VwGH vom 25.02.2004, 2001/04/0121

VwGH vom 25.02.2004, 2001/04/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der

1. A. Abfallservice AG, 2. T 3. O GmbH und 4. S Environnement, alle vertreten durch Dr. Bernt Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-00-400, betreffend Widerruf einer Ausschreibung nach dem NÖ Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: NÖ BAWU-Niederösterreichische Beteiligungsgesellschaft für Abfallwirtschaft und Umweltschutzgesellschaft m.b.H., Rennbahnstraße 29b, 3109 St. Pölten, vertreten durch Hausmaninger, Herbst und Wietrzyk, Rechtsanwälte-Gesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich den Antrag der Beschwerdeführer, den mit Schreiben vom ausgesprochenen Widerruf der Ausschreibung der Mitbeteiligten betreffend die Vergabe einer Dienstleitung der Kategorie 16, "Müllentsorgung", CPC-Referenznummer 94 (hier: thermische Behandlung und Entsorgung von ca. 130.000 bis 190.000 t Restmüll mit der Option auf weitere 30.000 t pro Jahr ab bis mindestens 2013) für nichtig zu erklären, und ihren Eventualantrag, festzustellen, dass der Widerruf rechtswidrig sei, zurückgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit dem erfolgten Widerruf kein Vergabeverfahren mehr anhängig sei bzw. sich ein solches auch nicht mehr "im Stadium von einer, das bezughabende Verfahren betreffenden, Zuschlagserteilung" befinde. Weder § 24 noch § 27 NÖ Vergabegesetz, LGBl. Nr. 7200, sähen im Fall des Abschlusses eines Vergabeverfahrens durch Widerruf eine gesetzliche Grundlage für eine nachprüfende Kontrolle in Bezug auf einen erklärten Widerruf in Form einer Nichtigerklärung vor. Auch aus der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (im Folgenden: RM-RL) in Verbindung mit Art. 41 der Richtlinie 42/50/EWG vom über die Koordinierung zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in der Fassung der Richtlinie 97/52/EWG lasse sich auch im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-81/98 Alcatel Austria AG keine derartige Zuständigkeit der innerstaatlichen Nachprüfungsinstanz ableiten. Da sich somit weder aus den Bestimmungen des NÖ VergabeG in Verbindung mit den bezughabenden Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997, BGBl. Nr. 56/1997, noch aus dem geltenden Gemeinschaftsrecht eine Zuständigkeit für eine Nichtigerklärung eines vom öffentlichen Auftraggeber bekannt gegebenen Widerrufes ableiten lasse, sei der Antrag zurückzuweisen.

Zur Zurückweisung des Eventualantrages führte die belangte Behörde aus, dass sie gemäß § 24 Abs. 2 NÖ VergabeG bis zur Zuschlagserteilung zur Beseitigung von Verstößen gegen dieses Gesetz und die hiezu ergangenen Verordnungen zuständig sei. Ein Vergabeverfahren werde entweder durch die - hier nicht vorliegende - Zuschlagserteilung oder - wie im Beschwerdefall - durch einen Widerruf beendet. Da § 24 Abs. 3 NÖ VergabeG der belangten Behörde nach Abschluss des Vergabeverfahrens (hier: durch Widerruf der Ausschreibung) keine Zuständigkeit einräume, zumal es gegenständlich weder zu einer Angebotseröffnung noch zu einer Zuschlagserteilung gekommen und die Angebotsfrist zum Zeitpunkt des Widerrufes der Ausschreibung noch nicht verstrichen gewesen sei, sei der Eventualantrag in Ermangelung einer gesetzlichen Kompetenz zurückzuweisen. Auch aus § 27 Abs. 3 NÖ VergabeG sei nichts zu gewinnen, weil diese Bestimmung ausschließlich auf den Zeitpunkt nach der Zuschlagserteilung abstelle und im vorliegenden Fall kein Zuschlag erteilt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom , B 865/00).

In der für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers verletzt. Sie führen im Wesentlichen aus, eine richtlinienkonforme Interpretation könne nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Entscheidung über den Widerruf von der belangten Behörde gemäß § 24 Abs. 2 Z. 2 NÖ VergG geprüft werden müsse. Der Widerruf sei wie der Zuschlag eine das Vergabeverfahren beendigende Entscheidung. Wenn nach der Rechtsprechung des EuGH die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vorzusehen sei, müsse dies auch für die Widerrufsentscheidung gelten. Eine richtlinienkonforme Interpretation sei immer dann möglich, soweit die allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze "unter Berücksichtigung der normativen Begründung der richtlinienkonformen Auslegung" eine solche zu tragen vermögen. Im Gegensatz zum klaren Wortlaut der §§ 24 Abs. 2 und 3, 27 Abs. 3 NÖ VergabeG (welche den §§ 113 Abs. 2 und 3, 117 Abs. 3 BVergG 1997 entsprächen), wonach nach der Zuschlagsentscheidung nur mehr das Feststellungsverfahren möglich sei, ergebe sich für die Nichtigerklärung eines Widerrufs mangels ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung ein durch richtlinienkonforme Interpretation zu füllender Spielraum.

Die §§ 17, 24 und 27 des NÖ VergabeG, LGBl. 7200-0, in der hier maßgeblichen Fassung nach dem LGBl. 7200-2, lauten:

"§ 17

Prüfung der Angebote

(1) Die §§ 47 bis 57 des Bundesvergabegesetzes sind - mit Ausnahme der §§ 47 Abs. 6, 49 Abs. 4, 51 Abs. 1 und 3 sowie 54 Abs. 2 - sinngemäß anzuwenden.

...

§ 24

Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates

(1) Die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Gesetz und die hiezu ergangenen Verordnungen zuständig


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1.
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (§ 26) sowie
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers (§ 27).

(3) Nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist der Unabhängige Verwaltungssenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob ein übergangener Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.

...

§ 27

Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers

(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat eine im Zuge des Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn sie

1. im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und

2. für den Ausgang des Ausgabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in den Ausschreibungsunterlagen oder in jedem sonstigen Dokument des Vergabeverfahrens in Betracht.

(3) Nach Zuschlagserteilung hat der Unabhängige Verwaltungssenat unter den Voraussetzungen des Abs. 1 bloß festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht."

§ 56 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 1997 - BVergG in der (gemäß § 13 Abs. 5 NÖ VergG verwiesenen) Fassung BGBl. I Nr. 56/1997, lautet:

"Abschluss des Vergabeverfahrens

§ 56. (1) Das Vergabeverfahren endet mit dem Zustandekommen des Leistungsvertrages oder mit dem Widerruf der Ausschreibung.

..."

Die Richtlinie des Rates vom , 89/665/EWG, in der Fassung der Richtlinie vom , 92/50/EWG, (im Folgenden: RM-RL) enthält folgende Bestimmungen:

"Artikel 1

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien ..., 77/62/EWG (gemäß Art. 33 der RL vom , 93/36/EWG, i.d.F. RL 93/36/EWG) und 92/50/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und den übrigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Schaden geltend machen könnten.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss.

Artikel 2

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,

a) damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen oder Maßnahmen der Durchführung jeder sonstigen Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber;

b) damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

c) damit denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann."

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat die Auffassung vertreten (vgl. das Urteil des Gerichtshofs vom , Rs C-54/96, Dorsch Consult, Slg 1997, I-4961; Urteil des Gerichtshofs vom , Rs C-258/97, Hospital Ingenieure, Slg 1999, I-1405), dass sich die aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 EG (früher Art. 5 EGV), alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedsstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folge, dass ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muss, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 EG (früher Art. 189 EGV) nachzukommen. Schließlich hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die Betroffenen, wenn die nationalen Vorschriften nicht in einer der Richtlinie 92/50/EWG entsprechenden Weise ausgelegt werden können, im Rahmen der geeigneten Verfahren des nationalen Rechts den Ersatz des Schadens verlangen können, der ihnen dadurch entstanden ist, dass die Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/04/0038).

In seinem Urteil vom , Rs C-92/00, Hospital Ingenieure II, Slg. 2002, I-05553, hat der EuGH klargestellt, Art. 1 Abs. 1 der RM-RL verlange, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung zu widerrufen, in einem Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden könne (Rz 55). Die RM-RL stehe auch einer nationalen Regelung entgegen, die die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Ausschreibung auf die Prüfung beschränke, ob diese Entscheidung willkürlich erfolgt sei (Rz 64).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. B 1160/00, unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil des EuGH ausgesprochen, dass alle innerstaatlichen Gerichte verpflichtet seien, das nationale Recht unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraums in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen, anzuwenden und für die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Normen auch dadurch Sorge zu tragen, dass sie erforderlichenfalls jede entgegen stehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen. Durch das bezogene Urteil sei nunmehr klargestellt, dass der Widerruf des Vergabeverfahrens eine Entscheidung des Auftraggebers darstelle, die in einem Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden können müsse.

In dem dem genannten verfassungsgerichtlichen Verfahren zu Grunde liegenden Bescheid hatte sich das Bundesvergabeamt (BVA) zur Entscheidung über die Nichtigerklärung eines Widerrufs im Vergabeverfahren für unzuständig erklärt, weil der Annahme seiner Zuständigkeit die Wendung "oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens" in § 113 Abs. 3 BVergG 1997 entgegen stehe. Diese Wendung wurde vom BVA im Zusammenhalt mit § 56 Abs. 1 BVergG 1997 dahin gedeutet, dass es zur Nichtigerklärung des Widerrufs - auf Grund des damit eintretenden Abschlusses des Vergabeverfahrens - nicht befugt sei und eine solche Zuständigkeit selbst im Bewusstsein um das Erfordernis einer richtlinienkonformen Interpretation nicht begründet werden könne. Dieser Rechtsauffassung, derzufolge für eine richtlinienkonforme Interpretation des BVergG 1997 kein Raum bliebe, hat sich der Verfassungsgerichtshof nicht angeschlossen und in seinem Erkenntnis vom ausgeführt, dass das BVA seine Zuständigkeit "ohne Weiteres" hätte wahrnehmen können, "indem es die Wortfolge des § 113 Abs. 3 BVergG 1997 in gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation so verstanden hätte, dass der Widerruf nicht als Fall des dort genannten 'Abschlusses des Vergabeverfahrens' zu qualifizieren gewesen wäre".

Im Beschwerdefall erachtete die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zur Nichtigerklärung des Widerrufs der in Rede stehenden Ausschreibung gleichfalls durch die Wortfolge "oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens" in § 24 Abs. 3 NÖ VergabeG in Verbindung mit den §§ 17 Abs. 1 leg. cit. sowie § 56 Abs. 1 BVergG 1997 nicht gegeben und verneinte die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung der Bestimmungen des NÖ VergG entsprechend der RM-RL.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung ist jedoch im Sinne der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes davon auszugehen, es sei die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Nachprüfung eines Widerrufs gemäß § 24 Abs. 2 Z. 2 NÖ VergabeG gegeben. Diese Auslegung trägt dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot Rechnung, die Möglichkeit zu schaffen, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der Entscheidung, ein Vergabeverfahren zu widerrufen, diese Entscheidung aufgehoben werden kann und dass über einen allfälligen Antrag eine der RM-RL entsprechend eingerichtete Behörde zu entscheiden hat, sodass ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist.

Die belangte Behörde hat demnach § 24 NÖ VergabeG einen rechtswidrigen Inhalt unterstellt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Umrechnung der Stempelgebühr beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am