TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 09.05.2001, 2001/04/0085

VwGH vom 09.05.2001, 2001/04/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs- 2001/20/004-1, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom schuldig erkannt, er habe vom 17. bis auf einer näher beschriebenen Baustelle in I. die Verlegung von Baustahl gewerbsmäßig durchgeführt, ohne über die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Baumeistergewerbes nach § 127 Z. 4 GewO 1994 zu verfügen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 127 Z. 4 GewO 1994 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine näher bezeichnete Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, deren Teilhaber und Gesellschafter u.a. der Beschwerdeführer sei, habe die erwähnte Verlegung von Baustahl durchgeführt. Bei dieser Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesbR) handle es sich um einen deutschen Eisenflechterbetrieb mit Sitz in R. (Bundesrepublik Deutschland). Außer einer nach deutschem Recht gültigen Gewerbekarte und einer Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers für die Tätigkeit "Eisenflechten" bei der Gemeinde R. vom seien keine Nachweise für die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Ausübung des Baumeistergewerbes nach § 127 GewO 1994 erbracht worden. Das Verlegen von Baustahl sei dem Baumeistergewerbe vorbehalten; dieses sei ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe. Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedsstaates bedürften für die Erbringung von Dienstleistungen in Österreich, die einem gebundenen Gewerbe zu unterstellen seien, entweder eines Befähigungsnachweises, einer Nachsicht nach § 28 GewO 1994 oder einer Anerkennung nach § 373 lit. c GewO 1994. Der Beschwerdeführer habe keinen dieser Nachweise erbracht, obwohl bei einer Gewerbeausübung durch eine GesbR jeder Gesellschafter die notwendigen Voraussetzungen zur Gewerbeausübung zu erbringen hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamte Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür auch nicht bestraft zu werden, verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, die GesbR sei Inhaberin eines Eisenflechterbetriebes mit der entsprechenden Gewerbeberechtigung. Die beiden Gesellschafter der GesbR verfügten jeweils über eine deutsche Gewerbeberechtigung; der Beschwerdeführer habe seine Gewerbeanmeldung bei der Gemeinde R. am erstattet. Zum Zwecke der Verlegung von Baustahl hätten sich die beiden Gesellschaft nach I. begeben und die in Rede stehende Dienstleistung erbracht. Die belangte Behörde habe verkannt, dass die deutsche Gewerbeberechtigung den Beschwerdeführer zur Vornahme dieser Arbeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union berechtigte. Der freie Dienstleistungsverkehr sei nämlich nicht auf die Ausübung von Tätigkeiten beschränkt, die einem freien Gewerbe zuzurechnen seien. Der von der belangten Behörde herangezogene § 373 lit. c GewO 1994 mache zwar die Ausübung der in Rede stehenden Dienstleistung von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig, die an bestimmte berufliche Qualifikationen geknüpft sei. Dies stelle aber eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, die geeignet sei, die Tätigkeit des Dienstleistenden zu unterbinden, jedenfalls aber zu behindern. Wenn nämlich eine solche "Anerkennung der den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ersetzenden Qualifikation" verlangt werde, so könnte der betroffene Betrieb in der Praxis nicht wettbewerbsfähig auftreten. Es müsste vor jeder Annahme eines Auftrages eine Anerkennung bei der österreichischen Gewerbebehörde beantragt werden; der Betrieb käme damit auf jeder Baustelle zu spät, obwohl er strenge und mit Pönale bedrohte Fristen einhalten müsste. Nach der Judikatur des EuGH verlange Art. 49 EG nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers auf Grund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, wenn sie geeignet seien, die Tätigkeit des Dienstleistenden zu unterbinden oder zu behindern. Das Verbot, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken, gehe also weit über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid auferlege, sei gemeinschaftsrechtswidrig, weil sie weder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, noch durch innerstaatliche Anforderungen faktisch geboten sei, um die Einhaltung der Berufsregelungen und den Schutz der Empfänger von Dienstleistungen zu gewährleisten, ohne über das hinaus zu gehen, was zum Erreichen dieser Ziele erforderlich sei. Die von der belangten Behörde gewählte Auslegung der in Betracht kommenden Gesetzesstellen verletze daher nicht nur die aktive Dienstleistungsfreiheit des Beschwerdeführers, sondern auch die passive Dienstleistungsfreiheit des Leistungsempfängers.

Gemäß § 373 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Staatsangehörige einer EWR-Vertragspartei, die in einem EWR-Vertragsstaat ansässig sind und eine Tätigkeit befugt ausüben, auf die die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden wären, bestellte gewerbliche Arbeiten im Inland unter den gleichen Bedingungen wie Inländer ausführen. Hinsichtlich der Erbringung des allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweises liegen die gleichen Voraussetzungen im Sinne des ersten Satzes auch vor, wenn der grenzüberschreitend tätige Gewerbetreibende die Anerkennung gemäß § 373c oder die Gleichhaltung gemäß § 373d erlangt hat. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot sind gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 zu bestrafen.

Die belangte Behörde ist unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0085, davon ausgegangen, die gewerbliche Tätigkeit "Verlegen von Baustahl" sei dem - bewilligungspflichtigen gebundenen - Baumeistergewerbe (§ 127 Z. 4 GewO 1994) vorbehalten. Zu den Bedingungen, unter denen diese Tätigkeit ausgeübt werden dürfe, zähle auch die Erbringung eines Befähigungsnachweises. Der Beschwerdeführer habe allerdings weder einen Befähigungsnachweis bzw. eine davon erteilte Nachsicht, noch eine Anerkennung gemäß § 373c GewO 1994 dargetan.

Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht. Er meint vielmehr, die Annahme, ein entsprechender Nachweis sei als Voraussetzung für die Zulässigkeit der von ihm erbrachten Leistung erforderlich, verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49f EG.

Nun betont der Beschwerdeführer zwar zu Recht, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach den genannten Bestimmungen grundsätzlich und zwar auch dann verboten sind, wenn diese ausländische Dienstleistungserbringer nicht diskriminieren. Gleichwohl unterliegt aber auch die Dienstleistungsfreiheit Einschränkungen, die aus besonderen Gründen hingenommen werden müssen. So sind nach der Rechtsprechung des EuGH Hemmnisse für den freien Dienstleistungsverkehr auf Grund unterschiedslos anwendbarer nationaler Maßnahmen (nur) zulässig, wenn diese durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Zieles zu gewährleisten und wenn sie nicht über das zur Erreichung dieses Zieles Erforderliche hinausgehen (vgl. z.B. das , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Zieht man in diesem Zusammenhang die mit der Ausführung von Bauten verbundenen besonderen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen in Betracht, so ist es nicht ungerechtfertigt, von einem dringenden Allgemeininteresse daran auszugehen, dass entsprechende Tätigkeiten nur von Personen erbracht werden, die - nachweislich - auch eine dafür ausreichende Befähigung aufweisen. In diesen Fällen bestehen daher zwingende Gründe des Allgemeininteresses an der Erbringung eines Befähigungsnachweises bzw. an der Erfüllung der in § 373c GewO1994 i.V.m. § 2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. Nr. 775/1993, normierten Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Dass die entsprechenden Regelungen zur Erreichung des angestrebten Zieles ungeeignet oder überschießend wären, ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen; die - nicht näher begründete - Behauptung, die Notwendigkeit einer den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ersetzenden Anerkennung der Qualifikation schmälere "in der Praxis" die Wettbewerbsfähigkeit dieses Betriebes, ist in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet, begründete Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der genannten Regelung zu wecken.

Halten sich die von der GewO 1994 getroffenen Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemäß den Art. 49f EG solcher Art aber im Rahmen zulässiger Einschränkungen, so liegt die behauptete Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht vor; dem angefochtenen Bescheid liegt demnach zu Recht die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am