VwGH vom 18.10.2000, 95/08/0181
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Erich Unterer und Dr. Rainer Handl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wipplingerstraße 24-26, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 12-14757/93, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Sozialreferat für den 13./14. Bezirk, vom wurde von Amts wegen unter Berufung auf die §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes (in der Folge: Wr SHG) die dem Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid vom zuerkannte monatliche Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit eingestellt. Nach der Begründung ergebe sich die Einstellung "auf Grund des Erbes von Grundbesitz mit Haus, welches ein verwertbares Vermögen darstellt."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, dem Sozialamt sei schon seit Jahren bekannt, dass ihm seine im November 1992 verstorbene Tante im Testament vom die gegenständliche Liegenschaft mit dem darauf errichteten, zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dienenden Einfamilienhaus, hinterlassen habe. Trotzdem sei die ihm gewährte Geldleistung von zuletzt S 6.305,-- nicht eingestellt, sondern weiterhin bis einschließlich Oktober 1993 gewährt worden. Die Behörde habe nur den Wunsch auf Verpfändung der Liegenschaft für eine etwaige künftige Forderung auf Rückersatz der aufgewendeten Kosten geäußert und die Rentenleistung bis zur Klarstellung, ob für den Beschwerdeführer eine Sachwalterbestellung erforderlich sei, vorderhand ausgesetzt. Erst mit Bescheid des Sozialamtes vom sei die konträre Ansicht vertreten worden, dass "auf Grund des Erwerbes von Grundbesitz mit Haus" ein verwertbares Vermögen vorhanden sei. Eine tatsächliche Verwertungsmöglichkeit sei allerdings unüberprüft geblieben. Von Seiten des Testamentsvollstreckers sei die Unvermietbarkeit des Hauses, der Mangel eines sonstigen Vermögens und die Unzweckmäßigkeit sowie Schädlichkeit einer pfandrechtlichen Sicherstellung ausführlich dargelegt worden. Das Sozialamt habe sich damit aber in keiner Weise auseinander gesetzt. Abgesehen davon, dass die Annahme einer Verwertbarkeit des vom Beschwerdeführer erworbenen Grundvermögens mit Haus jeglicher Beweisgrundlage entbehre und nachweisbar nicht zutreffe, sei die Begründung der Behörde erster Instanz auch rechtlich verfehlt. Die Liegenschaft bringe für den Beschwerdeführer keinen Ertrag, sodass er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nach wie vor auf Geldleistungen nach dem Wiener Sozialhilfegesetz angewiesen sei. Das Haus sei ausschließlich zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse des Beschwerdeführers und seiner Pflegerin bzw. Haushälterin geeignet. Eine Verpflichtung zum Ersatz "des sich durch eine Fortsetzung der wiederkehrenden Geldleistungen künftig hin ergebenden Aufwandes" bestehe nicht, weil gerade dadurch - mangels seiner Rückzahlungsfähigkeit - der Erfolg der Hilfeleistung ebenso gefährdet würde wie durch die eine Veräußerung verhindernde Einverleibung einer Kautionshypothek nach § 26 Abs. 1 Wr SHG.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 bis 4 Wr SHG führte sie aus, bei Vorhandensein von Vermögen eines Hilfe Suchenden sei grundsätzlich die Vermögensverwertung zu verlangen. Sei eine solche vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar, so könnten Hilfeleistungen des Sozialhilfeträgers von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden. Die Behörde erster Instanz habe nicht primär die Verwertung der gegenständlichen Liegenschaft verlangt, sondern hätte weitere Sozialhilfeleistungen von deren Sicherstellung, also der Eintragung einer Hypothek zu Gunsten des Sozialhilfeträgers in das Grundbuch, abhängig gemacht. Dies sei jedoch von Ing. H., welcher vom Beschwerdeführer mit einer Generalvollmacht ausgestattet sei, abgelehnt worden. Der Vorgangsweise der Behörde hätte der Beschwerdeführer ein in sich widersprüchliches Vorbringen entgegen gehalten: So werde in der Berufung zunächst argumentiert, die Liegenschaft sei unverwertbar, gleichzeitig jedoch vorgebracht, gerade durch die beabsichtigte Eintragung eines Pfandrechtes würde die Verwertung durch Veräußerung verhindert. Dies lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer selbst von der Möglichkeit einer Verwertung durch Veräußerung ausgehe, obwohl dies vom Sozialhilfeträger nicht verlangt werde. Im Übrigen werde auch eine Verwertbarkeit durch Vermietung von Teilen des Hauses negiert. Das Gebäude weise nach den Angaben von Ing. H. eine Wohnnutzfläche von 110 m2 auf; neben dem Beschwerdeführer seien dort seine Pflegerin sowie zwei weitere Personen wohnhaft. Laut Hausbesuch vom wirke das Haus bzw. dessen Einrichtung abgewohnt, jedoch nicht baufällig. Es existierten zwei Telefonanschlüsse sowie eine nicht mehr benützte Hausmeisterwohnung. In gleicher Weise erscheine der belangten Behörde das Hauptargument unschlüssig, mit dem eine Sicherstellung von Sozialhilfeleistungen abgelehnt werde. So werde ausgeführt, dass eine Sicherstellung einen möglichen Verkauf der Liegenschaft unmöglich mache, andererseits blieben offenbar sogar Bemühungen, die unbelastete Liegenschaft zu veräußern, bis dato erfolglos. Eine solche Schlussfolgerung liege insofern nahe, als Ing. H. bereits im März 1994 angegeben habe, es gebe bereits eine Kaufinteressentin für die gegenständliche Liegenschaft, die sämtliche Vertragsbedingungen erfüllen wolle, ein Kauf sei jedoch nicht zu Stande gekommen. Die belangte Behörde könne daher nicht erkennen, weshalb in Anbetracht der Sachlage sowohl von einer Sicherstellung auf der Liegenschaft als auch von deren Verwertung, etwa durch teilweise Vermietung, Abstand genommen werden und gleichzeitig Sozialhilfe geleistet werden solle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 8 Abs. 1 Wr SHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.
Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf gemäß § 10 Abs. 3 Wr SHG nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde.
Hat ein Hilfe Suchender Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können gemäß § 10 Abs. 4 leg. cit. Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer zuerkannte monatliche Geldleistung mit eingestellt, weil der Beschwerdeführer von seiner Tante Grundbesitz mit Haus geerbt habe, somit Eigentümer von verwertbarem Vermögen sei. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe der Beschwerdeführer eine Sicherstellung des Ersatzanspruches nach § 10 Abs. 4 Wr SHG abgelehnt. Im Übrigen werde auch eine Verwertbarkeit durch Vermietung von Teilen des Hauses "negiert".
Die Beschwerde vertritt zunächst die Auffassung, die Aussetzung der Geldleistung vor Erlassung des Bescheides des Sozialamtes vom sei rechtswidrig. Solange die Entziehung der Sozialhilfeleistung nicht ausgesprochen worden sei, sei die zuerkannte Sozialhilfe (weiter) zu gewähren.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Bei Wegfall der im § 8 Abs. 1 Wr SHG normierten Voraussetzungen ist eine bisher gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, sohin auch eine wiederkehrende Geldleistung gemäß § 13 leg. cit., einzustellen. Eine rückwirkende Einstellung bereits erbrachter Sozialhilfeleistungen ist unzulässig, sofern nicht die Voraussetzungen vorliegen, unter denen solche Leistungen nach Maßgabe der §§ 25 ff Wr SHG zurückgefordert werden können (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0261).
Da dem Beschwerdeführer die ihm auf Grund des Bescheides vom zuerkannte Dauerleistung ab November 1993 nicht mehr ausbezahlt wurde, ist die durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch den angefochtenen Bescheid übernommene "Einstellung" der Dauerleistung mit an sich zulässig; ihre Rechtmäßigkeit hängt aber davon ab, ob sich ab die tatsächlichen Verhältnisse so geändert haben, dass dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt deshalb die ihm mit dem genannten rechtskräftigen Bescheid zuerkannten Geldleistungen in der ab gebührenden Höhe nicht mehr zustanden (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0021, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall war daher sachverhaltsbezogen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer über verwertbares Vermögen in dem Ausmaß verfügte, um seinen Lebensbedarf zu sichern, bzw. ob der Beschwerdeführer für den Fall, dass ihm die Verwertung seines Vermögens vorerst nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte, sich weigerte, die Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig zu machen. Die Sicherstellung war allerdings davon abhängig, dass die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird.
Hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit des Vermögens durch eine zumindest teilweise Vermietung wurde vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren die Unvermietbarkeit auf Grund der "räumlichen Gegebenheiten" behauptet. So gebe es in dem Haus keine voneinander abgeschlossenen selbstständigen Wohneinheiten. Die zwei Telefonanschlüsse resultierten daraus, dass der Beschwerdeführer, ohne den Telefonanschluss seiner (damals noch lebenden) Tante zu blockieren, leichter mit der Außenwelt kommunizieren könne. Bei den dort wohnhaften Personen habe es sich um einen Bekannten der Tante des Beschwerdeführers bzw. um einen Freund von ihm gehandelt. Diese Personen hätten keine Miete gezahlt und wohnten nicht mehr dort (vgl. das Vorbringen in der Niederschrift vor dem Magistrat der Stadt Wien vom ). In der Berufung wurde wiederum auf die Unvermietbarkeit des Hause hingewiesen. Auch anlässlich eines Hausbesuches von Seiten der Behörde am wurde festgestellt, dass die einzelnen Räume des Hauses "sehr unpraktisch angelegt" sind. Nähere Feststellungen, insbesondere zur Frage, ob ein etwaiges Einkommen aus Vermietung überhaupt ausreichte, den Lebensbedarf des Beschwerdeführers zu sichern, enthält der angefochtene Bescheid nicht.
Hinsichtlich der Sicherstellung des Ersatzanspruches ist auf § 10 Abs. 4 Wr SHG zu verweisen. Hat ein Hilfe Suchender Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, so können danach Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird.
Die Frage, ob die Rückzahlung im Sinne des Gesetzes voraussichtlich ohne Härte möglich wäre, wurde nicht geprüft.
Der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt und die dabei angestellten Erwägungen halten daher einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand (vgl. dazu etwa das bereits genannte Erkenntnis vom ).
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur für zwei Beschwerdeausfertigungen zuzuerkennen.
Wien, am