VwGH 28.05.1991, 88/05/0166
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; VStG §31 Abs2; VStG §5 Abs1; |
RS 1 | Die Nichtbeseitigung eines Bauwerkes, für welches eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde, ist ein Unterlassungsdelikt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0613/63 E VwSlg 6080 A/1963 RS 2 |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; VStG §1 Abs1; |
RS 2 | § 129 Abs 10 Wr BauO enthält ein Gebot, dem bereits zuwidergehandelt werden kann, ohne daß vorher ein baupolizeilicher Auftrag ergangen sein müßte. Wohl ist die Strafbarkeit dann nicht gegeben, wenn der Eigentümer, der Normadressat dieser Gesetzesbestimmung, von der ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung Gebrauch macht. Eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung eines bauordnungswidrigen Baues ist während des Laufes des Verfahrens über das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht möglich. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0766/68 E VS VwSlg 7657 A/1969 RS 1 |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §135 Abs1; BauRallg; VStG §1 Abs1; VVG §5; |
RS 3 | Die Vorschrift des § 129 Abs 10 Wr BauO iVm § 135 Abs 1 Wr BauO stellt keine Beugestrafe dar, sondern eine Verwaltungsübertretung, die - innerhalb der Verjährungsfrist - auch dann zu ahnden ist, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren der rechtswidrige Zustand weggefallen ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64-164/87/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Wiener Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau als den Eigentümern der Liegenschaft Wien 14., B-Weg 15, EZ nn1 der KG C, den Auftrag, näher bezeichnete Baulichkeiten auf diesem Grundstück abtragen zu lassen, wobei der Auftrag nicht gelte, wenn innerhalb der gleichen Frist die nachträgliche Baubewilligung erwirkt werde. Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid ist nach der Aktenlage unbekämpft geblieben.
Mit Straferkenntnis des Magistrates Wien vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Eigentümer der auf der schon genannten Liegenschaft befindlichen Baulichkeiten in der Zeit vom bis insofern Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben und den vorschriftswidrigen Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden sei, nicht beseitigt zu haben, als er es unterlassen habe,
1) das an zwei Seiten mit gemauerten Wänden geschlossene und mit Holz und Wellblech gedeckte Gebäude im Ausmaß von ca. 4,00 m x 12,00 m und einer maximalen Höhe von 2,60 m an der rechten rückwärtigen Grundgrenze,
2) den gemauerten, ca. 0,90 m unter dem anschließenden Gartenniveau gelegenen Zubau im Ausmaß von ca. 3,50 m x 8,00 m und einer maximalen Gesamthöhe von 2,50 m an der Gartenseite des bestehenden Wohnhauses,
3) die Wand aus Glasprofilelementen in der Länge von ca. 3,00 m und einer Höhe von ca. 2,10 m an der rechten Grundgrenze im Bereich der im Punkt 2) bezeichneten Terrasse und
4) die Wand aus Betonschalsteinen in einer Länge von ca. 3,00 m und einer Höhe von ca. 0,70 m und teilweise 1,15 m an der linken Grundgrenze, im Bereich der im Punkt 2) bezeichneten Terrasse
abtragen zu lassen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien verletzt; wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über ihn gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 5.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzarrest von fünf Tagen) verhängt.
Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz aus, daß entgegen der Rechtfertigung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Anzeigelegung () kein Bauansuchen zur Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung der genannten Baulichkeiten anhängig gewesen sei.
In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß das Verfahren über die begehrte Baubewilligung nach Bauverhandlungen am , und nach wie vor nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Es sei auch unrichtig, daß das am eingebrachte Bauansuchen zurückgezogen worden sei; vielmehr sei das Bauansuchen nach wie vor im Berufungsstadium anhängig.
Daraufhin hielt die belangte Behörde dem Vertreter des Beschwerdeführers einen am bei der MA 37 eingelangten Antrag vor, in dem ausdrücklich nochmals erklärt wurde, daß in der Verhandlung vom die Anträge hinsichtlich der Zubauten zurückgezogen worden seien und lediglich die Anträge hinsichtlich "baulicher Änderungen" aufrecht geblieben seien. Dieser im Protokoll nicht ausdrücklich festgehaltene Antrag werde nochmals wiederholt. In seiner Stellungnahme hiezu führte der Beschwerdeführer aus, daß er stets bemüht gewesen sei, die nachträgliche Baugenehmigung für die Baulichkeiten zu erlangen, sich jedoch im Zuge des Bauverfahrens herausgestellt habe, daß die im Bauakt der Baubehörde erliegenden Pläne über den bestehenden Baukonsens äußerst ungenau seien und miteinander im Widerspruch stünden. Daher habe der Vertreter des Beschwerdeführers bei der Bauverhandlung vom mit dem Verhandlungsleiter Ing. K. besprochen, das Bewilligungsverfahren in "zwei Stufen" abzuwickeln und vorerst durch Erlangen einer rechtskräftigen Baubewilligung über die unstrittigen Punkte einen nachvollziehbaren Baukonsens zu schaffen, auf den man sodann in einem zweiten Schritt aufbauen könne. Insbesondere sollte ein nachvollziehbarer "Ist-Zustand" geschaffen werden. Auf Grund dieser mit dem Verhandlungsleiter abgestimmten Vorgangsweise seien daher vorerst sämtliche Punkte, die mit der Frage des Ausmaßes der "verbauten Fläche" im Zusammenhang stünden, aus dem ersten Bauansuchen herausgenommen worden; sie sollten erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung aufbauend auf dem durch diese Baubewilligung geschaffenen klaren "Ist-Zustand" in einem neuen Bauansuchen neu geltend gemacht werden. Diese Vorgangsweise sei anläßlich einer Vorsprache des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers beim Verhandlungsleiter im Berufungsverfahren Dr. T. von diesem ausdrücklich als zweckmäßig bezeichnet worden. Erst als sich herausgestellt habe, daß insbesondere durch einen Wechsel des Verhandlungsleiters bei der Baubehörde erster Instanz die erste Baubewilligung doch nicht so rasch wie zunächst abbesprochen von der Baubehörde erteilt werde, sei das zweite Bauansuchen eingebracht worden, in dem nochmals die Punkte laut Bescheid vom angeführt seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Tatzeit auf bis eingeschränkt werde. Die Strafe werde gemäß § 51 Abs. 4 VStG auf S 2.000,-- (bei Uneinbringlichkeit 48 Stunden Arrest) herabgesetzt. Hinsichtlich des restlichen Tatzeitraumes wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben bzw. das Verfahren hinsichtlich des Tatzeitraumes bis gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG und hinsichtlich des Tatzeitraumes bis gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG eingestellt. Begründend führte die belangte Behörde aus, auch der Beschwerdeführer bestreite nicht, daß die im Spruch genannten Baulichkeiten ohne Baubewilligung errichtet worden seien; der objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sei daher als gegeben anzusehen. Es könne aber auch dem Vorbringen nicht gefolgt werden, daß den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe, da er sich intensiv um die Erlangung einer Baubewilligung bemühe. Der Beschwerdeführer habe zwar um nachträgliche Baubewilligung für die genannten Baulichkeiten angesucht, dieses Ansuchen jedoch am im Rahmen einer Bauverhandlung zurückgezogen und mit Schriftsatz vom diese Zurückziehung ausdrücklich bestätigt. Aus welchen Motiven das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung eingeschränkt worden sei, sei weder aus dem Verhandlungsprotokoll vom erkennbar, noch aus dem Schreiben des damaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom . Auch bei Durchsicht des Bauaktes hätten keinerlei Hinweise darauf gefunden werden können, daß das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung, wie vom Beschwerdeführer behauptet werde, auf Anraten baubehördlicher Organe zurückgezogen worden sei. Auch wenn der "alte" bewilligte Zustand aus den aufliegenden Plänen nicht zweifelsfrei ersichtlich sei, so habe doch keine Veranlassung bestanden, Baulichkeiten aus dem Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung herauszunehmen, von denen längst bekannt gewesen sei, daß sie ohne Baubewilligung errichtet worden seien. Soweit der Beschwerdeführer auf die lange Dauer des Verfahrens um Erlangung einer Baubewilligung verweise, werde auf § 73 AVG verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, stellt die Nichtbeseitigung eines Bauwerkes, für welches eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde, ein Unterlassungsdelikt dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 6080/A), jedoch ist während der Anhängigkeit eines Ansuchens um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung eine Bestrafung nicht zulässig (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 7657/A). Wenn also der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß im Zeitpunkt der Anzeige, die zur späteren Bestrafung führte, das Bauansuchen bereits wieder eingebracht worden ist, verkennt er, daß die Vorschrift des § 129 Abs. 10 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien nicht etwa eine Beugestrafe darstellt, sondern eine Verwaltungsübertretung, die - innerhalb der Verjährungsfrist -
auch dann zu ahnden ist, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren der rechtswidrige Zustand weggefallen ist.
Objektiv ist der belangten Behörde auch insofern zuzustimmen, als die Notwendigkeit einer "Zweiteilung" des Bauansuchens nicht erkennbar, vor allem aber nicht einsichtig ist, warum nicht die beiden Bauansuchen getrennt eingebracht worden sind, sodaß eine selbständige oder sukzessive Behandlung möglich gewesen wäre.
Eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes liegt daher nicht vor.
Hingegen kann der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde im Rahmen der Prüfung der subjektiven Tatseite nicht folgen, schon aus der objektiven Zweckwidrigkeit ergebe sich, daß die vom Beschwerdeführer ausdrücklich unter Beweisanboten aufgestellte Behauptung, der Verhandlungsleiter der Baubehörde erster Instanz habe seinem Vertreter die Vorgangsweise angeraten oder zumindest mit ihm vereinbart und ein Referent der Bauoberbehörde habe dies nicht als unzweckmäßig gefunden, unrichtig sei. Träfe nämlich die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung zu, so kann einem Bauwerber nicht als Verschulden angelastet werden, dem Rat eines Organwalters der Baubehörde gefolgt zu sein. Die belangte Behörde hätte daher die Behauptung durch Aufnahme der beantragten Zeugenbeweise und allenfalls Vernehmung auch der namentlich genannten Beamten prüfen müssen. Da sie dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Wien, am
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §135 Abs1; BauRallg; VStG §1 Abs1; VStG §31 Abs2; VStG §5 Abs1; VVG §5; |
Schlagworte | Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1991:1988050166.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAE-36107