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VwGH vom 26.06.2002, 2001/04/0132

VwGH vom 26.06.2002, 2001/04/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde von M in Salzburg, vertreten durch Dr. Michael Dyck und Dr. Norman Dick, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Imbergstraße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2001/K1/011-4, betreffend Nichtigerklärung einer Entscheidung im Vergabeverfahren und einstweilige Verfügung (mitbeteiligte Partei: T), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Nichtigerklärung der Entscheidung der mitbeteiligten Partei, das Angebot der beschwerdeführenden Partei im Vergabeverfahren betreffend "Textilien (Vorhänge)" für einen Klinikneubau in Innsbruck auszuscheiden, sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, dass der mitbeteiligten Partei verboten werde, bis zur Rechtskraft der Entscheidung der belangten Behörde den Zuschlag an einen anderen Bieter zu erteilen, abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die mitbeteiligte Partei als öffentlicher Auftraggeber im Sinn des § 2 Abs. 1 Tiroler Vergabegesetz 1998, LGBl. Nr. 17/1998 idF LGBl. Nr. 76/1999 (im Folgenden: TVergG) zu werten sei und daher dem persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliege. Aus mehreren anderen bei der belangten Behörde anhängigen Verfahren sei bekannt, dass in der Astraße in I ein Klinikneubau mit einem Gesamtauftragswert von etwa S 1,4 Milliarden errichtet werde. Beim gegenständlichen Lieferauftrag handle es sich um einen Auftrag im Rahmen dieses gesamten Bauvorhabens. Der in § 6 Bundesvergabegesetz 1997 festgelegte Schwellenwert, auf den § 5 TVergG verweise, werde daher in jedem Fall überschritten, weshalb das gegenständliche Vergabeverfahren dem Anwendungsbereich des TVergG unterliege.

Das Angebot der beschwerdeführenden Partei sei zu Recht ausgeschieden worden, weil eine in den Ausschreibungsunterlagen geforderte (zusätzliche) Unterschrift fehle, wobei es sich um einen nicht verbesserbaren Mangel des Angebots handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene (Beschluss vom , B 759/01) Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Darin führte sie u.a. aus, dass der in § 6 (offenbar gemeint: § 5) Bundesvergabegesetz 1997 festgelegte Schwellenwert von EUR 200.000,-- nicht überschritten werde und die belangte Behörde daher unzuständig sei. Der bloße Umstand, dass es sich beim gegenständlichen Lieferauftrag um einen solchen im Rahmen eines Gesamtbauvorhabens mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb des Schwellenwertes handle, ändere nichts daran, dass der für Lieferaufträge geltende Schwellenwert vorliegend nicht erreicht werde.

Die belangte Behörde führte dazu im aufgetragenen Schriftsatz vom aus, es sei zwar richtig, dass es sich bei der dem gegenständlichen Vergabeverfahren zu Grunde liegenden Ausschreibung für sich allein gesehen um einen Lieferauftrag betreffend die Lieferung von Vorhängen handle, der den in § 6 Bundesvergabegesetz 1997 festgelegten Schwellenwert von EUR 200.000,-- nicht erreiche. Der Lieferauftrag sei jedoch im Zusammenhang mit dem Gesamtbauvorhaben zu sehen.

Selbstverständlich seien Einrichtungsgegenstände wie Vorhänge, die noch dazu mit dem Bauwerk verbunden seien, unabdingbare Bestandteile, die für das Funktionieren bzw. für den täglichen Gebrauch des Bauwerks notwendig und somit als Bestandteile des Gesamtbauvorhabens zu werten seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 TVergG gilt dieses Gesetz nach Maßgabe der nach § 5 anzuwendenden Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997, BGBl. I Nr. 56, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 120/1999 für die Vergabe von Liefer-, Bau-, Baukonzessions- und Dienstleistungsaufträgen durch Auftraggeber nach § 2 einschließlich der Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor.

Gemäß § 5 Abs. 1 lit. a leg. cit. ist auf die Vergabe von Aufträgen u.a. das erste Hauptstück des ersten Teiles des Bundesvergabegesetzes 1997 anzuwenden.

Gemäß § 6 Abs. 1 TVergG unterliegt die Vergabe von Aufträgen nach diesem Gesetz durch die in § 2 genannten Auftraggeber der Nachprüfung durch den unabhängigen Verwaltungssenat.

§ 5 Abs. 1 lit. a TVergG wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 350/01, als verfassungswidrig aufgehoben, wobei ausgesprochen wurde, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt. Diese Bestimmung ist daher auf den vorliegenden Fall, der keinen "Anlassfall" im Sinn von Art. 140 Abs. 7 B-VG darstellt, noch anzuwenden.

Das erste Hauptstück des ersten Teiles des Bundesvergabegesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 120/1999 (im Folgenden: BVergG), auf das sich die statische Verweisung in § 5 Abs. 1 lit. a TVergG bezieht, enthält u.a. folgende Regelungen über den sachlichen Geltungsbereich:

"§ 1.

Dieses Bundesgesetz gilt für entgeltliche Lieferaufträge, deren Vertragsgegenstand der Kauf, das Leasing, die Miete, die Pacht oder der Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren, einschließlich von Nebenarbeiten wie dem Verlegen und der Installation, ist.

§ 2.

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für entgeltliche Bauaufträge, deren Vertragsgegenstand

1. die Ausführung oder die gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang 1 genannten Tätigkeiten oder

2. die Ausführung eines Bauwerkes, wobei als Bauwerk das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- und Hochbauarbeiten gilt, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll oder

3. die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen, gleichgültig mit welchen Mitteln dies erfolgt, ist.

...

§ 5.

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Vergabe von Lieferaufträgen durch die in Anhang V genannten Auftraggeber dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 130.000 SZR beträgt. Im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung gilt dies nur für Lieferaufträge betreffend Waren, die in Anhang VI enthalten sind.

(2) Im Übrigen gilt dieses Bundesgesetz für die Vergabe von Lieferaufträgen dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 200.000 Euro beträgt.

...

§ 6.

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Vergabe von Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen Euro beträgt.

(2) Besteht ein Bauwerk aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so muss bei der Errechnung des in Abs. 1 angegebenen Betrages der Wert eines jeden Loses berücksichtigt werden. Beläuft sich der kumulierte Wert der Lose auf den in Abs. 1 genannten Betrag oder einen höheren, unterliegen alle Lose diesem Bundesgesetz. Dies gilt, unbeschadet der Bestimmungen des § 13 und § 14, nicht für Lose, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Million Euro beträgt, sofern der kumulierte Auftragswert dieses Lose 20 v.H. des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. Als Lose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhanges I (Gewerke).

..."

Die gegenständliche Ausschreibung umfasst nach den bei den Verwaltungsakten erliegenden Ausschreibungsunterlagen den Kauf sowie die Lieferung und Montage von ca. 750 Laufmeter Vorhangschienen und ca. 1300 Laufmeter Vorhängen. Der geschätzte Auftragswert liegt unstrittig unter 200.000 EUR. (Die Gesamtpreise der gelegten Angebote ohne Umsatzsteuer betragen nach der Niederschrift über die Anbotseröffnung zwischen EUR 32.108,-- und EUR 80.561,--.)

Da die Montage von gelieferten Vorhangschienen und Vorhängen gegenüber dem im Vordergrund stehenden Kauf der Schienen und Vorhänge eine dem in § 1 BVergG ausdrücklich genannten Verlegen bzw. Installieren vergleichbare Nebenarbeit darstellt, erfüllt der Ausschreibungsgegenstand vorliegend die in § 1 BVergG umschriebenen Voraussetzungen eines Lieferauftrages.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich hingegen nicht um einen Teil (ein "Los", vgl. § 6 Abs. 2 BVergG) eines Bauauftrages gemäß den sachverhaltsbezogen in Betracht kommenden Z. 1 oder 2 des § 2 Abs. 1 BVergG.

Bei einem "Bauwerk" gemäß Z. 2 der letztgenannten Bestimmung handelt es sich um das eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllende Ergebnis einer Gesamtheit von "Tief- und Hochbauarbeiten". Das Liefern und die Montage von Vorhängen samt Schienen kann jedoch nicht als Tief- oder Hochbauarbeit angesehen werden.

Bei dem in Z. 1 genannten Begriff des "Bauvorhabens" handelt es sich nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum (§ 2 BVergG entsprechenden) § 1a BVergG 1993 idF BGBl. Nr. 776/96 (323 BlgNR, XX GP, Seite 75) um den umfassenderen Begriff, der neben der Erstellung von Bauwerken auch andere Bauleistungen erfasst, wobei Revitalisierungen von Gebäuden, Umbauten, Instandsetzungen und Reparaturen genannt werden. Das Gesetz fordert hier einen Zusammenhang mit den im Anhang I genannten Tätigkeiten. In diesem Anhang ist (entsprechend dem Anhang II zur Richtlinie des Rates vom zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, 93/37/EWG) die Montage von Vorhangschienen und Vorhängen nicht aufgezählt, weshalb der vorliegende Auftrag, nicht als bloßer Teilauftrag im Rahmen eines Bauauftrages, sondern als eigener Lieferauftrag anzusehen ist.

Da der geschätzte Wert des den Gegenstand der vorliegenden Ausschreibung bildenden Auftrages unter dem gemäß § 1 und § 5 Abs. 1 lit. a TVergG iVm § 5 Abs. 2 BVergG maßgeblichen "Schwellenwert" von 200.000 EUR, der für die sachliche Geltung des TVergG maßgeblich ist, liegt, war die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes nicht zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am