbeschwerdeführers - im Hinblick auf die erst am erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke - nicht gegeben war, ändert nichts daran, daß den Behörden - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung, auf den sie die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich abzustellen hatten (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0252, und die dort angeführte Vorjudikatur) - der Einspruch eines im Sinne des § 29 Abs. 4 und 5 ApG betroffenen Arztes vorlag. Der Einspruch war somit als durch die zwischenzeitig

() erfolgte Erteilung der Bewilligung der Haltung einer ärztlichen Hausapotheke "konvalidiert" anzusehen.

Er ist auch - ungeachtet des Umstandes, daß er nicht innerhalb von sechs Wochen ab der Verlautbarung vom erhoben wurde - als rechtzeitig erhoben im Sinne des § 48 Abs. 2 ApG anzusehen, weil der Zweitbeschwerdeführer erst am die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erlangte.

Der Zweitbeschwerdeführer, der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 29 Abs. 4 und 5 ApG betroffener Arzt war, war somit im Hinblick auf die rechtzeitige Erhebung eines Einspruches im Sinne des § 48 Abs. 2 ApG zur Erhebung der Berufung berechtigt. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Berufung des Zweitbeschwerdeführers zurückweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.