VwGH vom 20.12.2005, 2001/04/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Dr. P, Rechtsanwalt in W, J-Straße 6, "als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der P & Co Gesellschaft m.b.H. (nunmehr: P & Co Gesellschaft m.b.H. Nfg KG)", gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-98-009, betreffend Parteistellung in einem Nachprüfungsverfahren nach dem NÖ Vergabegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom wurde folgender Abspruch getroffen:
"SPRUCH
Dem Antrag der J Ges.m.b.H. auf Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers NÖ-Hypo Leasing Mentio Grundstücksvermietungs Gesellschaft m.b.H., vertreten durch das Amt der NÖ Landesregierung, im Vergabeverfahren vor Zuschlagserteilung wird Folge gegeben. Die Entscheidung der NÖ-Hypo Leasing Mentio Grundstücksvermietungs Gesellschaft m.b.H., vertreten durch das Amt der NÖ Landesregierung, im Vergabeverfahren 'Neubau der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt, öffentliche Ausschreibung der Haustechnik: Heizungsanlagen, Lüftungsanlagen, Mess-, Steuer-, Regel- und Leittechnik, Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmung und Sanitäranlage' das von der P & Co Gesellschaft m.b.H. gelegte Angebot betreffend die Gewerke Heizungs-, Lüftungsanlagen und Sanitäranlage in die Reihung aufzunehmen, wird wegen Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung für nichtig erklärt.
..."
In der Begründung dieses Bescheides heißt es zusammengefasst, dass das Angebot der P & Co Gesellschaft m.b.H. ein unzulässiges Alternativangebot darstelle, weil es nicht neben einem ausschreibungsgemäßen Angebot abgegeben worden sei. Dieses wäre daher vom öffentlichen Auftraggeber auszuscheiden gewesen. Die Aufnahme des Angebotes der P & Co Gesellschaft m.b.H. in die Reihung stehe somit im Widerspruch zu den Bestimmungen des NÖ Vergabegesetzes und den einschlägigen geltenden Rechtsnormen. Die Belassung dieses Angebotes in der Reihung sei von wesentlichem Einfluss gewesen, weil es der Entscheidung über die Zuschlagserteilung zu Grunde zu legen wäre.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der P & Co Gesellschaft m.b.H., ihr den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom als Partei im Verfahren zuzustellen, abgewiesen.
Zur Begründung heißt es auszugsweise:
"...
Es ist daher davon auszugehen, dass im Nachprüfungsverfahren aufgrund der konkreten diesbezüglichen Bestimmungen im Zusammenhalt mit der Tatsache, dass es sich dabei um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Vergabeentscheidungen öffentlicher Auftraggeber handelt (nicht jedoch um ein Verfahren, das Mitbietern Berechtigungen einräumt), Parteistellung nur demjenigen zukommt, der am Nachprüfungsverfahren aufgrund konkreter, von ihm gestellter Anträge unmittelbar berechtigt ist bzw. kommt dem öffentlichen Auftraggeber Parteistellung zu, dessen Entscheidung Gegenstand der objektiven Prüfung durch die Nachprüfungsbehörde ist. Auch dieser ist somit aufgrund dieses Umstandes am Nachprüfungsverfahren unmittelbar beteiligt.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass im Nachprüfungsverfahren entsprechend den Bestimmungen des NÖ Vergabegesetzes in Verbindung mit jenen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes einen Anspruch zur Setzung eines inhaltlich bestimmten Verwaltungsaktes nur der antragstellende Bieter bzw. jener öffentliche Auftraggeber hat, dessen Entscheidung der Nachprüfung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat unterliegt. Die oben erläuterten Bestimmungen des NÖ Vergabegesetzes räumen ausschließlich diesen Personen subjektive Berechtigungen ein. Demgegenüber ist die Position eines Mitbieters, der möglicherweise von der angefochtenen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers de facto (nicht aber de iure) berührt wird, von einer weniger intensiven Subjektbezogenheit, sodass diese nur die Stellung eines Beteiligten gewährt. Die von einem Mitbieter betroffenen Interessen stellen überdies zufolge des Umstandes, dass sie durch keine Rechtsvorschrift zu rechtlichen Interessen erhoben werden, bloße wirtschaftliche Interessen dar, die keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren begründen (VwSlg NF 495A, 2594A, 6569A, 7662A, 10.420A; vgl. auch Zlen. 01/1096/79, 81/01/0101).
Entgegen den Ausführungen der nunmehrigen Einschreiterin wurde im Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eine Zuschlagserteilung an einen Mitbieter nicht für nichtig erklärt. Eine Zuschlagserteilung ist nämlich, solange das Verfahren auf Nachprüfung vor Zuschlagserteilung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat anhängig war, nicht erfolgt. Die Tatsache, dass die Mitbieterin P & Co Gesellschaft m.b.H. im Zeitpunkt der Angebotseröffnung am in die vom öffentlichen Auftraggeber der Entscheidung für die Zuschlagserteilung zugrundezulegende Liste der bietenden Firmen aufgenommen war, rechtfertigt keinesfalls die Annahme, dass ihr aus diesem Umstand ein Rechtsanspruch auf Zuschlagserteilung zugekommen wäre.
Maßgeblich ist weiters, dass die bloße Aufnahme des Angebotes in die Liste aller zu prüfenden Angebote keine Gewähr dafür bietet, dass dieses auch konkret bei der Zuschlagserteilung Berücksichtigung findet. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass das konkrete Anbot - aus welchen vergaberechtlich relevanten Gründen immer - durch den öffentlichen Auftraggeber ausgeschieden wird.
Wie die Einschreiterin zutreffend ausführt, ist für die Parteistellung entscheidend, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, dass darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete und mittelbare, Wirkung zum Ausdruck kommt.
Aufgrund der Tatsache, dass den bietenden Parteien im Vergabeverfahren kein Rechtsanspruch auf Zuschlagserteilung zukommt, ein solcher Vorgang vielmehr lediglich im wirtschaftlichen Interesse der mitbietenden Firmen liegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die im öffentlichen Interesse geprüfte Frage, ob eine Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers rechtswidrig war und damit für nichtig zu erklären war, geeignet ist, als Sachentscheidung in die Rechtssphäre aller übrigen mitbietenden Firmen einzugreifen.
Wäre jede mitbietende Firma vermöge ihres wirtschaftlichen Interesses an einer allfälligen Zuschlagserteilung Partei in einem auf Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen durchzuführenden Nachprüfungsverfahren, so wären die im Zuschlagsverfahren gemäß § 11 NÖ Vergabegesetz i.V.m. den Punkten 4.2.5. bis 4.2.8. der ÖNORM A 2015 vorgesehenen Formerfordernisse gegenstandslos. Es hätte in einem solchen Fall jeder Bieter ein Einschaurecht in die Niederschrift über die Angebotseröffnung und könnte in einem bei der Nachprüfungsbehörde anhängigen Verfahren im Rahmen der Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen der übrigen mitbietenden Firmen Einsicht nehmen bzw. wäre im Falle der Zuerkennung der Parteistellung an sämtliche Bieter im Rahmen eines Vergabeverfahrens auch die Bestimmung 4.3.7., letzter Satz, unbeachtlich, wonach auf Verlangen dem Bieter Einsichtnahme in den sein Angebot betreffenden Teil der Niederschrift zu gewähren ist.
Aus der Nichtzuerkennung der Parteistellung an die Antragstellerin als Mitbieterin im gegenständlichen Vergabeverfahren mangels Rechtsanspruches auf eine Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber entsteht der Antragstellerin kein Rechtsnachteil.
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 18 Abs. 2 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden NÖ Vergabegesetzes (und zwar hier in der Fassung vor der 2. Novelle LGBl. 7200-2) ist der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Gesetz und die hiezu ergangene Verordnung zuständig
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (§ 20) sowie | |||||||||
2. | zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers (§ 21). | |||||||||
Nach § 19 leg. cit. kann das Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag eines Bieters oder Bewerbers eingeleitet werden und ist gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. ein solcher Antrag nur zulässig, wenn in derselben Sache ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und in diesem Schlichtungsverfahren keine gütliche Einigung erzielt wurde. | ||||||||||
Die beschwerdeführende Partei meint zunächst, dass entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sich die Parteistellung insbesondere aus dem ihr zustehenden Anspruch auf Unterlassung des betreffenden Verwaltungsaktes, nämlich der Erlassung eines Bescheides des Inhaltes, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die (ehemalige) Mitbieterin und nunmehrige Beschwerdeführerin in die Reihung für die Zuschlagserteilung aufzunehmen, für nichtig erklärt werde. Sie sei daher Partei vermöge eines rechtlichen Interesses. Im gegenständlichen Fall sei die Aufnahme in die Reihung der Anbotslegung analog zur Aufnahme in einem Besetzungsvorschlag zu sehen, weil auch hier niemandem der Zuschlag erteilt werden dürfe, der nicht in die Reihung aufgenommen worden sei. Sobald daher Anbietende in den Reihungsvorschlag aufgenommen seien, bildeten sie ebenso eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und hätten in weiterer Folge einen subjektiv rechtlichen Anspruch darauf, dass auch jeder sie betreffende und für sie nachteilige Verwaltungsakt nicht gesetzt werde bzw. ihnen sämtliche in diesem Zusammenhang ergehenden Verwaltungsakte zugestellt würden, damit diese durch den Mitbieter (dem Rechtsstaatsprinzip des B-VG entsprechend) bekämpft werden könnten. Die belangte Behörde sei daher nicht berechtigt gewesen, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verwaltungsakt unter den Mitbewerbern eine - wenn auch nur faktische - Auswahl zu treffen, indem sie Mitbewerber vom weiteren Verfahren ausschließe. Es müsse in weiterer Folge daher auch jedem Mitglied der ursprünglichen Verwaltungsverfahrensgemeinschaft offen stehen, eine solche nachteilige Entscheidung einer Rechtskontrolle durch ein Höchstgericht zu unterziehen. | ||||||||||
Schon mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Ergebnis im Recht. | ||||||||||
Wie der Verfassungsgerichtshof zum BVergG 1997 ausgesprochen hat, kommt Parteistellung im Nachprüfungsverfahren - außer (also nicht nur und insoweit anders als die belangte Behörde meint) dem Antragsteller und dem Auftraggeber - auch "den sonstigen Bewerbern und Bietern, die durch die Entscheidung über die vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsverletzungen in ihren Rechtspositionen betroffen sind", zu (vgl. VfSlg. 15.733/2000; in diesem Sinne auch VfSlg. 16.392/2001). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes an. Da diesbezüglich die §§ 18 Abs. 2 und 19 NÖ Vergabegesetz einerseits und die §§ 113 Abs. 2 und 115 BVergG 1997 andererseits in ihrem normativen Gehalt inhaltsgleich sind, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch veranlasst, diese Auffassung zur Rechtslage nach dem BVergG 1997 auf das hier anzuwendende NÖ Vergabegesetz zu übertragen. Eine Verletzung von Rechten kommt daher nicht nur hinsichtlich des Antragstellers und des Auftraggebers, sondern allgemein - aber auch nur - bei jenen Unternehmen in Betracht, deren rechtlich geschützte Interessen durch die begehrte Entscheidung der Vergabenachprüfungsbehörde beeinträchtigt würden (vgl. Thienel , Sensible Fragen der Parteistellung im Nachprüfungsverfahren nach dem BVergG 2002, in Norm und Normvorstellung, Festschrift für Bernd-Christian Funk zum | ||||||||||
60. Geburtstag, S. 542). | ||||||||||
Die belangte Behörde ist daher nicht im Recht, wenn sie meint, dass "einen Anspruch zur Setzung eines inhaltlich bestimmten Verwaltungsaktes nur der antragstellende Bieter bzw. jener öffentliche Auftraggeber hat, dessen Entscheidung der Nachprüfung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat unterliegt", und damit eine Parteistellung anderer ausschließt. | ||||||||||
Sie ist auch weiters nicht im Recht, wenn sie (offensichtlich hilfsweise) eine Parteistellung damit verneint, die Nichtaufnahme der Mitbieterin P & Co Gesellschaft m.b.H. in die der Zuschlagserteilung zugrundezulegenden Liste der bietenden Firmen "rechtfertigt keinesfalls die Annahme, dass ihr aus diesem Umstand ein Rechtsanspruch auf Zuschlagserteilung zugekommen wäre". | ||||||||||
Die Nichtaufnahme in diese Liste ist in ihrem Gehalt der Ausscheidung eines Bieters gleichzuhalten (und hat die belangte Behörde im Bescheid vom auch damit argumentiert, dass das Angebot der P & Co Gesellschaft m.b.H. ein unzulässiges Angebot darstelle und daher vom öffentlichen Auftraggeber auszuscheiden gewesen wäre). Damit wird aber auch in ein subjektives Recht des davon Betroffenen eingegriffen und genießt dieser insoweit Parteistellung gemäß § 8 AVG (vgl. auch Thienel , a.a.O., wonach eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen auch dann in Betracht kommt, wenn sich der Antrag gegen die unrichtige Behandlung eines Konkurrenten richtet und sein Ausscheiden aus dem Verfahren begehrt wird). Dafür spricht insbesondere auch eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation. Wie nämlich der , Hackermüller , (unter Hinweis auf Vorjudikatur) ausgesprochen hat, unterliegt es keinem Zweifel, dass eine Entscheidung, mit der der Auftraggeber das Angebot eines Bieters noch vor der Auswahl des besten Angebots ausscheidet, eine Entscheidung darstellt, deren Nachprüfung nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/665 möglich sein muss, da diese Vorschrift auf alle Entscheidungen der Auftraggeber anwendbar ist, die den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens unterliegen, und keine Beschränkung hinsichtlich der Natur und des Inhalts dieser Entscheidungen vorsieht. Wie der EuGH weiters folgert, muss dann, wenn das Angebot des Bieters vom Auftraggeber in einem Stadium vor dem der Auswahl des besten Angebots ausgeschieden worden ist, es dem Bieter als Person, der durch eine derartige Entscheidung über den Ausschluss seines Angebots ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht, ermöglicht werden, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im Wege der nach der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren zu bestreiten. | ||||||||||
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. | ||||||||||
Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen. | ||||||||||
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. | ||||||||||
Wien, am |